«Hauptsache geliebt!»
«Das Kind ist nicht lebensfähig.» Für werdende Eltern ist dies eine niederschmetternde Nachricht. 2007 erlebten dies auch Cornelia (47) und Matthias (46) Trummer aus Frutigen.
Wird das Kind leben?
«Es war eine sehr herausfordernde Zeit», blickt Matthias zurück. «Die Aussichten waren schlecht, doch das Ungeborene lebte und wuchs.» Für Trummers war klar: «Solange das Kind lebt, soll es leben dürfen.» Eine Abtreibung kam nicht in Frage und sie sind dankbar, dass Cornelias Gynäkologe den Entscheid vollumfänglich respektierte. «Es war gut, in diesen Wochen Freunde an der Seite zu haben. Viele Menschen in unserem Umfeld beteten für die Geburt eines gesunden Kindes.» Die Hoffnung zerschlug sich. In der 20. Schwangerschaftswoche spürte Cornelia einen starken Stoss. «In diesem Augenblick ahnte ich, dass dies die letzte Bewegung war.
Zwei Jungs und ein Doppelpack
Der Schmerz sass tief, die Trauer war gross, doch an Gott und am Leben verzweifelten sie nicht. «Wir haderten nie und konnten die Situation akzeptieren», erklärt Cornelia. Nach sechzehn Jahren kann sie bezeugen, den Verlust gut und relativ schnell verarbeitet zu haben. «Es war sicher eine Hilfe, dass ich schnell wieder schwanger wurde», fügt Cornelia an. Im Folgejahr wurde Gian geboren, 2010 dessen Bruder Mic. Die Erinnerungen an den schmerzvollen Verlust verblassten – bis sie einige Jahre später wieder geweckt wurden. Cornelia war mit Zwillingen schwanger.
Ein beunruhigender Befund
In der 12. Schwangerschaftswoche bemerkte der Arzt bei einem der Kinder eine auffällige Nackenfalte, ein Hinweis auf Trisomie 21. Ein Schwangerschaftsabbruch kam zur Sprache. «Es ist unser Grundsatz, dass nicht wir das Leben geben und es auch nicht nehmen. Wir glauben an einen Schöpfer, der jedes Leben schafft und ein Ja dazu hat», bekräftigen beide. Eine Woche nach der Diagnose traten bei Cornelia starke Blutungen auf. «Gemäss den Ärzten gab es wenig Hoffnung, dass ich die Zwillinge würde austragen können.» Da sie wusste, dass sich ihre innere Haltung auf die ungeborenen Kinder auswirkte, sprach sie ihr Ja über deren Leben immer wieder aus. Freunde standen zur Seite, halfen wo nötig und beteten für die Familie. Tatsächlich verlief die Schwangerschaft immer besser und so kamen im März 2015 Leo und Lisa im Spital Frutigen zur Welt; Lisa mit Trisomie 21. Die ersten Jahre waren sehr kräfteraubend. Bei Lisa folgten zahlreiche Arztbesuche und auch Eingriffe. Auf die übliche Aussage: «Hauptsache gesund» entgegnet Cornelia: «Hauptsache geliebt!» Geliebt ist Lisa und sie verschenkt selbst viel Liebe, das sei das Wichtigste.
Eine normale Familie
«Ich spiele gerne mit meinen Brüdern», erzählt die inzwischen achtjährige Lisa. Fröhlich hüpft sie mit den beiden auf dem Trampolin, spielt oder kämpft mit ihnen. Als einziges Mädchen der Familie und noch dazu mit einem Extrachromosom geniesst sie einen Sonderstatus. Gian, der Älteste, übernimmt oft Verantwortung. Wie in anderen Familien hat bei den Trummers jedes Kind seinen Platz und lebt seinen einzigartigen Charakter. Erst in der Spielgruppe habe Leo festgestellt, dass sich seine Zwillingsschwester von gleichaltrigen Kindern unterscheidet.
Lisa bringt Farbe in die Welt
Matthias und Cornelia sind von ihren Kindern begeistert – auch von Lisa. Die Mutter lobt ihr Mädchen: «Lisa ist liebenswürdig, grosszügig, mitteilungsfreudig, nicht nachtragend und bereichert unser Familienleben mit ihrer Leidenschaft. Wir staunen oft über ihre sorglose, unbeschwerte und trotzdem feinfühlige Art.» Zuweilen könne Lisa auch stur und aufsässig sein. Bruder Mic bestätigt dies: «Es nervt, wenn Lisa überall ihren Senf dazu gibt.» Gleichzeitig staunt er, wie schnell sie überall neue Freunde findet. Lisas offene Art führt zu vielen schönen Begegnungen. «Sie ist nicht schüchtern», beschreibt Leo seine Schwester. «Ich gehe nicht so rasch auf fremde Leute zu. Lisa macht ihnen gern Komplimente und umarmt sie schnell einmal.» Cornelia erzählt von einer weiteren Stärke ihrer Tochter: «Lisa hat Mühe, wenn Disharmonie herrscht. Gibt es zwischen Brüdern Spannungen, ist sie die Friedensstifterin.»
Engagement für andere
«Es ist uns ein Anliegen, Paare zu ermutigen, deren Kind die Diagnose Down-Syndrom erhalten hat. Wir erleben diese Menschen als grosse Bereicherung und das Leben mit Lisa als lebenswert», sagt Cornelia. Sie engagiert sich in den Vereinen insieme21 und hope21. «Es ist spannend, Menschen zu treffen, die ähnliche Erfahrungen machen», sagt Matthias. «Familien, deren Kinder schon älter sind, zeigen uns, wie es bei uns in zehn Jahren aussehen könnte.» Cornelia ist beeindruckt, wie Kinder aus anderen Familien mit den Behinderungen ihrer Geschwister umgehen: «Ich staune, welche Kompetenzen sie in solchen Lebenssituationen ganz natürlich entwickeln.»
Über hope21
Der Verein hope21 ist überparteilich und konfessionell neutral. Er vernetzt Eltern, welche die Diagnose Trisomie 21 für ihr Kind erhalten haben, mit Familien, die bereits mit einem Kind mit Extrachromosom leben. Sie kommen aus allen Regionen der Schweiz, bieten Einblick in ihren Alltag und stehen bei Fragen, Sorgen und Ängsten unterstützend zur Seite. Über die Website können interessierte Familien Kontakt mit einer HopeFamily aufnehmen. hope21 koordiniert die Vernetzung und begleitet die Familien im Hintergrund.
Des Weiteren steht hope21 medizinischen Fachpersonen rund um das Thema Diagnoseübermittlung zur Seite. Als sehr hilfreich erwiesen hat sich die Broschüre «Diagnoseübermittlung – die richtigen Worte finden». Sie kann über die Website heruntergeladen oder auch kostenlos bestellt werden.