Kritik aus Kirchen gegen Asylverfahren an EU-Grenze

Kriegsflüchtlinge am Berliner Bahnhof im März 2022
Bund und Länder in Deutschland streiten derzeit darüber, wer für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen zahlt. Auch Fragen zum Asylverfahren stehen zur Debatte. Kirchenvertreter mahnen faire und menschenwürdige Lösungen an.

«Menschenverachtend» sei es, «Unschuldige in Lagern zu inhaftieren oder andere Staaten für die Abwehr von Flüchtlingen zu bezahlen». Das sagte der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Stäblein, im Vorfeld des Bund-Länder-Gipfels für Flüchtlingspolitik, der am Mittwoch stattgefunden hat.

Vorschläge für Asylverfahren ausserhalb der EU lehnte Stäblein, der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) ist, ab. «Solche Ideen sind gefährlich und verdienen die Bezeichnung 'Asylverfahren' nicht», sagte er dem Evangelischen Pressedienst in Berlin.

In einer Pressemitteilung der EKD verwies er vielmehr darauf, dass der Flüchtlingsgipfel ein Startpunkt sein solle, gute Lebensbedingungen für alle Menschen im Land zu schaffen. «Die Aufgabe von Politik muss sein, Lösungsvorschläge zu machen, Rahmenbedingungen zu verbessern, und nicht Flüchtlinge zu Schuldigen zu machen», heisst es weiter in der Pressemitteilung.

Er erhoffe sich vom Bund-Länder-Treffen «klare Worte des Kanzlers». Auch verwies er darauf, dass Geflüchtete Kinder Gottes seien, die durch Krieg und Verfolgung zur Flucht gezwungen wurden. «Je offener wir Zugewanderte aufnehmen, desto besser ist es für uns als Gesellschaft insgesamt», teilte Stäblein mit.

«Grenzverfahren für Asylsuchende führen zu Lagern»

Auch Jonas Wipfler, der Leiter des Berliner Büros von Misereor, dem Werk für Entwicklungszusammenarbeit der katholischen Kirche, kritisierte es, Asylverfahren an den EU-Aussengrenzen durchzuführen: «Die Erfahrungen der letzten Jahre an den EU-Aussengrenzen zeigen, dass Grenzverfahren für Asylsuchende absehbar zu Lagern führen, die europäischen Standards nicht gerecht werden und die besonderen Schutzbedürfnisse der Ankommenden nicht im Blick haben».

Dabei solle Schnelligkeit nicht vor Schutz stehen: «Keiner der sogenannten Hotspot-Zentren der EU hat in der Vergangenheit zu mehr Flüchtlingsschutz und überzeugenden und schnellen Verfahren geführt, sondern zu mehr Leid und Ungerechtigkeit.»

Wipfler forderte im Namen von Misereor von der europäischen Politik vor allem eine «Garantie der Einzelfallprüfung für alle Schutzsuchenden und von der Bundesregierung die Einhaltung der Standards, die sie im Koalitionsvertrag zusichert».

«Es geht um Menschen»

Der Migrationsbeauftragte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Stefan Hesse plädiert ähnlich wie Stäblein für eine Hilfe für Länder und Kommunen. Laut einer Mitteilung der Bischofskonferenz wies der Hamburger Erzbischof auf die Signale der Überforderung der Länder und Kommunen hin und betonte, wie wichtig es sei, diese ernst zu nehmen.

Die Aufnahme von Geflüchteten sei dabei mit vielen Herausforderungen verbunden. Gerade deshalb sei es wichtig, dass Kanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten Lösungen erarbeiteten.

Hesse ist der Ansicht, dass es eine ethische und völkerrechtliche Verpflichtung ist, Geflüchteten Schutz zu gewähren. Dies dürfe in Deutschland und Europa nicht infrage gestellt werden. «Es geht nicht um blosse Zahlen, sondern um Menschen mit Gesichtern und Geschichten», so Hesse.

Diakonie-Präsident für schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie betonte, dass «schnellere und faire Verfahren für eine reguläre Zuwanderung wichtig» seien, denn Deutschland sei auf Zuwanderung angewiesen. Durch langwierige Asylverfahren gehe Zeit verloren, die wiederum eine schnelle Integration behinderten, sagte er dem Evangelischen Pressedienst.

So wie geflüchtete Ukrainer sollten auch Menschen aus anderen Kriegsgebieten «mit hoher Schutzquote» unmittelbar einen Aufenthaltstitel bekommen, um das Asylverfahren zu sparen. Es gehe um einen zügigen und unbürokratischen Zugang zum Arbeitsmarkt.

Beim Bund-Länder-Gipfel zur Flüchtlingspolitik in Berlin beriet sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder über die Kostenverteilung bei der Versorgung von Geflüchteten. Im vergangenen Jahr hatte der Bund für das Jahr 2023 1,5 Milliarden Euro für die Geflüchteten aus der Ukraine zugesagt und eine allgemeine Pauschale für Geflüchtete von 1,25 Milliarden Euro. Darüber hinaus zahlt der Bund Sozialleistungen.

Kommunen und Länder klagen über Überlastung bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten. Sie sind der Ansicht, dass der Bund sie finanziell nicht ausreichend genug unterstütze. Das geht aus einem Papier der Länderfinanzminister hervor.

Dieser Artikel erschien zuerst auf PRO Medienmagazin

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Autor: Anne Heidler
Quelle: PRO Medienmagazin

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