Ein Mörder begegnet Jesus
Stattdessen hatte er den Gangster sogar noch beleidigt – er erzählte anderen, dieser sei so blöd gewesen zu glauben, er würde das Geld zurückzahlen! Noor Alam war ein Krimineller und verdiente seinen Wochenlohn damit, die Schuldner des Gangsters zu bedrohen, zu verprügeln und zu foltern. Und nun sollte er also diesen Unternehmer umbringen. Eine Weigerung war undenkbar – nicht wegen der Zulage von hundert Prozent, es gab einen viel schwerwiegenderen Grund: Ein Nein hätte wahrscheinlich ihm das Leben gekostet.
Das Risiko war minimal. Die Polizisten hier in Bihar (Ostindien) hatten Angst vor dem Gangster und mieden ihn sorgfältig. Sie waren sowieso zahnlose Tiger: Trotz all seiner Raubüberfälle und Einbrüche hatte Noor Alam nur sehr wenig Zeit im Gefängnis verbracht. Nie wurde ihm irgendeine Schuld nachgewiesen. Aber Mord? Das machte ihn nun doch etwas nervös. Er lud seine Pistole, legte sich einen Schlachtplan zurecht – und fasste Mut. Das war eben sein Job, schliesslich verdiente er sich den Lebensunterhalt damit. Der Typ war ein Hindu, also ein Ungläubiger, und als solchen konnte er ihn durchaus umbringen.
Auch Sohn soll Kämpfer werden
Er dachte an seine Familie – alles Muslime – und an seine loyale Ehefrau, die ihn noch nie hinterfragt hatte und auch nicht wissen wollte, woher das Geld kam. Und er dachte an seinen Sohn Waqar. Er brauchte Geld für Waqars Bildung. Noor hatte vier Söhne gehabt, aber drei von ihnen waren krank geworden und gestorben. Das hatte sein Herz gebrochen und seinen Glauben infrage gestellt, aber schliesslich war er als stärkerer Muslim daraus hervorgegangen.
Es war Allahs Wille gewesen, dass Waqar überlebte, und Waqar war die Sonne in Noors Leben. Er liebte ihn so zärtlich wie niemanden sonst. Noor wollte ihn zur Koranschule schicken. Waqar sollte ein Kämpfer für Mohammed werden.
Der Mann winselte um Gnade
Noor Alam betrat den Laden des Schuldners und forderte die Zahlung. Der Geschäftsmann betrachtete ihn von oben bis unten mit einem schmallippigen, abfälligen Grinsen. Was hatte er von diesem schmächtigen Typen mit Glatze und Nickelbrille schon zu befürchten? Tatsächlich sah Noor viel eher wie ein Buchhalter aus und nicht wie ein Schuldeneintreiber. Der Unternehmer warf seinen Kopf zurück und reagierte mit brüllendem Gelächter. Nun zog Noor die Pistole. Der Geschäftsmann verstand und hörte sofort auf zu lachen. Keine Spur mehr von Arroganz – Noor konnte die nackte Angst in seinen Augen sehen und verstand: Jetzt konnte er mit ihm tun, was immer er wollte. Er hielt das Leben dieses Mannes in seiner Hand! Der fiel auf seine Knie und winselte um Gnade, aber Noor kannte keine Gnade. Berauscht von dem Gefühl der Macht, betätigte er den Abzug. Er fühlte sich unbesiegbar. Er war mächtig. Er war wie Gott.
Im Laufe der folgenden Jahre ermordete Noor Alam weitere sieben Männer. Er sah alle grösseren Gefängnisse Bihars von innen, kam aber immer wieder frei. Nach jeder Entlassung wurde er zuversichtlicher in seiner Überzeugung, dass Allah mit ihm war. Als Kind war er klein und schwach gewesen; die anderen Jungen hatten sich einen Spass daraus gemacht, ihn zu tyrannisieren und zu verprügeln. Sein Selbstwertgefühl sank auf null. Er zog sich zurück, verlegte sich zunächst auf kleine Diebstähle und schließlich auf Einbrüche und Raubüberfälle.
Der Abweg
Natürlich brauchte er das Geld, aber noch mehr brauchte er die Erfolgserlebnisse, und so wurde er in seiner kriminellen Laufbahn immer kühner. Er bedrohte seine Opfer mit dem Messer und raubte sie aus, er verprügelte sie und manchmal fügte er ihnen sogar dann noch Schnittwunden zu, wenn sie gerade das Geld übergaben. Seine Opfer zu töten, nein, soweit war er nicht gegangen, aber er hatte Spass daran, sie zu verletzen.
