Gemeindewachstum trotz Einschränkungen
Als er das erste Mal nach der Pandemie wieder nach China reisen konnte, fragte sich Salomon Li (Name aus Sicherheitsgründen geändert), welche Situation er dort wohl antreffen würde. Der Leiter einer internationalen Missionsbewegung arbeitet seit 30 Jahren mit chinesischen Kirchen und Gemeinden zusammen. Der US-Nachrichtenplattform «Christianity Today» erzählte er seine aktuellen Einschätzungen.
Kein Schliessen von Gemeinden
Es ist seit Jahren schwierig, konkrete Informationen über die Situation von Christen in China zu erhalten. Übereinstimmend berichten jedoch zahlreiche Quellen davon, dass während der Coronapandemie kaum weitere Kirchen geschlossen wurden. Dies ist jedoch keine gute Nachricht. Wie praktisch alle anderen Treffen waren Gottesdienste durch die Null-Covid-Strategie der Regierung sowieso fast ausgeschlossen.
«Open Doors» weist in seinem Weltverfolgungsindex auf diese unauffällige Möglichkeit zur Einschränkung hin: «Anstatt jedoch eine Kirche oder ein Kirchengebäude in aller Öffentlichkeit zu schliessen, verweigerten die Behörden einfach die Wiedereröffnung, nachdem die Beschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie in einigen Regionen aufgehoben worden waren.» So ist es kein Wunder, dass die sozialistische Republik in den letzten Jahren von Rang 27 auf Rang 16 der Nationen vorrückte, in denen Christen am stärksten verfolgt werden.
Salomon Li berichtete ähnliches nach seinem Besuch: «Während Null Covid jeden betraf, fügte die absichtliche Verschärfung und gezielte Überwachung von Hauskirchen den Christen eine weitere Schwierigkeit hinzu. … Selbst Online-Gottesdienste waren schwierig. Da es jedoch so viele Kirchen in China gibt, wäre es für die Regierung sehr kostspielig, alle zu überwachen …»
Ermutigung
Li traf sich in China mit 150 Pastoren eines Hauskirchennetzwerks, die berichteten, dass zwar einzelne Gemeinden verschwanden, die meisten allerdings eher wuchsen. «Ich habe festgestellt, dass sich einige Gemeinden während der gesamten Pandemie getroffen haben – sie haben nie aufgehört, sich persönlich zu treffen, nicht einmal für einen Sonntagsgottesdienst. Ich weiss nicht, wie sie das geschafft haben, aber es zeigt einfach, dass es dafür Raum gibt», erzählte er. «Eine Grossstadtgemeinde begann ihre Versammlung im Februar 2020, zu Beginn von Covid-19, mit 17 Personen. Als ich sie diesen Juli besuchte, war sie auf drei Gemeinden mit 150 Personen in der grössten Gemeinde angewachsen.» Laut Li waren viele der Gottesdienstbesucher Nichtchristen. Er berichtete von organisatorischen Problemen, sich zu treffen, wie sie Kirchen weltweit hatten, doch viele Gemeinden fanden Wege dazu – ob online wie die Zionskirche in Peking, wo sich sonntags über 10'000 Menschen virtuell trafen, oder in kleinen Hausgruppen.
Die Zahl der Christen in China lässt sich nur schätzen, weil keine offiziellen Angaben dazu existieren, doch sie wächst seit Jahren ungebrochen. Die US-Forscher des «Pew Institute» gehen von 71 Millionen Christen aus, «Open Doors» sogar von 97 Millionen.
Die Resilienz der Chinesen
Die Wahrnehmung Chinas aus dem Westen ist eher negativ und immer politisch geprägt. Salomon Li unterstrich jedoch: «Angesichts der Pandemie und des politischen Wandels wird vielen Menschen klar, dass sich China nicht in die richtige Richtung bewegt. Aber inmitten all dessen leben sie immer noch ihr Alltagsleben.» Und mitten in diesem Alltag zeigt sich für ihn die besondere Widerstandskraft der Chinesen. Während der Druck vonseiten der Regierung wächst, bilden sich christliche Leiter heraus, die «das Evangelium weitergeben und sich um ihre Herde kümmern. Ihre Führung hat die Gemeinde wachsen lassen.»
Li fragte die chinesischen Leiter, denen er im Land begegnete, ob sie lieber in einer modernen, hochentwickelten Gesellschaft leben wollten, in der wenig Platz für das Evangelium wäre, oder im unsicheren China, dessen Herausforderungen ständig zu wachsen scheinen. Alle wählten die Herausforderung, weil sie sahen, was Gott in den letzten 150 Jahren Grosses getan hatte.
Was bewegt sich?
Vieles im Land der Mitte ist gerade sehr schwierig – nicht nur für Christen. Tatsächlich wandern gerade gut ausgebildete oder besonders reiche Menschen in Mengen aus. Laut Li werden 2023 um die 13'500 Millionäre das Land verlassen. Manche sind auf der Suche nach Sicherheit, andere gehen, weil sich ihre Ideale nicht verwirklichen lassen. Er sieht die grosse Herausforderung, diesen Menschen ausserhalb Chinas zu begegnen.
Die Auswanderungen betreffen auch chinesische Hauskirchen, doch bislang wird hier der Wegzug mehr als kompensiert durch Menschen, die dazukommen. Als Ergebnis seines Treffens mit den chinesischen Kirchenleitern nahm Salomon Li jedenfalls mit: «Es hat mich bewegt zu sehen, dass die Auferstehung real ist und das Wirken des Heiligen Geistes genauso. Das macht mich wirklich hoffnungsvoll. Ich glaube, viele Menschen sind pessimistisch, was China betrifft, aber ich denke, dass wir gerade die hoffnungsvollste Zeit für China in den letzten 30 Jahren erleben.»
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