«Westen soll nicht mehr von 'unerreichten Völkern' reden»

Joseph D'Souza
Westliche Christen müssen aufhören, von «unerreichten Volksgruppen» zu sprechen – zu diesem Schluss kommt Joseph D’Souza. Inzwischen sei nämlich auch die Mehrheit der Europäer «unerreicht».

«Westliche Missionswerke verwenden eine alte Sprache, die Feindseligkeit und Gewalt gegen Christen auslöst», beobachtet sagt Bischof Joseph D'Souza. Der «Martin Luther King Indiens» begründet: «Begriffe wie ‘Bekehrung’ oder ‘unerreichte Volksgruppen’ bereiten uns grosse Probleme, sie gefährden Menschenleben, doch sie sind weit verbreitet.»

Weiter verweist D'Souza auf «den stetigen Niedergang der westlichen Kirche»: «Westliche Christen sollten anerkennen, dass ihre Missionsmodelle in ihrer eigenen Kultur nicht funktionieren – geschweige denn anderswo.»

Wo sind die zig Millionen?

Da komme die Frage auf, warum eine Kirche, die sich nicht mit ihrem eigenen Verfall auseinandersetzt, glaubt, sie habe ein Modell für den Rest der Welt. «Viele, die den anderen Teil der Welt auf ihrer Agenda haben, haben gleichzeitig nicht einmal ihre eigenen Nachbarn zu Jüngern gemacht!»

Viele westliche Missionsorganisationen seien von Zahlen besessen, bilanziert Joseph D’Souza, dem jeder einzelne Mensch wichtig ist. «Einigen zufolge gab es in Indien in den letzten 50 Jahren 500 Millionen Entscheidungen für Christus. Wenn das wahr wäre, warum finden wir dann nicht überall in Indien viele völlig veränderte Menschen mit massiven Auswirkungen auf die Gesellschaft?» Ein «Entscheid» bedeute nicht, dass die Person dabei bleibt oder genau weiss, wofür sie sich «entschieden» hat oder dass sie verändert wird.

Kein Heilmittel für Erde

Dieses Missverhältnis führt D’Souza, Leiter des «Dignity Freedom Network», zurück «auf ein oberflächliches und reduktionistisches Verständnis des Evangeliums vom Reich Gottes, das im Westen zu herrschen scheint.» Man werde ermutigt, Jesus Retter anzunehmen im Hinblick auf die Ewigkeit. «Das Requiem zwischen Himmel und Erde wurde viel zu wenig beachtet. Ein Ticket in den Himmel ist kein Heilmittel für die Hölle der Armen auf Erden, die Entrechteten und die Leidenden in dieser grausamen Welt.»

Die Menschen sehnen sich danach, die Liebe und die Gegenwart Jesu zu spüren, um das Leben hier und jetzt zu leben. «Viele zerbrochene Individuen und ganze Gemeinschaften schreien nach Gottes Lösungen für die Probleme und Lasten von heute.»

Einbettung ignoriert

Eine Transformation in Gemeinschaften mit enger Familienbindung und Verwurzelung geschehe nicht so schnell, wie man es sich im Westen oft wünsche. «Das Vorgehen mit schnellen Schulungen, sofortigen Gemeindegründungen und dergleichen ist ein Fehler dieses importierten Modells.»

Joseph D’Souza bedauert: «Westliche Christen müssen einsehen, dass dieses Vorgehen in der Mehrheitswelt (Anm. d. Red.: die westliche Gesellschaft ist eine rasch schrumpfende Minderheit) oft als imperiales, koloniales Unterfangen angesehen wird, um demografische Veränderungen herbeizuführen und lokale Kulturen zu destabilisieren. Diesem wird mit einem erheblichen Widerstand begegnet, der vor 100 Jahren noch nicht vorhanden war.»

Zurück zu den Wurzeln

Joseph D’Souza rät: «Wir müssen uns an der Verbreitung des Evangeliums beteiligen, wie es die frühen christlichen Gemeinden getan haben.» Christen sollten ihren Glauben so weitergeben, dass die spezifischen Bedürfnisse und Probleme der Gemeinschaft widerspiegelt werden. «Willkürliche Ziele und Meilensteine oder das Zählen von ‘Bekehrungen’ müssen der Vergangenheit angehören.»

2033 im Fokus

«Manche Christen blicken auf das Jahr 2033 – den 2000. Jahrestag der Auferstehung – als den nächsten grossen Impuls für die Weltevangelisation und damit einhergehenden Zielen», beobachtet Joseph D’Souza. «Aber ich möchte diese Gläubigen ermutigen, ihre Anstrengungen neu zu fokussieren: Es wäre am besten, ein gutes Mass an Anstrengung darauf zu verwenden, den Westen neu zu evangelisieren. Vielleicht ist es an der Zeit, dass westliche Leiter andere Leiter in der Mehrheitswelt besuchen, um von ihnen zu lernen und zu sehen, was Gott bereits in den Herzen der Menschen dort tut.»

Deshalb hebt Joseph D’Souza hervor: «Bevor sie den Ozean überqueren, müssen sie zunächst glaubwürdig sein, wenn sie daheim die eigene Strasse überqueren. Diese Glaubwürdigkeit wird sich mit der Zeit aufbauen, wenn die Liebe Christi nicht als ein Weg gezeigt wird, um in den Himmel zu gelangen, sondern als ein Weg für den Himmel, die Erde zu durchdringen.»

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Autor: Dignity Freedom Network / Daniel Gerber
Quelle: Premier Christianity / bearbeitete Übersetzung: Livenet

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