Sein Arzt drängte ihn, die Blindenschrift zu erlernen

Fritz Bieri
Fritz Bieri aus Schüpfen verfügt über ein Sehvermögen von 15 Prozent. Seine geliebte Arbeit als Landwirt und viele Träume musste er aufgeben. Nach Kämpfen gegen Minderwertigkeitsgefühle führt er heute ein sinnerfülltes Leben.

Schon als Schulbub hatte Fritz Bieri Mühe, von der Wandtafel zu lesen. Seine Sehkraft schien offensichtlich schwach. «Ich war zwischen 12 und 14 Jahre alt, als ich unzählige Male für Untersuchungen ins Inselspital nach Bern musste», erinnert sich Fritz. Das Problem sollte sich in den folgenden Jahren noch ausweiten.

Traumberuf: Landwirt

«Irgendwann gab es eine Brille», erzählt Fritz, «und irgendwie schaffte ich es sogar, Autofahren zu lernen.» Den obligatorischen Sehtest bestand er äusserst knapp. Damals musste das Sehvermögen mindestens 60 Prozent betragen. Auch eine Ausbildung zum Landwirt meisterte Fritz. Er liebte diesen Beruf, ging davon aus, ein Leben lang als Landwirt zu arbeiten. «Wir hatten einen Bauernbetrieb, was damals eine gute Existenzgrundlage war», sagt er ein wenig wehmütig. Die jährlichen Augentests zeigten, dass es beständig bergab ging. Als Fritz 24 Jahre alt war, musste er seinen Führerausweis abgeben. «Man sagte mir, ich solle nicht mehr als Bauer arbeiten, da körperliche Anstrengungen meinen geschwächten Sehnerv gefährlich strapazieren würden. Das war ein schlimmer Moment für mich.» Dass er Führerausweis und Traumjob aufgeben musste, setzte ihm zu und die Ungewissheit bezüglich seiner Zukunft quälte ihn. «Nicht zu wissen, wie es mit meinen Augen weitergehen würde, war sehr belastend.» Der Augenarzt sah keine Hoffnung: «Er empfahl mir eindringlich, möglichst schnell die Blindenschrift zu erlernen.»

«Nicht zu wissen, wie es mit meinen Augen weitergehen würde, war sehr belastend.»

Wie sollte es weitergehen?

Trotz Beratungsgesprächen fiel es Fritz schwer, sich auf einen neuen Beruf einzustellen. Keine Ahnung zu haben, wozu er in wenigen Jahren noch in der Lage sein würde, war zermürbend. «Irgendwann wurde eine kaufmännische Arbeit zum Thema.» Es folgten eine höhere Handelsschule und ein entsprechendes Praktikum bei Coop. Aufgrund der Sehschwäche gestaltete sich die dreijährige Ausbildung als Herausforderung. Bildschirme in Extragrösse ermöglichten Fritz das Arbeiten. «Um mein Arbeitspensum zu bewältigen, musste ich jedoch jahrelang Überstunden leisten», präzisiert er. 2003 schaffte Fritz den zusätzlichen Aufwand nicht mehr und musste finanzielle Hilfeleistung in Anspruch nehmen. «Ich arbeitete sehr gern. Als es ohne IV-Teilrente nicht mehr ging, war das schwer für mich. Ich habe sehr gelitten.» Damals war es für Männer nicht üblich, Teilzeit zu arbeiten. Sich in der Berufswelt als minderwertig zu sehen, traf Fritz empfindlich. Mit der Reduktion musste er auch Führungskompetenzen abgeben.

«Schon als Kind glaubte ich, dass es einen Gott gibt, der sich um mich kümmert.»

Das Gefühl, minderwertig zu sein

In diesen Jahren fühlte sich Fritz oft wie ein zerbrochener Krug, aber er gab die Hoffnung nie auf. «Schon als Kind glaubte ich, dass es einen Gott gibt, der sich um mich kümmert», bekräftigt er. Diese Gewissheit schenkte ihm in depressive Phasen immer wieder Lebensfreude. Längst hat Fritz realisiert, dass es zahlreiche Menschen gibt, die Sorgen, geplatzte Träume und Zukunftsängste haben. Dazu sagt er: «Viele Menschen fühlen sich wie zerschlagene Krüge und sehen nur die Scherben des eigenen Lebens…» Fritz kennt das Gefühl, wenn jede Perspektive fehlt und man keinen Weg mehr sieht. Existenzielle Ängste sind ihm genauso vertraut wie die Unsicherheit, ob – und wenn ja – wann er wohl erblinden würde. In alledem hat Fritz Gott erfahren, seinen Schöpfer, der ihm immer wieder Freude und Lebensperspektive schenkt/e. Heute ist Fritz glücklich, wenn er mit Menschen ins Gespräch kommen, ihnen Mut zusprechen und seinen Glauben mit ihnen teilen kann.

Fritz Bieri

Mit dem Buscafé Menschen begegnen

«Als Teenager hatte ich mit einem Nachbarn einmal über Gott gesprochen», blickt Fritz zurück. Jahre später habe jener Mann zu ihm gesagt: «Ich habe nie vergessen, was du mir damals erzählt hast!» Diese Rückmeldung löste in Fritz etwas aus. Er wünschte sich, mehr Menschen an seinem Glauben Anteil haben zu lassen. Allerdings fiel es ihm schwer, fremde Leute anzusprechen. Doch sein Glaube wuchs und Fritz wurde stärker und mutiger. Er berichtet: «Ich lernte jemanden kennen, der regelmässig mit einem Buscafé an belebte Plätze fährt. Mit diesem mobilen Treffpunkt ist ein Team unterwegs, um Menschen Zeit, Wertschätzung, Respekt und Liebe zu schenken.» 2008 fuhr Fritz zum ersten Mal mit. Normalerweise sei das Zuhören wichtiger als das Reden. Inzwischen ist Fritz eine Säule der Buscafé-Arbeit und durfte in unzähligen Gesprächen Menschen ermutigen.

«Viele Menschen fühlen sich wie zerschlagene Krüge und sehen nur die Scherben des eigenen Lebens …»

Ein erfülltes Leben

Seit 1989 ist Fritz mit Helene verheiratet, die beiden haben zwei erwachsene Söhne. Entgegen der ärztlichen Diagnose ist er bis heute nicht erblindet und freut sich, trotz seiner Sehbehinderung bei Coop arbeiten zu können. Dass dies nicht zu 100 Prozent möglich ist, damit hadert er nicht mehr. Vielmehr sieht er die Möglichkeiten, die sich ihm bieten. Am liebsten spricht er Menschen Mut und Hoffnung zu und freut sich immer auf die Einsätze mit dem Buscafé. Trotz geplatzter Träume und Einschränkungen in seinem Leben sagt Fritz überzeugt: «Gott hat mein Leben reich beschenkt!»

Zur Person

Einer meiner Lieblingsplätze in Schüpfen:
Mir gefällt es sehr gut auf unserem Balkon.

Meine Lieblingsbeschäftigung an verregneten (Sonntag-)nachmittagen:
Gesellschaftsspiele spielen

Meine Lieblingsmusik:
Klassische Musik

Auf diese App möchte ich auf keinen Fall verzichten:
Die Bibel-App

Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Hope-Zeitungen