«In der Krise lässt Gott nicht lange auf sich warten»

Clarisse von Wunschheim, 43 Jahre, wohnt in Jona
Clarisse von Wunschheim aus Jona ist erfolgreiche Anwältin und alleinerziehende Mutter zweier Kinder. Durch eine Krise fand sie den Weg zu Gott und sagt: «Unter göttlicher Führung zu arbeiten, macht den ganzen Unterschied.» Hope Zürichsee traf sie zum Gespräch.

Hope Zürichsee: Was hat dich näher zum Glauben gebracht?
Clarisse von Wunschheim: Das war ein Prozess, der 2003 begann, als ich einen kompletten Kollaps der Lunge, eine Sars-ähnliche Krankheit, hatte. Ich lag mehrere Tage im künstlichen Koma. Während dieser Zeit hatte ich ein Nahtoderlebnis, das mich aufrüttelte. Als ich aus dem Koma erwachte, war mir klar. Ich muss weg, um zu mir selbst zu finden. Danach lebte und arbeitete ich für neun Jahre in China. 2013, wieder zurück in der Schweiz, stürzte ich in eine Ehekrise und Depression. Ich hatte das Gefühl, die Kontrolle über mein Leben zu verlieren. Ich schrie unbewusst nach Gott. Und in der Krise lässt Gott nicht lange auf sich warten…

Durch ein berufliches Mittagessen mit einem Unternehmer hörte ich von der Freikirche «Prisma». Auch wenn die freie evangelische Szene, für mich mit einem katholischen Hintergrund, schon etwas merkwürdig ist, merkte ich, dass mir ihre onlinegestellten Predigten entsprechen. Sie sind strukturiert, dogmatisch gut aufgebaut und nicht zu theoretisch. So kam es, dass ich ins Prisma Rapperswil ging. Dort wurde mir klar, Gott will eine persönliche Beziehung mit mir. Wenige Zeit danach ging ich zum Pastor und lud Jesus in mein Leben ein.

Welchen Einfluss hat dein Glaube auf die Arbeit?
Als leistungs- und erfolgsorientierte Person bildet meine Arbeit ein grossartiges Trainingsterrain für Gott. Dort bringt er mir bei, dass es nicht um das Ergebnis geht, sondern um den Weg, den man mit den Klienten, den Arbeitskollegen und den anderen Teilhabern geht. Die grundlegendste Veränderung, die ich in der Arbeit mit Gott erfahren durfte, ist eine Fokusveränderung. Als Rechtsanwältin im internationalen Wirtschaftsrecht und sehr kopflastiger Mensch war ich zuvor fast ausschliesslich auf die Sache fokussiert. Es ging mir darum, den Fall richtig anzugehen, zu analysieren und ihn – wenn möglich – zu gewinnen. Heute liegt mein Fokus auf dem Menschen. Wer ist mein Klient, meine Klientin? Was braucht diese Person? Was ist im Spiel für sie? Nicht nur auf wirtschaftlicher, auch auf menschlicher und geistlicher Ebene.

«Als erfolgsorientierte Person bildet meine Arbeit ein grossartiges Trainingsterrain für Gott. Dort bringt er mir bei, dass es nicht um das Ergebnis geht, sondern um den Weg, den man mit den Klienten, den Arbeitskollegen und den anderen Teilhabern geht.»

Was bedeutet das konkret in deiner Arbeit?
Da fallen mir drei Punkte ein:

1. Ich gebe immer noch mein Bestes und gewinne auch noch gerne, aber Gewinnen steht nicht mehr unbedingt im Mittelpunkt. Ich versuche das Problem zu verstehen und Lösungsmöglichkeiten auszuzeichnen. Es geht also nicht mehr um Gewinnen vs. Verlieren oder darum wer Recht und Unrecht hat, sondern darum, wie löse ich das Problem und wie bringe ich meinen Klienten zurück auf einen wertschöpfenden Weg?

2. Ich habe keine Angst mehr, einen Fall zu verlieren. Das erlaubt mir, mehr Risiken einzugehen und neue kreative Möglichkeiten auszuprobieren. Das wiederum hat mir in den letzten Jahren mehr Erfolg gebracht.

3. Ich habe keine Angst mehr, einen Fall abzulehnen oder einen Klienten zu verlieren, der nicht zu mir passt. Dagegen pflege ich zu den meisten meiner Klienten ein freundschaftliches Verhältnis. Das ermöglicht eine Offenheit, welche Vertrauen schafft und dies öffnet wiederum die Türe für Neues und auch Gewagtes.

