Armenische Delegation fordert Rückkehr der Karabach-Armenier
«Aserbaidschans Aktionen zielen direkt auf die Bevölkerung von Bergkarabach mit dem Ziel einer ethnischen Säuberung der Region», sagte Vartan Oskanian, ehemaliger armenischer Aussenminister und derzeit Vorsitzender des Komitees für die Verteidigung der Rechte der Bevölkerung von Bergkarabach, am 8. Juli vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf. Nachdem Aserbaidschan Bergkarabach zehn Monate lang belagert hatte, startete es im September 2023 eine militärische Offensive, welche über 100'000 Menschen in die Flucht trieb.
UNO soll Bericht zur ethnischen Säuberung vorlegen
In einem interaktiven Dialog mit der Sonderberichterstatterin für zeitgenössische Formen des Rassismus, Ashwini K. P., erinnerte Oskanian daran, dass noch vor zehn Monaten über 100'000 Armenier in Bergkarabach (auch: Artsakh) lebten, heute jedoch praktisch keiner mehr. Oskanian forderte deshalb die UNO-Sonderberichterstatterin auf, Armenien zu besuchen, mit den aus Bergkarabach Vertriebenen zu sprechen und dem Menschenrechtsrat einen Bericht über die ethnische Säuberung vorzulegen.
Dann erinnerte Vartan Oskanian an den Entscheid des internationalen Gerichtshofs vom 17. November 2023, wonach Aserbaidschan dafür sorgen muss, dass alle Personen, die Bergkarabach verlassen haben, sicher, ungehindert und zügig zurückkehren können. Diese Weisung steht im Einklang mit den Verpflichtungen Aserbaidschans gemäss dem internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung. «Bislang hat Aserbaidschan keine nennenswerten Schritte unternommen, um seinen Verpflichtungen nachzukommen», kritisierte der ehemalige Aussenminister Armeniens.
Aserbaidschan reagiert unmittelbar
Eine Vertreterin Aserbaidschans wies die Kritik zurück und behauptete, die Karabach-Armenier hätten ihre Heimat «freiwillig» verlassen, weshalb Christian Solidarity International die Sachlage verdrehe und den Rat in die Irre führe. CSI-Präsident John Eibner bezeichnete es hingegen als «Verhöhnung» der UNO-Menschenrechte, die ethnische Säuberung in Bergkarabach als «freiwillig» zu bezeichnen. Diese Reaktion sei ein weiterer Beleg für die Absicht des aserbaidschanischen Regimes, die armenische Nation zu zerstören. Eibner: «Alles deutet daraufhin, dass Aserbaidschan ein zweifelhafter Partner für den Frieden ist.»
Drei Schlüssel auf dem Weg zum Frieden
Am 9. Juli lud CSI im Rahmen der 56. Sitzung des UNO-Menschenrechtsrats zu einer Parallelveranstaltung ein. Während des live übertragenen Anlasses formulierten Vartan Oskanian, Armine Aleksanyan (ehemals stellvertretende Aussenministerin von Bergkarabach) und der Menschenrechtsanwalt Karnig Kerkonian drei Schlüssel für einen nachhaltigen Frieden zwischen Armenien und Aserbaidschan:
- Das Recht der Armenier auf die Rückkehr nach Bergkarabach
- Die Freilassung aller armenischen Geiseln
- Den Schutz der Kulturgüter in Bergkarabach
«Die vertriebene Bevölkerung von Bergkarabach ist fest entschlossen, in ihre Heimat zurückzukehren, und ihr Recht auf die Rückkehr ist eine Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden», so der ehemalige Aussenminister Oskanian. Das Rückkehrrecht der Karabach-Armenier müsse in einem Friedensabkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan verankert werden. Andernfalls sei ein nachhaltiger Friede kaum zu erreichen.
Laut Vartan Oskanian verfolgt die Regierung Aserbaidschans nicht nur das Ziel der Landnahme, sondern letztlich die Ausmerzung der armenischen Bevölkerung und damit einer 4'000 Jahre alten Zivilisation. Bezüglich des kulturellen und religiösen Erbes von Bergkarabach schlug Oskanian vor, internationale Beobachter in die Region zu senden, um die Kulturdenkmäler zu überprüfen und ihren Schutz zu gewährleisten.
«Gehen oder sterben!»
Armine Aleksanyan, die in Bergkarabach aufgewachsen ist, betonte, dass die Bewohner von Bergkarabach beim Angriff Aserbaidschans vor die Wahl gestellt wurden: gehen oder sterben. Es sei dringend notwendig, dass die internationale Gemeinschaft eingreift und Aserbaidschans Pläne, Armenien zu zerstören, stoppt. In diesem Konflikt gehe es um die Verteidigung der Menschenwürde und das Durchsetzen der Menschenrechte. «Es muss solide internationale Garantien und Mechanismen geben, dass Aserbaidschan seinen internationalen Verpflichtungen nachkommt», betonte Aleksanyan. Die uralten Kirchen in Bergkarabach hätten nicht nur für die lokale Bevölkerung Bedeutung, sondern für die weltweite Christenheit insgesamt.
Mit Blick auf die 23 Armenier, die in Aserbaidschan festgehalten werden, sagte Aleksanyan, dass ihnen ein faires Verfahren verweigert werde. Sie forderte internationalen Druck auf die Regierung in Baku, die Geiseln und Kriegsgefangenen freizulassen.
«Aserbaidschan will zerstören»
«In diesem Konflikt geht es um Aserbaidschans Absicht, die Armenier zu zerstören und ihre Spuren in Bergkarabach zu tilgen. Solange Aserbaidschan diese Absicht weiterverfolgt, wird kein Friede möglich sein», erklärte der Anwalt Karnig Kerkonian mit Nachdruck. Ein Rückkehrrecht müsse deshalb die Rückkehr im Kollektiv unter internationalem Schutz umfassen und den Rückkehrern Grundrechte sowie das Recht auf Selbstverteidigung einräumen. Abschliessend meinte Kerkonian, dass es angesichts der weltweit brodelnden grossen Konflikte möglich sein müsse, im Fall von Bergkarabach eine Lösung zu finden. «Wenn wir die Situation im Südkaukasus nicht lösen können, dann können wir auch keinen der anderen Konflikte lösen», so Kerkonian.
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