Das Gefühl der Überlegenheit in solchen Situationen verschaffte ihm grosse Befriedigung. Einmal folterte Noor Alam einen Mann stundenlang, nur weil dieser ihn beleidigt hatte. Er hatte fest beschlossen: Keiner würde ihn jemals wieder beleidigen! Der Unternehmer hatte ihn ausgelacht, und Noor hatte ihn umgebracht. Das hatte sein Selbstwertgefühl auf eine nie gekannte Ebene gehoben. Nun, nach sieben weiteren Morden, hatte er sich Respekt verschafft. Die Leute fürchteten ihn, und er hatte niemanden zu fürchten.
Stirbt auch das vierte Kind?
Im November 2010 wurde Noor Alams Sohn Waqar krank, er bekam starke Magenschmerzen und bald auch Fieber. Noor und seine Frau beteten für ihn und gingen zur Moschee in Raxaul – sie wollten den Imam bitten, für Waqar zu beten. Aber in den folgenden Tagen ging es Waqar immer schlechter. Das Fieber stieg und Waqar nahm nichts zu sich. Noor litt sehr darunter, seinen Sohn so leiden zu sehen, und in seiner Verzweiflung suchte er weitere Hilfe – wo auch immer: Er ging sogar zum Hindupriester und scheute nicht die Kosten für einen Schamanen. Umsonst! Waqar ging es immer schlechter.
So trug Noor ihn auf den Armen zu seinem alten Auto und brachte ihn in das dreissig Kilometer entfernte Krankenhaus von Duncan. Die Ärzte kümmerten sich sofort um Waqar, und Noor konnte schon während der Untersuchungen an ihren betroffenen Gesichtern ablesen, dass die Lage ernst war. Drei Stunden wartete er auf das Ende der Untersuchungen, dann durfte er sich auf die Bettkante seines Sohnes setzen.
Noor will Tod nicht akzeptieren
Noor blickte auf seinen schlafenden Sohn, der sehr geschwächt und nur oberflächlich atmend reglos dalag. Waqar war totenblass, sah aus wie ein Geist, wie ein Toter. Aber nein, Noor weigerte sich, auch nur daran zu denken! Drei Kinder hatte er schon verloren, das erste durch Typhus, das zweite an Tuberkulose und das dritte nach einem Schlangenbiss. Sein letztes Kind auch noch zu verlieren – und Waqar war erst zwölf –, nein, das konnte nicht sein. Das liess er nicht zu!
Der Arzt kam, um nach Waqar zu schauen, und erklärte Noor, es wäre ein Parasit im fortgeschrittenen Stadium. Innere Blutungen. Sie könnten praktisch nichts mehr tun, und vielleicht müsse Waqar sterben. Noor starrte den Arzt an und weigerte sich, seinen Worten zu glauben: «Sie wissen ja nicht, was Sie da sagen», erwiderte er in ruhigem Ton. Der Arzt wich seinem Blick aus und antwortete schliesslich so mitfühlend wie möglich: «Ich bin in ein paar Stunden wieder hier und schaue nach ihm.»
Allahs Strafe?
Die Stunden vergingen und trübe Gedanken kreisten in Noors Kopf, als er am Bett seines sterbenden Sohnes sass. Musste er tatsächlich jedes seiner Kinder verlieren? War das Allahs Strafe für alle Morde und Foltertaten, die er begangen hatte? Nein, er war stets treu im Glauben gewesen. Allah hatte ihm Macht über diese Ungläubigen gegeben. Er hatte sich nichts vorzuwerfen und bereute nichts. Sein Sohn würde nicht sterben. Das würde er nicht zulassen. Er würde die ganze Welt umbringen, wenn er müsste, aber Waqar würde überleben.
Als der Arzt den Jungen erneut untersuchte, sah er, dass dieser im Sterben lag. Er schüttelte seinen Kopf und drehte sich zu dem Vater des Kindes um, um ihm zu sagen, dass keine Hoffnung mehr bestand. Doch als er sich umdrehte, war plötzlich Noors Gesicht nur ein paar Zentimeter von seinem eigenen Gesicht entfernt, und seine Augen funkelten. Er hatte ein Messer in der Hand. «Sie werden das Leben meines Sohnes retten, sonst bringe ich Sie um», drohte er. Der Arzt blieb ruhig. «Ich kann Ihren Sohn nicht retten», antwortete er. «Das liegt nicht in meiner Hand. Es tut mir leid.»