Wie hat dich dein Glaube in den letzten paar Jahren verändert?
Das ist eine schwierige Frage, denn die Veränderung in mir kann man nicht einfach durch Worte und Logik erklären. Vieles daran ist unerklärbar. Am liebsten würde ich sagen: Ich bin die Gleiche, und doch eine ganz Andere. Das klingt widersprüchlich und Widersprüche kann ich sonst gar nicht leiden. Aber, das ist eben Gottes Logik, und ich habe gelernt, nicht immer für alles nach einer logischen Erklärung oder Lösung zu suchen, sondern einfach zu beobachten, was Gott mit mir und mit gewissen Situationen macht. Und so führt mich Gott zu meinem wahren «Ich», weg von dem «Ich», das ich selbst erfunden und aufgebaut habe. Ich bin nicht die, die ich gerne sein möchte. Ich bin die, die Gott in mir sieht. Durch die Beziehung mit Gott lerne ich, mein wahres, von Gott geprägtes «Ich» kennen und mich von meinem falschen Selbstbild zu trennen. Deshalb bin ich eigentlich viel mehr «ich» als vorher, und gleichzeitig ein anderes Ich. Durch den Glauben lerne ich, mich und die Anderen mit Gottes Augen zu sehen. So kommt man der Schönheit und dem inneren Frieden immer näher.

Du bist eine alleinerziehende Working Mom mit zwei Schulkindern. Wie spürst du in diesem Spannungsfeld deinen Glauben?
Es fasziniert mich immer wieder, wie mein Alltag als alleinerziehende Working Mom funktioniert. Zwischen Arbeit und Kindern und was es sonst noch alles gibt im Alltag, sollte ich schon längst mit einem Burnout im Bett liegen. Von so einem Zusammenbruch war ich auch ein paar Mal nicht weit entfernt. Wenn ich in manchen Wochen meine To-Do Liste anschaue, weiss ich im Voraus, das schaffe ich nie.

«Durch den Glauben lerne ich, mich und die Anderen mit Gottes Augen zu sehen.»

Früher hätte mich das enorm gestresst und ich hätte diesen Druck auf andere umgewälzt. Heute gebe ich das alles Gott ab und bitte ihn, mir zu zeigen, was wirklich wichtig ist und sich um den Rest zu kümmern. Durch dieses Vorgehen lernte ich, dass ich nicht alles machen kann und auch nicht alles machen muss. Ich habe in meinen ersten Karrierejahren viele Selbsthilfebücher gelesen und viel über Prioritätensetzung und Effizienz gelernt und umgesetzt. Ich wurde dann zwar immer effizienter, aber ich nahm damit immer mehr auf mich. Ein Teufelskreis. Irgendwann stösst man an seine Grenzen, egal wie effizient man ist.

Was bedeutet dir persönlich Hoffnung?
Ehrlich gesagt mache mir keine grosse Hoffnung, dass diese Welt besser wird. Ich glaube, dass diese Welt nur vorübergehend ist. Hoffnung ist für mich, an dem festzuhalten, dass es hier nicht um diese Welt geht, auch wenn ich eine Aufgabe in dieser Welt habe. Und meine Aufgabe sehe ich nicht darin, die Welt zu verändern oder zu retten.

Gott hat mich lieb und dadurch befähigt er mich, Gutes zu tun. Indem ich mich von Gott leiten lasse, werde ich befähigt, einen Unterschied in meinem Umfeld zu machen. Das genügt. Hoffnung finde ich vor allem auf der geistlichen Ebene. Ich habe grosse Hoffnung für jeden einzelnen Menschen und ich bin überzeugt, dass jeder Rettung und Frieden erfahren kann, unabhängig davon, was mit der Welt geschieht.

Wie geht es dir heute?
Heute geht es mir gut, auch wenn nicht jeder Tag ein guter ist. Wir leben in einer gebrochenen Welt und da passiert auch viel Unschönes. Das ist bei mir nicht anders. Aber ich fühle mich getragen, lebe gelassener und kann mit Widersprüchen im Leben besser umgehen.

Zur Person:

Einer meiner Lieblingsplätze in Jona:
Bei mir zu Hause auf der Terrasse in einem Liegestuhl in der Sonne

Wie entspannst du dich nach einem anstrengenden Tag?
Entweder mit einem Glas Wein unter Freunden oder einer kalten Cola Zero in einem heissen Bad

Wofür bist du in deinem Leben dankbar?
Für vieles, als allererstes für meine zwei Kinder und meinem optimistischen Charakterzug

Was war das Mutigste, das du jemals gemacht hast?
Mit 26 Jahren und einem Koffer nach China auszuwandern

Clarisse im Talk:

Am 27.11.2022 war Clarisse von Wunschheim zu Gast im Talk Gottesdienst der Kirche im Prisma Rapperswil.

Autor: Markus Hänni
Quelle: HOPE-Regiozeitungen