Bildersturm auf den Tempelberg

Tempelzerstörung
Tempelbergzeichnung

Jerusalem ist die Stadt des Friedens. Dort wurde das Wort Shalom geprägt. Aber in der Stadt des Friedens liegt auch der explosivste Quadratkilometer der Welt: Der Tempelberg. Dieser wird zur Zeit Opfer eines Bildersturms. Eine Professorin schlägt Alarm, Livenet.ch-Mitarbeiter Daniel Gerber sprach mit ihr.

Einen idyllischeren Platz als den Jerusalemer Tempelberg gibt es kaum. Ein sandfarbener Hügel, an einzelnen Stellen grün überwuchert. Alleine das Einnachten ist ein Märchen aus tausend und einer Nacht. Besonders dann, wenn die künstliche Beleuchtung die untergehende Sonne ablöst und den Felsendom in ein sureales Licht taucht. So malerisch sieht der explosivste Quadratkilometer der Welt aus.

«Der Tempelberg ist ein historisch wichtiges Monument», sagt die Archäologin Eilat Mazar von der hebräischen Universität Jerusalem: «Geschichte und Alter des Tempelberges geht zurück auf die erste von drei Tempelperioden. Das war vor mehr als 3000 Jahren. Es sind noch Fundstücke darin. Nicht nur jüdische Funde, sondern auch bedeutende moslemische und christliche Zeitdokumente.»

Seit 20 Jahren arbeitet die Archäologin im südlichen Teil des Tempelberges. Sie grub die legendäre «City of David» aus: «Ich weiss, dass es dort viele Kulturgüter hat. Sachen, die auf die biblische Periode hinweisen. Dokumente der neutestamentlichen Phase, islamische Fundgegenstände. Schlicht die Geschichte Jerusalems. Jerusalem wurde nicht erst gestern erfunden. Die Stadt hat eine 5000jährige Geschichte.»

20'000 Tonnen Kulturgut zerstört

So weit so gut. Islamische Fundamentalisten wollen nun aber diese Geschichte zerstören. Ohne archäologische Supervision fahren sie mit Baggern auf und räumen diesen Teil des Tempelberges unter Ausschluss der Öffentlichkeit. «Bauarbeiten», heisst es offiziell. Eilat Mazar: «Die israelische Regierung findet es schwierig, etwas zu unternehmen. Das Thema ist empfindlich. Der fundamentale Terror erschüttert das Land jeden Tag. Es ist schwierig, die Fundamentalisten auf dem Tempelberg zu kontrollieren. Fakt ist aber: Sie zerstören wertvolle, historische Stätten. In den letzten Jahren rissen sie 20'000 Tonnen wertvolle Kulturgüter aus dem Tempelberg heraus und zerstörten damit den kulturellen Zusammenhang.»

UNESCO reagiert nicht

Ein Bildersturm, der die Geschichte der drei jüdischen Tempelperioden vernichtet. Dr. Eilat Mazar stört insbesondere, dass die UNESCO nicht reagiert. Denn immerhin schreibt sich diese Organisation die Erhaltung der Weltkulturgüter auf die Flagge. «Ich bin von der UNESCO enttäuscht. Wir hörten nichts von ihr. Kein einziges Wort zur ganzen Zerstörung. Wir als Gruppe von Bürgern und Archäologen sehen den Tempelberg als wichtigstes, historisches Monument für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt. Wir zeigen und reportieren seit mehreren Jahren das enorme Ausmass der Zerstörung – von der UNESCO hörten wir aber kein Wort.» Die UNESCO in Paris wollte zu den Vorwürfen von Eilat Mazar keine Stellung nehmen. Die Altstadt von Jerusalem steht aber samt den Stadtmauern seit 1982 auf der roten UNESCO-Liste des gefährdeten Weltkulturerbes.

Buddha-Statuen wertvoller als Tempelberg?

Eilat Mazar reicht dies aber nicht: «Als die Taliban in Afghanistan die Buddha-Statuen zerstörten, hat dies die ganze Welt mitbekommen und verurteilt. Man kümmerte sich darum. Ich glaube nicht, dass der Tempelberg in Jerusalem weniger wichtig ist, als die Buddha-Statuen in Afghanistan. Aber die UNESCO scheint hinter den Fundamentalisten zu stehen, die diese historischen Monumente zerstören. Auf jeden Fall kümmert sie sich nicht darum, was dort passiert. Wir verurteilen die Zerstörung von Kulturgut. Selbstverständlich auch dass, was in Afghanistan geschah. Und ich hoffe, dass mit dem Tempelberg nun nicht das gleiche passiert.» Die UNESCO nahm, wie weiter oben vermerkt, keine Stellungen zu Mazar’s Vorwürfen.

Datum: 27.02.2003
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch