Berufen, bevor sie an Frauen in Leitungspositionen glaubte
«Die Geschichte von Maria und Marta war sehr wichtig für mich. Jesus lud Marta ein, dem Beispiel Marias zu folgen. Nicht radikal, weil er ihr sagte, sie solle mit dem Abwasch und dem Kochen aufhören, sondern weil er Marias Entscheidung feierte», sagt Pastorin Jo Trickey.
«Haben Sie schon einmal erlebt, dass alle um Sie herum etwas in Ihnen sehen, was Sie selbst nicht erkennen», fragt Jo Trickey. «Viele Jahre lang haben mir die Menschen um mich herum eine Begabung zur Leitung zugeschrieben – und ich habe ihnen nicht geglaubt. Es war nichts, worauf ich bewusst hingearbeitet hätte, es war einfach etwas, das mir von Natur aus gegeben war.»
Andere sahen den Ruf bereits
Sie konnte schon immer Menschen dazu bewegen, sich für etwas einzusetzen: «Was ich selbst einfach als ‘ermutigen’ gesehen habe – oder bei Entscheidungen voranzugehen, was ich für mich als ‘einfach machen’ beschrieben habe. Jemand hat mich einmal treffend als ‘sanft störend’ beschrieben – eine Eigenschaft, die ich im Laufe der Zeit als zentralen Bestandteil meines Führungsstils erkannt habe. Später erkannte ich, dass andere Menschen Gottes Berufung in meinem Leben sahen, bevor ich sie selbst erkannte.»
In ihrer stark akademisch geprägten Mädchenschule wurden die Schülerinnen ermutigt, die gläserne Decke zu durchbrechen. «In der Kirche dagegen hörte ich immer wieder, dass nur Männer die Gemeinden leiten sollten, die Ordination sei ihnen vorbehalten – eine Position, die ich als junge Frau akzeptierte.»
Grosse Fragen
Sie störte sich daran, dass Frauen in der Kinderarbeit leiteten und unterrichteten – als ob frühkindliche Erziehung nicht wichtig wäre! «Ich fragte einige, warum sie es für biblisch hielten, dass Frauen leiten dürfen – und bekam viele persönliche Zeugnisse. Andere fragte ich, wie sie ihre Theologie der männlichen Leiterschaft in der Praxis leben – und bekam Antworten voller praktischer Widersprüche.»
Sie dachte darüber nach, wie Jesus mit Frauen umging. «Was hat er ihnen angeboten, was hat er von ihnen verlangt?» Die Geschichte von Maria und Martha wurde für sie zum Wendepunkt.
Maria und Martha
Jesus forderte Marta auf, dem Beispiel Marias zu folgen. Nicht weil er wollte, dass sie die Küche verliess, sondern weil er Marias Entscheidung schätzte, zu seinen Füssen unter den Jüngern zu sitzen. «Die Entscheidung, Jüngerin zu werden – und wie alle guten Jünger dem Weg ihres Meisters zu folgen und seine Lehre weiterzugeben. Er feierte ihre Entscheidung, sich den Männern anzuschliessen und mit ihnen zu lernen. Ich begann, nach anderen Frauen in der Umgebung Jesu zu suchen: Maria, seine Mutter, die als erste vom Kommen des Messias erfuhr; Elisabeth, die ihren Herrn erkannte und sich freute; die Frau am Brunnen, die anderen von Jesus erzählte – und sie glaubten aufgrund ihres Zeugnisses, dass er der Retter der Welt sei; und die Frauen, die als erste dem auferstandenen Jesus begegneten und als erste Evangelistinnen losliefen.»
Und in der frühen Kirche gab es Frauen in Führungspositionen. «Da gibt es Priscilla, Lydia, Phöbe und Junia – jede auf ihre Weise wichtig.»
Rolle hinterfragt
Schliesslich änderte sich ihre theologische Überzeugung – und später spürte sie den Ruf zur Ordination. «Ich habe grösste Wertschätzung für meine lieben Freunde, die in dieser Frage anderer Meinung sind. Ich weiss, dass unsere Meinungsverschiedenheit daher rührt, dass wir dieselben Bibelstellen betrachten und unterschiedliche Aspekte darin sehen. Ich weiss, dass wir beide Jesus lieben und ihn ehren wollen. Und ich liebe es, dass sie mich immer wieder dazu bringen, meine Theologie über die Rolle der Frau in Frage zu stellen – und dass ich dabei Jesus noch mehr lieben lerne, weil ich seine Liebe zu mir erkenne und seinem Ruf folge.»
Zum Thema:
Den Glauben kennenlernen
Livenet-Talk: Authentischer Austausch von Frauen in Leiterschaft
Die Frauenfrage in der Bibel: Neutestamentliche Leiterinnen