Wenn die Vision grösser ist als wir selbst
Noch vor einigen Jahrzehnten hat die Schweiz sich nicht als Missionsland gefühlt. Wir sandten Missionare in alle Welt, glaubten aber nicht, selbst Mission nötig zu haben. Das hat sich inzwischen geändert. Im Livenet-Talk spricht Chefredaktor Florian Wüthrich mit vier Gästen zu dem Thema.
Eine Studie löste etwas aus
Andi Bachmann-Roth, Generalsekretär SEA, ist Teil der Spurgruppe «Zukunft Mission». «Vor ungefähr drei Jahren ist Julia Henke, die europäische Direktorin von Life in Abundance, auf uns zugekommen und bot an, uns eine Studie zu schenken.» Dabei sollte es um die Mission in der Schweiz gehen. «Wir sagten sofort ja», erzählt Andi, doch es scheint, als wären die Erwartungen nicht allzu hoch gewesen sein. «Die Studie hat dann aber spannende Ergebnisse an den Tag gebracht. Und was noch spannender war: Wir hatten keine Antwort auf die Fragen, die sich stellten. Zufrieden wollten wir uns aber nicht geben und inmitten unseres Fragens entstand eine Gemeinschaft, in welcher der Wunsch gewachsen ist, für die Mission in der Schweiz noch einmal etwas zu bewegen.»
Wege suchen, damit mehr möglich wird
Beat Leuthold ist Präsident von AEM, einem Netzwerk von Missionswerken im In- und Ausland. Wie die Evangelische Allianz war auch die AEM von Anfang an bei besagtem Prozess dabei. «Ich persönlich finde es unglaublich, wie die Befragung ans Herz ging und etwas ausgelöst hat. Wir erhielten einen Hunger, eine Sehnsucht.» Die Beteiligten haben sich gesagt: «Das kann es jetzt nicht gewesen sein!» Es sei genial, wie offen jetzt ganz neu über Mission geredet werden kann.
Besonders angetan ist Beat von der Bereitschaft, Dinge nicht mehr alleine, sondern gemeinsam zu tun. «Alle wollen mehr Wirkung entfalten und sind bereit, selbst zurückzustehen und anderen Platz zu machen.» Es gehe nicht darum, dass das Bestehende nicht gut sei, sondern vielmehr Wege zu suchen, damit mehr möglich wird.
Die Chance, das Miteinander neu zu klären
Michael Girgis, Rektor am IGW, ist ein weiterer Talkgast. Er ist fasziniert, wie Christen in unterschiedlichsten Funktionen einen Beitrag in Gottes Reich leisten können. «Die Wirkung, die wir in der Schweiz erzielen, hängt von unserer Fähigkeit ab, es miteinander zu tun.» Neben seiner Aufgabe als Rektor ist Michael auch Pastor in einer Lokalgemeinde. Durch diese Doppelfunktion ist ihm das Miteinander von Ausbildungsstätten, Organisationen und Gemeinden vertraut.
Als theologische Ausbildungsstätte sei man das Miteinander mit Gemeindeverbänden und Missionswerken gewohnt. Schliesslich würden sie Leute ja nicht für sich selbst, sondern für andere ausbilden. «Das Miteinander war schon immer da, aber nicht immer einfach. Es gab Spannungen.» Gerade die Frage, ob die Ausbildungsstätte im Auftrag von Kirche und Verbänden tätig sei oder ob sie auch mitreden dürfen, führte zu Anspannung. Michael sieht es als Chance, diese Verbindungen jetzt neu zu klären und freut sich über das aktuell wohlwollende Miteinander.
Zurück zu einer Schlichtheit
Esther Kaspar-Rüegger, Leiterin Gebetshaus Winterthur, berichtet von einem Projekt, welches aus der Sehnsucht verschiedener Christen, die Stadt zu erreichen, entstanden ist. «Ich hatte immer den Eindruck, dass man beim Hineingehen in eine Gemeinde oder Kirche eine Schwelle überwinden muss. Mein Traum ist ein Ort ohne Wände, ohne Schwelle.» Jesus und das Kreuz würden im Zentrum stehen, doch es gäbe keine Schwelle.
«Ein Gebetshaus zu leiten, war nicht meine ursprüngliche Vision», sagt Esther. «Das ist einfach auf dem Weg entstanden.» Auf diesem Weg sei ihre Sehnsucht nach einem schwellenfreien Ort neu erwacht, einem Ort, wo Menschen hinkommen und Jesus begegnen können, ohne sich zuerst in irgendwelche Strukturen fügen zu müssen. Sich einer Gemeinde anzuschliessen, sieht sie dann als einen weiteren Schritt.
«Es war immer so, dass Menschen hinausgerufen worden sind und neu vom Heiligen Geist berührt werden mussten», erkennt Esther aus der Geschichte. «Ich glaube, dass so etwas auch in unserem Unterwegssein passiert: Wir merken, dass es so viel Gutes gibt, wir aber zu einer Schlichtheit zurückkommen und uns vom Heiligen Geist leiten lassen müssen.»
Das Gemeinsam entfaltet neue Wirkung
«Es braucht eine neue Art, nicht in erster Linie an unsere Institution oder uns selbst zu denken, sondern zu fragen, was der Leib braucht und was Sinn ergibt.» Beat betont, dass wir vor allem unseren Auftrag im Blick haben sollten – und dies gemeinsam. Oft hätten wir einen egoistischen Glauben und da helfe es, wenn wir miteinander, als Christen unterschiedlicher Kirchen, Verbände und Werke, einen Glauben entwickeln. «Wenn wir gemeinsam glauben und vertrauen, kann mehr passieren.»
Entsprechend ergänzt Michael: «Das Bild der vier Freunde, die gemeinsam ihren Freund zu Jesus bringen, ist für mich mega inspirierend.» Wenn alle einfach in ihrem Bereich aktiv sind und damit aneinander vorbeischaffen, würde dies keine positive Entwicklung bringen. «Das führt nur zu dem, was wir jetzt schon haben.»
Konkret bringt Andi das Beispiel der Verteilzeitung. Viele Jahre lang gab die Evangelische Allianz die Zeitung «Viertelstunde für den Glauben» heraus. Letztlich würde aber niemand verstehen, weshalb die Allianz und Livenet genau das Gleiche tun würden. So kam es zu einer Zusammenarbeit. «Es begeistert mich, wenn die Vision grösser ist als die eigene Firma oder die eigene Kirche. Dann merken wir: Ich kann es nicht allein. Ich brauche Freunde, die mittragen.»
Sehen Sie sich hier den vollständigen Talk an:
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