Altes und Schweres leicht gesagt

Die Bibel in leichter Sprache
Manche Aussagen in der Bibel sind sehr leicht verständlich. Andere sind kompliziert. Eine «Bibel in Leichter Sprache» hilft beim Verstehen. Sie ist gut geeignet für alle, die nicht so gut Deutsch sprechen. Oder die Probleme mit langen Sätzen haben.

Sonntag. Sie besuchen den Gottesdienst in der Kirche Ihres Vertrauens. Schon vor der Tür sehen Sie die Anstrengungen Ihrer Gemeinde, barrierefrei zu sein: Menschen im Rollstuhl können über eine lange Rampe bequem in den Gottesdienstsaal fahren. Wer ein Hörgerät trägt, stellt es auf «Induktion» und hört alles, was von vorne gesagt wird. Vielleicht ist sogar die Präsentation der Liedtexte auf Sehbehinderte eingestellt. Aber dann liest die Moderatorin aus der Apostelgeschichte vor und zitiert: «Saul, was verfolgst du mich? Es wird dir schwer sein, wider den Stachel zu löcken.» Dieser Satz steht genau so in der Lutherbibel – und zwar in der neuesten Ausgabe. Verständlich ist er deshalb nicht. Deshalb arbeiten Teams der Bibelgesellschaften seit geraumer Zeit an Bibeltexten in Leichter Sprache.

Für wen sind diese Texte?

In erster Linie richtet sich die «barrierefreie» Bibel in Leichter Sprache an Menschen mit eingeschränkter Lese- und Sprachfähigkeit. Hierbei spielt es keine Rolle, ob sie erst kurz im Land leben und die Sprache noch nicht so gut beherrschen, oder ob sie prinzipiell im Lernen eingeschränkt sind. Das Ziel ist es, möglichst allen einen Zugang zur Bibel zu verschaffen, den sie selbst nutzen können.

Startpunkt war die Bewegung «People First» im Schweden der 1970er Jahren, in der Einzelne unterstrichen: «Ich habe es satt, geistig behindert genannt zu werden. Wir sind zuerst einmal Menschen, eben People First.» Die Idee einer Leichten Sprache, die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, breitet sich seitdem aus; inzwischen ist sie in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben, die in Artikel 21 (in Leichter Sprache) aussagt: «Menschen mit Behinderung bekommen alle wichtigen Informationen. So kann jeder alles wissen, was für ihn wichtig ist. Die Informationen müssen zugänglich sein. Die Informationen müssen so sein, dass Menschen mit Behinderung die Informationen verstehen können. Zum Beispiel muss es Informationen in Blinden-Schrift oder in Leichter Sprache geben.» Kein Wunder, dass Christen sich daran machen, auch die Bibel in Leichter Sprache zugänglich zu machen.

Wie sieht ein Bibeltext in Leichter Sprache aus?

Allgemeine Grundlagen für solch eine Übersetzung sind zum Beispiel kurze Sätze und möglichst kurze Wörter, keine Fremdwörter, aber auch keine Kindersprache, das Vermeiden von Passivkonstruktionen und Verneinungen. Es gibt mehrere Initiativen, die an solchen Bibeln in Leichter Sprache arbeiten. Zum Beispiel die Bibelgesellschaften im Rahmen der Kirchentagsvorbereitungen oder das Open-Source-Angebot der «Offenen Bibel». Neben einer Studienfassung steht hier auch eine barrierefreie, einfache Variante. Psalm 23 beginnt dabei folgendermassen:

«Das ist ein Lied von David:
Gott ist immer bei mir.
Darum geht es mir gut.
Ich habe alles, was ich brauche.
Gott sorgt für mich.
Ich esse und trinke und werde satt.
Ich finde Ruhe.
Das tut mir gut.
Mein Atem wird kräftig.
Ich lebe.
Gott zeigt mir den richtigen Weg.
Gott macht mir Mut.
Gott macht mich stark.
Er hat es versprochen.
Davon will ich erzählen.»

Welche Texte sind bereits nachzulesen?

Eine komplette Bibel in Leichter Sprache ist noch nicht erhältlich, aber etliche Evangelientexte zum Lesen im Gottesdienst sind bereits «übersetzt» und entweder gedruckt oder über die Website «Evangelium in leichter Sprache» abrufbar. In den nächsten Jahren wird das Projekt «Das Alte Testament in Leichter Sprache» umgesetzt. Hierbei erstellen theologisch und sprachlich geschulte Mitarbeitende die Textgrundlage und lassen sich von einem Helferteam aus der Zielgruppe kontrollieren. Ähnlich arbeitet die bereits beschriebene «Offene Bibel», die ihre Ergebnisse allerdings wie Wikipedia kostenfrei zur Verfügung stellt. Wer an dieser Stelle an die Volx-Bibel denkt, liegt nicht ganz verkehrt, allerdings richtet sich diese Übersetzung, die von ihrem Initiator Martin Dreyer als «Sprachexperiment» bezeichnet wird, in erster Linie an junge Menschen. Dreyer versucht, mit breiter Internetbeteiligung eine möglichst aktuelle und jugendsprachliche Bibelübersetzung aufzubauen.

Ist das nicht zu einfach?

Wer mit dem Wortlaut der Lutherbibel aufgewachsen ist oder eine Übersetzung liebt, die ihm als Leser die Schwierigkeiten der griechischen oder hebräischen Grundtexte weitergibt, wird mit einer Bibel in Leichter Sprache sicher seine Schwierigkeiten haben. Vom Selbstverständnis her ist sie als ergänzendes Angebot gedacht und soll andere Übersetzungen nicht ersetzen. Damit ist sie per se jedoch nicht schlechter als andere Versuche, denn das «Übersetzen» ist letztlich die Arbeit eines Fährmanns. Es geht darum, einen Inhalt ans Ufer einer neuen Sprache oder einer neuen Zielgruppe zu bringen.

Letztlich ist diese Arbeit geschafft, wenn die Botschaft tatsächlich ankommt – also verstanden wird. Lara Meyer vom Katholischen Bibelwerk betont: «Das Übertragen von Bibeltexten in Leichte Sprache bietet viele Chancen – und das nicht nur für Menschen der primären Zielgruppe, denen damit ein eigenständiger Zugang zur Bibel ermöglicht wird. … auch Menschen, die nicht zur primären Zielgruppe gehören, haben die Chance, den Bibeltext noch einmal ganz neu wahrzunehmen. Es lohnt sich also, einen Bibeltext in Leichte Sprache zu übertragen – und ihn in Leichter Sprache zu lesen.»

Beim Bibelwerk - Bibel in leichter Sprache können gewisse Bibelteile in Leichter Sprache als Bücher bestellt werden.

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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