Warnung vor nächstem Exodus im Irak
Kardinal Louis Sako hält in einer Erklärung auf der Website der irakischen, chaldäischen Kirche fest, dass ein erneuter Exodus von Christen aus dem Land durch einen «Zustand der Instabilität» und einen «Mangel an Gerechtigkeit» angetrieben werde.
Der Patriarch der grössten irakischen Konfession bedauert weiter, dass die christliche Minderheit seit dem Jahr 2003 «schmerzlich unter Entführungen – um Lösegeld zu erpressen – und Mord leidet.»
Opfer unter Islamischem Staat IS
Neben vielen anderen Menschen wurden auch Christen zum Ziel schrecklicher Anschläge durch den Islamischen Staat IS. Sie wurden aus ihren Häusern in Mossul und der Ninive-Ebene vertrieben; aber obwohl der Irak den IS im Jahr 2017 (also vor rund sieben Jahren) offiziell für besiegt erklärte, geschehen laut Kardinal Sako immer noch Zwangsbekehrungen durch den IS, ebenso wie die «Islamisierung von Minderjährigen». Manchenorts ist es für Christen schwierig, einen Arbeitsplatz zu erhalten und es kommt vor, «dass das Eigentum von Christen beschlagnahmt wird».
Nur noch rund 153'000 Christen
Vor 2003 lebten schätzungsweise 800’000 Christen im Irak. Die Zahl ist seither im nordost-arabischen Staat kontinuierlich gesunken, 2008 lautete der traurige Zwischenstand bereits nur noch 450'000 Christen. Und als im selben Jahr «Christian Solidarity International»-Mitarbeiter Gunnar Wiebalck Mossul besuchte, sprach er «von einer Litanei des Schreckens», da innerhalb von weniger als drei Monaten mehr als die Hälfte der übriggebliebenen Christen aus dieser Stadt am Ufer des Tigris flüchteten.
Fünf Jahre später bilanzierte der langjährige Nahost-Beobachter Heinz Gstrein: «In Bagdads einstigem Christenviertel Dura, in welchem vor zehn Jahren noch eine Viertelmillion Christen lebte, sind zu Beginn dieses Dezembers nur mehr knapp 2'000 zu finden.»
Immer wieder wurde in den letzten 20 Jahren vor einem Exodus gewarnt. Er geschieht vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Heute leben noch rund 153'000 Christen im Zweistromland.
Keine Gerechtigkeit für Christen
Kardinal Sako erläutert weiter, dass rund hundert christliche Familien vor kurzem Karakosch in der Ninive-Ebene verlassen haben und dass ein ähnlicher Exodus in anderen Städten wie Ankawa in der Region Kurdistan geschehe. Unter anderem gehen die Menschen auch aus wirtschaftlichen Gründen, weil die Regierung ihre Gehälter teilweise monatelang nicht bezahlt.
Er sieht keine Massnahmen seitens der Regierung, um Christen zu unterstützen: «Die Regierung meint es nicht ernst damit, den Christen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sie sagen immer wieder schöne Worte, ohne Taten folgen zu lassen. Mehr als eine Million Christen sind nun ausgewandert, die meisten von ihnen mit qualifiziertem wissenschaftlichen, wirtschaftlichen Hintergrund.»
Keine Zukunft im Land
Matthew Barns (Name geändert) vom Hilfswerk Open Doors, der mit einheimischen Partnern im Irak zusammenarbeitet, sagt, «dass viele christliche Familien keine Zukunft mehr in ihrem eigenen Land sehen. Nach so vielen Jahren von Krieg, Verfolgung durch Extremisten und der mehrfachen Vertreibung einiger Familien wollen sie einfach nur noch weggehen und ihre Zukunft woanders aufbauen.»
In der Ninive-Ebene fürchten christliche Gemeinden besonders die schiitischen Muslime, beobachtet Barns. «Sie haben das Gefühl, dass die Schiiten nach und nach Grundstücke übernehmen, die einst Christen gehörten, und damit einen ethnischen Wandel herbeiführen. All die schlimmen Dinge, die den christlichen Gemeinschaften widerfahren, verstärken das Gefühl, dass es für sie im Irak keine Zukunft gibt.» Gegenüber der Anzahl Christen um die Jahrtausendwende sind 24 Jahre später nur noch 19,1 Prozent verblieben.
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