Arabischer Christ über den wahren Auftrag der Kirche
Der aus Galiläa stammende Emil Shehadeh, der sich intensiv mit der Mission unter Muslimen beschäftigt, zeigt sich tief betroffen von der endlosen Spirale der Gewalt im Nahen Osten. Erst kürzlich habe ihn das Leid persönlich getroffen, als ein Verwandter seines Nachbarn durch Raketensplitter ums Leben kam. Trotz dieser schmerzlichen Erfahrung distanziert sich Shehadeh von politischer Parteinahme.
Er ist überzeugt, dass Christen weder die israelische noch die palästinensische Seite unterstützen sollten. «Jesus sagte: ‚Mein Reich ist nicht von dieser Welt‘», zitiert er aus der Bibel, Johannes Kapitel 18, Vers 36, und betont, dass es nicht Aufgabe der Gläubigen sei, sich in politischen Fragen zu verfangen.
Der komplizierte Konflikt und die Rolle der Christen
Aus Shehadehs Sicht sind die politischen Probleme im Nahen Osten so komplex, dass eine Lösung unmöglich erscheint. «Beide Seiten folgen einem Weltbild, das egozentrisch und nicht gottzentrisch ist», so Shehadeh.
Er sieht die Kirche in der Pflicht, durch Taten der Barmherzigkeit und Liebe ein Beispiel zu geben, statt politisch Stellung zu beziehen. «Wir müssen beiden Seiten helfen, aber ohne Partei zu ergreifen.»
Kritisch beschreibt Shehadeh die beiden Extreme, die er im Christentum beobachtet: Die sogenannten «zionistischen Evangelikalen», die Israel in jeder Hinsicht verteidigen, und jene, die sich dem «palästinensischen Evangelium» verschrieben haben, das Gerechtigkeit fordert, aber oft in einer einseitigen Verurteilung Israels endet. Beide Positionen weist er als unbiblisch zurück. «Unsere Berufung ist nicht, die Völker zu belehren, sondern das Evangelium zu verkündigen.»
Selektive Wahrnehmungen
Er argumentiert weiter, dass einige arabische Evangelikale dazu neigen, «ein fast islamistisches Geschichtsbild anzunehmen, das sehr nachsichtig gegenüber arabischer Gewalt und sehr selektiv gegenüber jüdischen Taten ist. Sie geben auch dem Westen die Schuld, wenn sie über den Kolonialismus sprechen», beobachtet er, betont aber, dass ihr Geschichtsbild nur mit dem beginnt, was vor 75 Jahren geschah, während sie die Jahrhunderte davor ignorieren.
«Aber was war mit den Osmanen, die den Nahen Osten eroberten und sowohl Araber als auch Juden misshandelten? Was geschah mit den Abbasiden, den Umayyaden und den Armeen Mohammeds und all seiner Nachfolger? Wir haben also ein Gedächtnis der Bequemlichkeit. Die Geschichte scheint dort zu beginnen, wo es uns passt – da brauchen wir ein gewisses Mass an Ehrlichkeit», sagt Shehadeh.
Auch im Koran zugesichert
Er wies darauf hin, dass es eine Tatsache sei, dass Gott das Volk Israel in dieses Land gebracht und ihnen gesagt habe, dass es ihnen gehöre. «Sogar der Koran sagt das! ‘Gott hat euch vor anderen Völkern bevorzugt'», bilanziert er und fügt hinzu: «Niemand kann sagen, dass das nicht mehr gilt.»
Shehadeh ist sich nicht sicher, warum manche Christen Angst davor haben, zuzugeben, dass Gott Israel das Land gegeben hat. Weiter verweist Shehadeh auf das zentrale Element des christlichen Glaubens, das auch Muslime anziehe: die Person Jesu Christi. «Die Art und Weise, wie Jesus auf die Missstände seiner Zeit reagierte – ohne Proteste oder politische Bewegungen – sollte uns als Vorbild dienen», erklärt er. «Jesus hat sich immer auf das Evangelium konzentriert, und das sollten wir auch tun.»
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