«Der Ozean in mir - am Tiefpunkt meines Lebens war Gott da»
«Ich wurde als Kind Gumpibälleli (Gummibällchen) oder Goldlöckchen genannt», erzählt Janice Braun. Und so verhielt sie sich auch – sie war fröhlich, unbeschwert, voller Energie und Lebenslust. Sie wächst in einer intakten Familie auf und lernt in einer Freikirche Jesus als ihren Freund kennen. Niemand ahnt, dass es in ihrem Inneren immer dunkler wird. Sie macht Sport, engagiert sich bei den Royal Rangers, beginnt eine Ausbildung bei einer Bank. Als ihr Ausbildner sie darauf anspricht, dass ihre Leistungen stark abgefallen sind, kann sie als Teenagerin endlich darüber reden, wie schlecht es ihr geht. Wie schwer es ihr fällt, am Morgen zur Arbeit zu erscheinen, wie viel Kraft es sie kostet, das Bild der fröhlichen Janice aufrecht zu erhalten. Sie sucht einen Jugendberater auf, und nach einigen Terminen bei ihm steht fest, dass sie an einer schweren Depression leidet.
Ozean der Depression
«Ich lernte immer neue Schwierigkeiten kennen in diesem Ozean der Depression», gesteht sie. Körperliche und seelische Symptome treten auf, sie fängt an, sich zu ritzen, um die Spannung zu lindern. Schliesslich ist ein Klinikaufenthalt nötig. Dort trifft sie auf Jugendliche, die ebenfalls psychisch krank sind. Janice lernt, dass es hilft, sich anderen anzuvertrauen, wenn es ihr nicht gut geht. Sonst kann ihr niemand helfen.
Ein Wunder
Janice besucht die ICF-Church in Zürich und erzählt ihren Freunden von ihrer Krankheit. In einem Feriencamp beten sie für Janice. Und die dunkle Decke hebt sich weg von ihrer Seele. «Zwischen 19 und 23 Jahren lebte ich mehrheitlich symptomfrei und mit Leichtigkeit», hält sie fest. Sie lernt ihren Mann Benjamin kennen, heiratet und beginnt eine theologische Ausbildung. Vom ICF wird sie im Teilzeitpensum als Jugendpastorin angestellt. Janice ist glücklich!
Nicht schon wieder!
Doch dann sind sie wieder da: Verzweiflung, Traurigkeit und das Gefühl der Überforderung. «Die Antriebslosigkeit, schwindende Kraft und innere Leere sind wie eine schwere Decke, die ich nicht mehr loswerde», beschreibt Janice diese Zeit. Dazu kommen Konzentrationsstörungen und Schlaflosigkeit. «Egal, wie lange ich geschlafen hatte, ich war immer müde.» Dazu gelingen Dinge, die sie gut kann, nicht mehr.
Janice fängt an, an sich und Gott zu zweifeln. Ihr Blick aufs Leben wird sehr negativ. Im Gebet ringt sie mit ihrem Schöpfer. Dann nimmt sie wahr, dass er immer bei ihr ist. «Während die Depression mich fast komplett verbog, liess Gott mich niemals los. Er hat mich liebevoll immer wieder zurechtgerückt.» Auch ihr Mann ist immer für sie da. Die richtige Medikation für die Behandlung zu finden, ist wieder ein langer Weg voller Nebenwirkungen und Rückschläge. Es braucht viel Geduld, bis sich Erfolg zeigt.
Gott in der Pfütze
«Nur wenige Menschen können den Schmerz und das Leid nachempfinden, welche Depressionen mit sich bringen», stellt die 25-Jährige fest. Sie hat ihre Geschichte deshalb aufgeschrieben. Offen und detailliert erzählt Janice Braun, wie sie ihre Krankheit erlebt. Die Symptome, Auswirkungen, Behandlungsmöglichkeiten, die Reaktion der Umwelt. Und sie warnt davor, dass ebenfalls Betroffene von einzelnen Kapiteln des Buches getriggert werden könnten. Sie spricht zum Beispiel Suizidgedanken an und wie sie damit umgeht. Doch sie berichtet auch, wie sie Gottes persönliche Anteilnahme und Nähe erlebt hat. «Er sitzt bei mir in der Pfütze», schreibt sie. «Auch mit einer schweren Erkrankung ist es möglich, Lebensqualität zu erleben.»
Achtsam mit sich umgehen
Janice hat gelernt, auf Signale der Seele und des Körpers zu achten. «Ich brauche zwölf bis vierzehn Stunden Schlaf», hält sie fest. Dazu Ruhepausen für sich allein. Die Balance zu finden zwischen Einsatz und Rückzug erfordern Weisheit, Kraft und Disziplin. «Gott ist in unserer Schwachheit stark», zitiert Janice die Bibel. «Jedes Mal, wenn ich meine Medikamente nehme, bin ich mit meiner Schwäche konfrontiert. Und gleichzeitig wird mir jedes Mal bewusst: Die Stärke Gottes ist mein Begleiter.» Die Texte aus dem Jesaja-Brief bestätigen ihr, dass sie erschöpft, zerbrochen und hilflos sein darf. «Denn Gott verspricht, als mein Versorger die nötige Kraft zu schenken.»
Janice und Benjamin Braun leiten heute als Jugendpastoren gemeinsam das Oneighty des ICF Zürich. Sie hat ihr Pensum so angepasst, dass ihr genug Erholungszeit bleibt. «Der tiefe Ozean der Depression ist immer noch Teil meines Lebens. Trotzdem bin ich mir der Liebe Gottes bewusst.»
Das Buch «Der Ozean in mir» erscheint am 1. März. Es eignet sich sehr für Menschen, welche die Krankheit Depression besser verstehen und Betroffene gut begleiten möchten. Ehrlich, differenziert und sehr persönlich erzählt Janice Braun von ihrem Erleben. Sie ermutigt Betroffene, nicht aufzugeben und sich mitsamt der Krankheit liebevoll anzunehmen. Eine Lektüre, die jedem zu empfehlen ist. Denn laut Statistik erleben 20 Prozent der Bevölkerung einmal im Leben eine depressive Phase.
Im Dezember 2020 war Janice Braun beim Livenet-Talk zu Gast. Sehen Sie sich hier den Talk an: