Zerschmettert, aufgerappelt, neu durchgestartet
Hier taucht der Zuschauer voll in die Ereignisse ein: Die begeisterte Fussball-Mannschaft und ihr Aufstieg, der Unfallort, die Betroffenen, all die Hinterbliebenen und wie die Geschichte weitergeht.
Die bildstarke Doku begleitet viele Personen, beispielsweise die verwitweten Ehefrauen, was persönlich berührt. Es gibt viele herzzerreissende Szenen der Trauer. Und die Unfallursache ist ebenso trivial wie schockierend.
Lebensthemen wie Vergangenheit bewältigen, echte Versöhnung, radikales Loslassen und frei werden für einen Neuanfang begegnen einem in starken Bildern.
Kleines Dorf, grosse Schritte
Chapéco wurde im damaligen Buschland aufgebaut – abseits der brasilianischen Grossstädte. Von Beginn weg war der Fussballclub eng mit der Stadt verbunden. In der untersten Liga gestartet, stiegen sie Sieg für Sieg auf, bis in die Serie A. Und das Gebet war ständiger Begleiter und geistiges Fundament des Clubs; bezeichnend ein Moment, wo die Mannschaft vor einem wichtigen Spiel das «Vater Unser» betet.
Unfassbares Fussball-Finale und totaler Absturz
Der Club Chapecoense schaffte es mit grösster Willenskraft und erreichte das Finale der Copa Sudamericana in Kolumbien. «Wir werden alles geben», sagte ein Spieler und wollte diesen internationalen Titel für Brasilien holen. Die Mannschaft flog mit viel Begeisterung und Vorfreude, man sieht, wie sie im Flugzeug rumblödeln. Wenn man den Film ein weiteres Mal schaut, ist es umso schrecklicher, wie es später in einer totalen Katastrophe endet.
Follmann betete noch, dann brach die Technik zusammen… Die Einen wachten im Spital auf, andere an der Unfallstelle und viele gar nicht mehr.
Fazit: 71 Menschen starben, davon 19 Spieler, 25 Clubmitarbeiter, 20 Journalisten und sieben Crewmitglieder. Überlebende waren die drei Fussballer Jakson Follmann, Neto und Alan Ruschel, dazu ein Journalist und zwei Flugbegleiter. Teils hatten sie Klammern in den Beinen, Schläuche in der Lunge, und ein Spieler verlor ein Bein. Alle anderen Kollegen und Freunde waren tot.
Wie die Tragödie verarbeiten?
Die Überlebenden hatten beim Erlangen des Bewusstseins überwältigend viele Eindrücke zu verarbeiten. Wo bin ich, was ist passiert, wer hat überlebt – alle anderen sind gestorben. Wie ist die eigene körperliche Verfassung?
Etwas mystisch ist der Beginn am Morgen nach dem Absturz, am 29. November 2016. Die Stadt war vom Regen getränkt, aber die Sonne ging auf, und massenweise strömten Menschenmassen aus allen Himmelsrichtungen ins Stadion – ohne Aufforderung. Dies war der Ort, um wahrhaft allen zu gedenken, nochmals zu feiern, was sie erreichten und einfach allen Emotionen freien Lauf zu lassen. Es wurde geweint, umarmt und lauthals fussballgerecht gesungen – Fahnen und Banner überall.
Gebet mit vielen Dimensionen
«Die ganze Welt betet für uns? Ich fand das seltsam», fragte sich Alan, als er dies erfuhr. Tatsächlich wurden unzählige Gedenkminuten weltweit abgehalten, und über die Lautsprecher in den Stadien hörte man Worte wie: «…ein tragischer Unfall, heute wollen wir allen gedenken», in Leipzig, Liverpool, Barcelona, und natürlich wurden im Stadion Medellin in Kolumbien die Menschen geehrt, die hier hätten spielen sollen. Auch Papst Franziskus mit argentinischen Wurzeln betete mit den Gläubigen weltweit für alle Schicksals-Betroffenen.
Für einiges war man dankbar: Wegen der Kälte hatten Überlebende nicht zu viel Blut verloren; zudem hatte sich Neto an der Wirbelsäule und Unterleib verletzt – und konnte später wieder Fussball spielen.
Wundersamer Neuanfang
Bei einer Pressekonferenz sagte Alan bewegt: «…aber ich will vorwärts schauen, um die Verstorbenen zu ehren – und ihre Familien zu ehren». Aber wer konnte dies tun, wenn fast alle ums Leben gekommen waren, Spieler und Clubleiter? Es gab immerhin zwei oder drei Schlüsselfiguren, die auch im Flugzeug hätten sein sollen, aber nicht mitflogen. Und weitere wurden gefunden.
Die neue Mannschaft konnte nicht auf Anhieb siegen, musste viele Niederlagen einstecken. Hatte man sich zu viel vorgenommen? Es waren erst zwei Monate vergangen. Neto, der an Krücken ging, sinnierte über seine Zukunft, ob er vielleicht Pastor werden solle. Dann kam der Durchbruch. Sich von den alten Lasten, Erwartungen und Geistern zu trennen, war angesagt; «die Schwere abschütteln», wie es ein hinterbliebener Aktiv-Spieler sagte. Der nächste Match resultierte: 4:0 – dann 7:0, 4:1 etc. Die Mannschaft Chapecoense war wie verwandelt, der Spielfluss wieder gefunden.
Schlussendlich: Happy End
Und doch, im Hintergrund brodelte es, gab es viel Emotionales und materielle Fragen. Die Verwandten mussten um finanzielle Unterstützung kämpfen – war dies ein Arbeitsunfall, welchen der Arbeitgeber entschädigen sollte?
Dann kam tatsächlich das Finale der Recopa… aber wie es ausging, wollen wir hier nicht verraten.
Die Original-Aufnahmen beeindrucken, auch die vielen Aussagen der Hinterbliebenen wie die der Witwe von Torhüter Danilo mit ihrem Sohn. Und ja, die Unfallursache – die vernimmt der Zuschauer auch beim Schauen des ganzen Films. Das lohnt sich sowieso.
Zum Film:
«Unser Team – Nossa Chape»
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