«Ich kenne jemanden»
Irgendetwas stimmte hier nicht. Noor brauchte ein paar Sekunden, bis er begriff, was es war: Dieser Mann hatte keine Angst vor ihm. Er hatte ihn gerade mit dem Messer bedroht, ihm mit dem Tod gedroht, und doch hatte dieser Mann keine Angst. Er sah ruhig und friedlich aus. Noor starrte ihn an und wusste nicht, was er tun sollte. Die Macht, die er immer in sich spürte, wenn er seine Opfer quälte, war verschwunden.
Er hatte keine Kontrolle über diesen Mann. Er steckte das Messer zurück in seine Tasche und sah seinen Sohn an. «In wessen Händen liegt er dann? Ich habe bereits zu allen Göttern gebetet.» Der Arzt sah ihn voller Mitleid an. «Ich kann nichts für Ihren Sohn tun, aber ich kenne jemanden, der ihn heilen kann. Es ist der Herr Jesus Christus. Wir können zu Jesus beten, jetzt gleich, wenn Sie möchten.»
Wahre Macht
Noor Alam nickte. Gemeinsam gingen die beiden auf die Knie. Noor kannte diesen Jesus nicht, aber als er den Arzt beten hörte, war er zutiefst ergriffen. Dieser Mann betete so, als ob er seinen Gott persönlich kennen würde, als ob er lebendig wäre, als ob er sich direkt bei ihnen im Raum befände. Er betete für Waqar, als wäre er sein eigener Sohn, als würde er ihn kennen und lieben. Noor spürte die Macht in diesem Gebet. Wahre Macht. Nicht die Macht eines Gewehrs, sondern eine weit grössere Macht. Als sie fertig gebetet hatten, erhoben sie sich und der Arzt wandte sich ihm zu. «Wir haben für Heilung gebetet. Nun müssen wir darauf vertrauen, dass der Herr sie schenken wird.» Er griff in seine Tasche und holte ein kleines Buch heraus. «Lesen Sie das, mein Bruder, und Sie werden verstehen.»
Noor nahm das Buch und begann am Bett seines Sohnes, es zu lesen. Das Buch war ein heiliges Buch und erzählte von Jesus. Er las vier Stunden lang von Jesus, dem Sohn Gottes, der vom Vater gesandt wurde, um alle Menschen zu retten, die an ihn glaubten, Busse taten und ihm nachfolgten. Er las, dass Jesus viele Menschen geheilt hatte, und Jesus sagte, diese Menschen seien durch ihren Glauben geheilt worden. Er dachte an diejenigen, die er verletzt und getötet hatte, und er brach in Tränen aus, als seine Schuld und Scham ihn überwältigten. In den frühen Morgenstunden ging Noor noch einmal zitternd auf die Knie. Es war ein einfaches Gebet. «Herr Jesus, ich glaube, dass du meinen Sohn heilen wirst. Wenn du das tust, werde ich dir von ganzem Herzen nachfolgen und du wirst mein Gott sein. Ich flehe dich um Vergebung an für all die furchtbaren Dinge, die ich getan habe.»
Noor lässt andere teilhaben
Waqars Genesung war bemerkenswert. Binnen einer Woche war er wieder zu Hause. Noor Alam verschlang das Neue Testament und begann dann, in seinem Dorf von Jesus zu reden. Die Muslime konnten nicht glauben, was geschehen war, doch Noors Zeugnis sprach Bände. Sein Sohn hatte am Rand des Todes gestanden und war wieder gesund geworden. Doch noch unglaublicher war, dass dieser Kriminelle, dieser Mörder, nun predigte, dass Rettung, Vergebung und Heilung durch Liebe, durch die Liebe Jesu Christi möglich waren!
Einige Menschen entschieden sich für Jesus. Schliesslich auch andere, manche aus dem Nachbardorf. Noor Alam predigte auf dem Markt und führte viele Menschen zu Jesus. Einige Muslime stellten seine Aussagen in Frage, doch niemand bedrohte ihn; jeder kannte seine Vergangenheit. Er traf einen Gemeindegründer von «Big Life», der ihn lehrte und ihm zeigte, wie man Gemeinden gründete. Er schloss sich dieser Gemeinschaft an. Sie arbeiteten zusammen, besuchten Dörfer und gründeten Kirchen. Mitte 2012 war Noor Alam bekannt als Pastor Noor. Er hatte Hunderte Menschen zu Jesus geführt und Gemeinden in vielen muslimischen Dörfern gegründet. Er folgte Jesus von ganzem Herzen nach, genau wie er es versprochen hatte.
Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Neuauflage. Er erschien bereits am 13.08.2018 bei Jesus.ch.
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