Auf den Abgrund folgte die Erlösung
Ruedi Szabo blickt auf ein bewegtes Leben zurück – vom Migrantenkind in der Schweiz über den Aufbau einer eigenen Baufirma zum Bankräuber und schliesslich zum Kämpfer für Gewaltprävention.
Seine Geschichte ist ein eindrückliches Zeugnis dafür, wie tiefgreifend sich das Leben verändern kann. Ruedi Szabo spricht offen über seine Kindheitstraumata, seine kriminelle Vergangenheit und seine Läuterung. Dies zum Beispiel in Schulen zur Gewaltprävention, in Gefängnissen und bei vielen anderen Gelegenheiten, etwa im Rahmen eines Konfirmationslagers in Lützelflüh. Jesus.ch war dabei, als er – ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen – den Jugendlichen aufzeigte, dass es nie zu spät ist, sein Leben in die Hand zu nehmen; und dass es Sinn macht, gewisse Fehler gar nicht erst zu machen.
Die Wurzeln der Rebellion
Ruedi Szabo hat österreichisch-ungarische Wurzeln und kam im Alter von sieben Jahren in die Schweiz, wo er eine schwierige Kindheit erlebte. «Ich war ein verhaltensauffälliges Kind», erinnert sich Szabo. «Dafür gibt es immer einen Grund. Meistens ist es ein Schicksalsschlag oder eine traumatische Situation.»
Seine Eltern waren Teenager, als er geboren wurde, beide 17 Jahre alt. Sie konnten ihm nicht die stabile Kindheit bieten, die er sich gewünscht hätte. «Mein Vater verliess uns schliesslich, um am Nürburgring Rennwagen zu reparieren. Die Tagesmutter sperrte mich oft in den Keller, weil ich so viel schrie.»
Später, nach Vaters Rückkehr, war das Verhältnis zu ihm schwierig: «Ich mochte es nicht, wenn er mich schlug», sagt Szabo. «Als ich 14 war, fälschte ich einmal seine Unterschrift. Er nannte mich eine Schande für die Familie und schlug mich hart.» So hart, dass er sich wehrte. Bei einer Abwehrbewegung brach sich der Vater ein Bein – mit einem Tritt, der Ruedi gegolten hätte. Vater schlug ihn nie wieder. «Damals wurde mir klar, dass Gewalt eine Lösung sein kann.» Diese Erkenntnis führte Szabo später in eine Abwärtsspirale.
Wie ein liebender Vater zum Bankräuber wurde
Dann ging es mit seiner Baufirma bergab. Seine Frau trennte sich von ihm, und er schlug einen verhängnisvollen Weg ein: Im Alter von 35 Jahren überfiel Szabo eine Bank, mehrere Poststellen, einen vermögenden Liebhaber seiner Ex-Frau sowie eine Migros und einen Coop. Eine Entscheidung, die ihre Wurzeln in einer Lebenskrise hatte, als er von seinen fünf Kindern, die er über alles liebte, getrennt wurde.
«Ich überlegte schon, wie ich meine Frau umbringen könnte, als sie mir sagte, ich müsse monatlich 6200 Franken Alimente zahlen, sonst würde ich meine Kinder nie mehr sehen», erinnert sich Ruedi Szabo. «Aber dann wäre ich ins Gefängnis gekommen, und ich liebte meine Kinder zu sehr.»
Also wandte er sich gegen die Banken, die ihm als Feindbild dienten. «Ich sah mich als eine Art Robin Hood», sagt er. «Aber meine Taten haben andere Menschen zutiefst traumatisiert. Ein kleines Mädchen, das ich bei einem Überfall bedroht hatte, entwickelte eine schwere Essstörung. Eine andere Frau konnte nach einem Schlaganfall nicht mehr richtig laufen. Ich habe Leben zerstört.»
Vom Dunkel ins Licht
Im Gefängnis fand Szabo den Weg zu Selbsterkenntnis und Reue – und zu Gott. «Ich hatte die Chance, in den offenen Vollzug zu kommen», erinnert er sich. «Ein Pastor wurde mein Türöffner. Er sorgte dafür, dass meinen Kindern geholfen wurde. In der Bibel steht: 'Was du säst, das wirst du ernten.' Ich wollte Gutes säen.»
Im Gespräch mit seinen Opfern erkannte Szabo die verheerenden Folgen seiner Taten. «Das Mädchen, das ich als Fünfjährige bedrohte, litt lange unter Angstzuständen und wurde später Polizistin», erzählt er den Konfirmanden. «Ich habe mich mehrmals mit ihren Eltern getroffen. Solche Gespräche helfen, Wiederholungstaten zu verhindern. Sie lernen, sich mit ihren Opfern zu identifizieren.»
Ein besonders eindrückliches Erlebnis war die Begegnung mit einer Frau, die Szabo bei einem Überfall mutig entgegentrat und selbst schwer traumatisiert ist. «Sie hielt an ihrem Hassbild fest», erinnert sich Szabo. «Aber sie fand die Kraft, mir zu vergeben. Das war eine grosse Lektion für mich.»
Ein neuer Anfang
«Es gibt Schicksalsschläge, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen», sagt Szabo. «Aber es gibt immer Hoffnung. Es ist nie zu spät, die Richtung zu ändern.» Heute arbeitet Ruedi Szabo in der Gewaltprävention und hilft zum Beispiel Migranten, die in Gewalt verwickelt wurden, aber nicht die Polizei einschalten wollen. «Im Spital würde man bei einer Gewalttat normalerweise die Polizei rufen. Durch meine Ausbildung kann ich aber Erste Hilfe leisten.»
Sein Weg vom Täter zum Sozialarbeiter zeigt, dass Veränderung möglich ist. «Jeder Mensch trägt einen Rucksack mit sich herum», sagt Szabo. «Aber wir haben die Wahl, was wir daraus machen. Ich habe mich dafür entschieden, für die Liebe zu kämpfen und anderen zu helfen, anstatt sie zu verletzen.»
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