«Ich hatte ständig eine Wut im Bauch»
Aufgrund des Bürgerkriegs floh Jeremys Vater aus Sri Lanka in die Schweiz. Hier begann sein spiritueller Weg, den Jeremy später auch gehen sollte. Doch alles der Reihe nach...
Engagement und Widerstand
In Zürich begegnete Jeremys Vater Christen, die ihn faszinierten. Auch deren Lehre liess ihn nicht mehr los. Er entschied sich bald für ein Leben mit Jesus. Jeremys Mutter wuchs bereits in Sri Lanka mit dem christlichen Glauben auf und wollte auch in Zukunft darauf aufbauen. So kam es, dass die beiden nun im Gleichschritt für Gott unterwegs waren und in der Folge mehrere Kirchen zusammen gründeten. Dies geschah in der Zeit, als Jeremy geboren wurde. Er war oft mit den Eltern unterwegs, erlebte deren unermüdlichen Einsatz, aber auch Widerstand. Dazu zählten durchstochene Autoreifen und Morddrohungen militanter Hindus. Sogar in der Kirche, wo ständig über Liebe gesprochen wurde, gab es Machtkämpfe. «Meine Eltern investierten sich in Menschen, die sich dann gegen sie stellten.» Das veranlasste Jeremy, Menschen zu hassen und sich vom Glauben abzuwenden. «Ich wollte niemandem vertrauen.»
Wer bin ich?
«In unserem Wohnviertel lebten fast nur Ausländer.» Inmitten verschiedenster Kulturen schufen sich die Kids ihre eigene Welt. «Wir bauten eine Art Secondo-Kultur auf und verstanden uns untereinander besser als unsere Eltern einander.» Trotzdem fühlte sich Jeremy nirgends zugehörig und haltlos: «Wir mussten selbst herausfinden, wer wir sind. Als Kind ist das schwierig.» Die quälende Frage nach seiner Identität sollte Jeremy jahrelang umtreiben. Tamilen legen grossen Wert auf Anstand.
«Wir mussten selbst herausfinden, wer wir sind. Als Kind ist das schwierig.»
«Ich hatte oft das Gefühl, dass ich strenger erzogen wurde als andere Kinder», erklärt Jeremy. So waren beispielsweise Piercings streng verboten. Als Pastorenkind musste er ein Vorbild sein. «Dieser Druck kam mehr vom Umfeld als von den Eltern. Trotzdem sah ich mich vieler Freiheiten beraubt», sagt Jeremy. Innerlich fing er an zu rebellieren.
Süchtig und depressiv
Mit 14 begann Jeremy zu rauchen und Alkohol zu trinken, bald darauf kiffte er. Mit 15 machte er Erfahrungen mit härteren Drogen, Alkoholeskapaden entwickelten sich zum Lebensstil. «Ich hatte vier Alkoholvergiftungen und meine Eltern mussten mich mehrfach auf der Polizeistation abholen», erzählt Jeremy. Als Teenager litt er unter Depressionen, sagt: «Ich hatte ständig eine Wut im Bauch.» Um der quälenden inneren Leere und den Selbstmordgedanken zu entfliehen, betäubte er sich immer mehr mit Drogen und Alkohol. In seiner Clique gehörte Rapmusik dazu, deren Texte Gewalt, Sex und Drogen verherrlichten. Dazu Jeremy: «Gewalt, Drogendeals und Einbrüche waren ein Thema bei uns.» Die Jugendlichen litten unter psychischen Problemen, es gab auch mehrere Selbstmorde. Einige wurden ausgewiesen, andere landeten im Gefängnis. Als einer nach dem anderen verhaftet wurde oder starb, machte sich Jeremy ernsthaft Gedanken, betäubte diese jedoch mit Suchtmitteln, sagt: «Ich wusste, dass es mir irgendwann gehen würde wie meinen Kumpels, sah aber keinen Ausweg.»
