«Meine Depressionen waren weg!»
Roland Vogel lernt Elektromonteur, schliesst die Ausbildung 1984 ab. Er freut sich, später durch Learning by Doing im industriellen Bereich immer mehr Verantwortung zu erhalten. Er hat eine gute Stelle, fühlt sich wohl und sicher. Mit den Jahren verändert sich das, immer mehr Programmieraufträge kommen hinzu. «Dieser Wandel war nicht mein Ding, ich fühlte mich völlig überfordert», erinnert sich der 60-Jährige. Roland mag nicht mehr zur Arbeit gehen, ist antriebslos, spürt eine tiefe Traurigkeit und Schwere auf seiner Seele. Manchmal verschwinden die Symptome nach wenigen Tagen, dann wieder dauert es Wochen, bis er wieder Energie hat, Freude empfinden und den Alltag bewältigen kann.
Ausgebrannt
Schliesslich gesteht er seinem Chef, an Depressionen zu leiden. Roland erinnert sich: «Mein Vorgesetzter reagierte sehr verständnisvoll.» Dennoch hält Roland Ausschau nach einer weniger techniklastigen Arbeit und bekommt die Chance, sich in einer anthroposophischen Institution für Menschen mit Behinderung zu engagieren. Nach fünf Jahren wird ihm nahegelegt, die entsprechende Ausbildung nachzuholen, dies nach den Vorgaben der Philosophie von Rudolf Steiner. Damit kann sich Roland nicht identifzieren. Er spürt, dass sich dieses Denken nicht mit seiner geistlichen Ausrichtung verträgt und kündigt. Nach einigen Monaten als Vollzeit-Hausmann nimmt er im Herbst desselben Jahres eine Teilzeitstelle im Prozessmanagement an.
Rollentausch
1993 kommt das erste von zwei Kindern zur Welt und Lucia entschliesst sich, ganz für ihre Kinder da zu sein. Roland leidet immer häufiger unter Depressionen, das macht ihr sehr zu schaffen – mehr und mehr übernimmt sie deshalb auch die Vaterrolle. «Ich schirmte ihn ab, um ihn zu schonen und eine weitere Episode zu verhindern», erklärt die 55-Jährige.
1999, noch während Roland als Projektsachbearbeiter angestellt ist, verspürt er den Wunsch, mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können, deshalb meldet sich Lucia bei ihrem früheren Arbeitgeber. Zwei Monate später kann sie wieder einsteigen und eine Weile arbeiten beide Teilzeit. «Weil es mir zwischendurch immer wieder gutging, nahm ich nie Medikamente», hält Roland fest. Seine Stimmungsschwankungen sind für die ganze Familie belastend. Lucia beginnt, sich für esoterische Praktiken zu interessieren, wendet homöopathische Präparate und Bachblüten an, hat damit Erfolg. Zudem lernt sie das Pendeln und absolviert eine Reiki-Ausbildung.
Dunkelheit
Roland engagiert sich derweil in der katholischen Kirche, amtet als Präsident des Kirchenchors. Im Winter 2001 geschieht etwas Unheimliches. Eine Bekannte, die mit Lucia einen Meditationskurs besuchte, übernachtet bei ihnen. Lucia erinnert sich: «Plötzlich begann die Frau mit veränderter Stimme abscheuliche und unverständliche Laute von sich zu geben. Es war, als hätte eine finstere Macht von ihr Besitz ergriffen.» Lucia bittet die Kursleiter um Hilfe, doch diese können nichts bewirken. Schliesslich vermittelt der Kursleiter den Besuch eines engagierten Christen. Dieser erklärt, esoterische Praktiken seien nicht harmlos, sondern ein Tor zur dunklen Seite der geistigen Welt. Jesus Christus habe diese besiegt und könne helfen, wenn man ihn darum bitte.
Umkehr
Das Ehepaar fordert den Mann auf, mehr darüber zu erzählen, wie sich sein Glaube auf den Alltag auswirke. Zweimal kommt er vorbei, danach weiss Lucia: «Das ist für mich!» Sie entscheidet sich, die Führung ihres Lebens Jesus anzuvertrauen. «Von diesem Moment an verloren die Globuli ihre Wirksamkeit», hält Lucia fest. Sie trennt sich von allen esoterischen Praktiken und Präparaten, besucht immer häufiger die Gottesdienste einer Freikirche. Anfangs ist Roland skeptisch, er möchte seiner Kirche treu bleiben. Dennoch begleitet er Lucia. Regelmässig treffen sie sich mit anderen Christen, lesen mit ihnen die Bibel und christliche Literatur.
Befreiung
Anfang 2017 steckt Roland wieder in einer Depression. Als er während eines Gottesdienstes aufsteht, um das Abendmahl einzunehmen, spürt er körperlich, wie die Dunkelheit aus seinem Innern herausgerissen wird und die Schwere verschwindet. «Ich spürte, dass es hell und leicht wurde – die Depressionen waren weg!», erzählt er begeistert. Seither wurde er nie wieder von dieser Krankheit geplagt. «Das ist ein Geschenk Gottes!», freut sich Roland. «Es hat nichts mit der Kirche zu tun, sondern allein mit seiner Liebe!»
Aufbruch
Plötzlich ist Roland wieder belastbar und Vieles wird möglich. Die Sehnsucht, Gott besser kennenzulernen, wächst bei beiden. Schliesslich setzen sie alles auf eine Karte, kündigen ihre Jobs, vermieten ihre Wohnung und besuchen während mehrerer Monate eine christliche Lebensschule. Sie wollen ihr Leben ganz Gott zur Verfügung stellen und sind offen, sich von ihm führen zu lassen.
Sie kehren zurück ins Seetal. Roland und Lucia träumen davon, mit anderen Menschen Leben zu teilen, ihnen in ihrer Not zu begegnen, vielleicht mit Übernachtungsmöglichkeit während einer bestimmten Zeit. «Sehr gern würden wir ein Haus führen, das Menschen in Not offensteht», sagt Roland. Besonders am Herzen liegen den beiden Paare, die Schwierigkeiten in ihrer Beziehung erleben. Ihnen möchten Roland und Lucia mit offenen Ohren und Herzen begegnen, sie auf Wunsch eine Weile begleiten und persönlich sowie im Miteinander in ihrer Ehe ermutigen.
Versorgung
Beide haben sehr schnell Arbeit gefunden und nun in Altwis eine Wohnung mit Gästezimmer bezogen, wo sie ihren Traum umsetzen können. Für sie ist das ein weiteres Geschenk von Gott. Unisono sagen die beiden: «Wir sind gespannt darauf, wie Gott uns weiterhin führen wird!»
Dieser Artikel erschien in der Hope Luzern.
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