«Wer mit Tränen sät, wird mit Freuden ernten»
«Ich wäre bereit gewesen, zu gehen», hält Helmut Eschbacher fest. «Doch Gott hatte andere Pläne – meine Familie braucht mich noch, sie betete mit unseren Freunden für meine Rettung.» Alle fünf Familienmitglieder erkrankten 2021 an Covid. Vier davon erholten sich, er jedoch musste dreimal hospitalisiert werden, zuletzt verlegte ihn die Rega in ein Spital mit Intensivstation, wo er künstlich beatmet wurde. Mit Vorerkrankungen wie Colitis ulcerosa, einer chronischen Darmentzündung, überstandenem Burnout und Fatigue-Syndrom, gehörte er zu den Risikopatienten.
«Ich wurde professionell versorgt und rund um die Uhr überwacht, später lernte ich dank Unterstützung wieder selbständig zu atmen und zu gehen. Dafür bin ich Medizinern und Pflegepersonal sehr dankbar», sagt der 56-Jährige. Seine Familie – zuhause in Quarantäne – sei telefonisch psychologisch betreut worden. Denn sie hatte erfahren müssen, dass nicht sicher sei, ob er die Episode überleben würde. «Sie erlebte bange Stunden, viele Tränen flossen», blendet er zurück. Doch er zitiert Psalm 126, Vers 5: «Wer mit Tränen sät, wird mit Freuden ernten.»
Simulant
Als die Kinder noch schulpflichtig waren, wurde ihm von einem Politiker vorgeworfen, er sei ein Simulant, wolle nicht arbeiten. Doch die Darmerkrankung machte es von 2010 bis 2020 unmöglich, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Seine Frau gelangte immer wieder an den Rand der Erschöpfung, litt während Jahren an Rückenproblemen. Nach einem Bandscheibenvorfall musste sie sich 2022 einer Operation unterziehen. Die nun erwachsenen Kinder traten mehr und mehr in den Riss und unterstützen die Eltern. Die Familie focht viele Kämpfe aus mit Sozialversicherungen, Bürokratie, Verwaltungsdschungel, eine IV-Rente wurde mehrmals abgelehnt. Auch ihre christliche Gemeinde war offenbar überfordert, ihnen beizustehen.
Schliesslich wurde die Familie vom Freundeskreis finanziell unterstützt, um über die Runden zu kommen. Für Helmut Eschbacher war das ein Zeichen der Fürsorge Gottes. Die Bibel vermittelt ihm immer wieder Zuversicht, verlässt er sich doch auf die Zusagen, die er dort findet. Er habe schon lange gelernt, das Leben zu nehmen, wie es komme und aus allem das Beste zu machen. Da habe keine Anklage an seinen Schöpfer Platz: «Er meint es gut.»
Reha-Klinik
Zur Covid-Infektion gesellten sich eine doppelseitige Lungenembolie und Thrombosen. Aus dem Spital entlassen, kann der Genesene kaum noch gehen. Dennoch will er nicht in die Reha, sondern wieder arbeiten. Nach mehreren Arbeitsversuchen wird ihm schliesslich gekündigt. Nun ist er bereit für die Therapie in einer Reha-Klinik. «In der Long-Covid-Sprechstunde traf ich auf eine Psychologin und ebenfalls Betroffene, die Gutes berichteten von der vorgeschlagenen Klinik.» Und tatsächlich, er traf auf eine kompetente, einfühlsame Ärzteschaft, profitierte von Gesprächen mit psychologischen Fachpersonen und erlernte die Pacing-Strategie, die Patienten mit CFS Erleichterung verschafft. Es geht dabei darum, ein Energiemanagement zu erlernen, mit dem die zur Verfügung stehende Energiemenge genutzt und gleichzeitig die Verschlimmerung der Symptome durch Überschreiten der individuellen Grenzen verringert wird. «Das war echt hilfreich – aber gesund bin ich deswegen noch nicht», stellt Eschbacher klar.
Versuch und Irrtum
«Mir wurde von Ärzten eine sehr grosse Resilienz bestätigt, gerade auch was den Umgang mit meiner langjährigen Krankheitsgeschichte betrifft», freut sich Helmut Eschbacher. «Sie meinten, andere hätten schon lange aufgegeben. Das motivierte mich!» Nach der Reha absolvierte er ein dreimonatiges Arbeitstraining. Doch es war ohne nachhaltigen Erfolg – er hält jeweils nur zwei bis drei Stunden durch, dann ist seine Energie verbraucht. Schlussendlich erlitt er erneut einen Crash.
Gestärkt als Familie
«Ärzte sind auch nur Menschen», hält der langjährige Patient fest. «Covid war für alle Neuland, Auswirkungen und Behandlung sind sehr individuell.» Das werde noch immer von vielen nicht verstanden, und er musste Schuldzuweisungen oder Aussagen verkraften wie: «Gib doch zu, dass du zu faul bist zum Arbeiten!» oder «Du wirst nie wieder erwerbstätig sein.» Auch erlebte er mehrfach, dass seine Beschwerden als psychosomatisch abgetan wurden. Oft stiess er auf Unverständnis und wenig Hilfe: «Natürlich hätte ich gern eine Heilung durch Jesus erlebt – aber es ist bisher nicht geschehen.»
Seine Familie jedoch wurde durch die lange Zeit des gemeinsamen Dranbleibens gestärkt. «Jesus war immer mit uns im Boot!», hält Eschbacher fest. Die drei Kinder sind heute zwischen 20 und 25 Jahre alt, die Familie hat ihre Hoffnung auf Gottes Eingreifen nicht aufgegeben. Alle hätten grosses Mitgefühl mit Menschen, die Schweres erleben.
Zuversicht
«Seit einigen Wochen geht es mir besser», bestätigt der Familienvater. «Ich habe wieder mehr Energie und würde sehr gern arbeiten, zum Beispiel als Chauffeur für Materialtransport.» Er gehe mit kleinen Schritten vorwärts, übe sich in Geduld und vertraue darauf, dass Gott alles unter Kontrolle habe. Er überlegt sich auf Anregung von Fachpersonen, seine Erfahrungen als Peer-Coach einzusetzen, das heisst, Long-Covid-Betroffenen als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen. Das wäre eine wertvolle Frucht, die aus seinem Leiden wachsen könnte.
Sehen Sie sich das Video mit Helmut und Claudia Eschbacher vom Bibel TV an:
Zum Thema:
Den Glauben entdecken
Ausgebremst: Long Covid – und wo ist Gott?
Ein Leben fast wie Hiob: Reto Salzmann: «Etwas hielt mich auf zu springen»
Zur Diskussion gestellt: Long Covid in der Gemeinde