«Ich hatte vier Alkoholvergiftungen und meine Eltern mussten mich mehrfach auf der Polizeistation abholen ... Gewalt, Drogendeals und Einbrüche waren ein Thema bei uns.»
Viel Wärme auf Hawaii
Am absoluten Tiefpunkt seines Lebens angelangt, boten Jeremys Eltern ihrem Sohn an, eine christliche Schule auf Hawaii zu besuchen. Mit dem Wunsch, dem Alltag zu entkommen und der Aussicht auf eine schöne, neue Welt, reiste er 2010 nach Hawaii. Seine Ankunft überwältigte Jeremy: «Die Leute begrüssten und umarmten mich. Zuhause in meiner Clique hatten wir uns gegenseitig immer heruntergezogen.» Jeremy erlebte echte Annahme und Wertschätzung. «Die Liebe und die Freude dieser Menschen waren unglaublich!», sagt er und strahlt. Jeremys Herz wurde weich. «Die Predigten über Gottes Liebe lösten viel in mir aus. Nie hatte ich Gott als liebenden Vater verstanden. Ich wurde erfüllt von einem übernatürlichen Frieden. So etwas hatte ich noch nie erlebt!»
Rückkehr und Rückfall
Nach sechs Monaten kehrte Jeremy mit neuer Lebensfreude zurück in die Schweiz. Leider wurde er bald rückfällig: «Ich hatte keine christlichen Freunde und hing wieder mit meiner Clique ab.» Zuerst hielt er sich von Suchtmitteln fern, doch bald hatten ihn Alkohol und Drogen wieder im Griff. «Meinen Glauben habe ich aber nicht verloren», zeigt er sich dankbar. Eines Abends, 2011, hatte Jeremy alle möglichen Drogen intus und stürzte richtig ab. In diesem Zustand öffneten sich seine inneren Augen. Klar sah er, wie ein Leben mit Gott und ein Leben ohne Gott aussieht. Jeremy erzählt: «Dies alles dauerte nur eine Sekunde, doch ich könnte stundenlang darüber berichten.» In jenem Augenblick hörte er eine Stimme: «Jeremy, du musst dich heute entscheiden!» Das genügte. «Ich wusste, dass ich alles loslassen und nur noch mit Gott leben wollte», sagt Jeremy. Ein grosses Wunder geschah. Das einschneidende Erlebnis und sein Entscheid für Gott gaben ihm die Kraft, von jeglichen Suchtmitteln loszukommen. Nach wenigen Wochen war er frei von Alkohol, Nikotin und Drogen.
Ein neues Leben
Das alles liegt jetzt zehn Jahre zurück, Jeremys Leben hat sich radikal verändert. «Heute kenne ich meine Identität», erklärt er. «Durch Jesus habe ich ein von Grund auf neues Leben gefunden.» Seit 2018 ist Jeremy mit Danuxy verheiratet und Vater eines zweijährigen Sohnes. Ein Töchterchen kam gerade erst zur Welt. Die Familie lebt in Solothurn. Jeremy hat nie einen Beruf erlernt. Das hinderte ihn jedoch nicht, zu tun, wofür sein Herz brennt: Wie sein Vater, wurde er Pastor. Er liebt es, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, hört ihnen aufmerksam zu und freut sich, von seinem Glauben und seinen Erfahrungen zu erzählen. Immer wieder stellt Jeremy fest,wie viele Menschen orientierungslos durchs Leben gehen. Er wünscht sich von Herzen, dass auch sie sagen können: «Ich weiss, wer ich bin und wo ich hingehöre.»
Zur Person
Meine Lieblingsplätze in Solothurn:
Innenstadt, Aare, Krummturmschanze, Aatisholz Areal, …
Meine Lieblingsbeschäftigung an verregneten (Sonntag-)nachmittagen:
Zeit mit meiner Familie und auch anderen Leuten verbringen.
Meine Lieblingsmusik:
Lobpreis-Musik und Rap
Auf diese App möchte ich auf keinen Fall verzichten:
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