Kann Vergleichen sinnvoll sein?
An manchen Tagen sind wir unzufrieden mit uns und unserem Leben und noch viel «vergleichsanfälliger» als sonst. Man sollte uns an diesen Tagen das Smartphone aus der Hand reissen. Wir können uns mit so vielen Menschen vergleichen wie nie zuvor. Und viele davon kennen wir nicht einmal. Wir holen das scheinbar blühende Leben von allerlei Menschen in unseren chaotischen Alltag und fühlen uns plötzlich noch mickriger. Fakt ist: Nur weil wir gerade kurz im Schatten stehen (oder uns dort wähnen), heisst das nicht, dass die, die ihr Leben so zur Schau stellen, ständig auf der Sonnenseite leben. Wahrscheinlicher ist, dass sie eben nur diese zeigen. Ein Menschenleben, in dem alles vollkommen ist, gibt es nicht. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Das wissen wir eigentlich auch.
Anfänger und Experten
Es ist auch kein fairer Vergleich, wenn wir unsere Anfänge mit den Zieleinläufen anderer vergleichen. Jeder ist mal klein gestartet, jeder Experte war mal Anfänger. Schau doch lieber mal, welche Fortschritte du selbst schon gemacht hast: Wo standest du früher? Und wo stehst du heute? Wir müssen nicht werden wie die anderen, sondern sein und uns entwickeln, wie Gott uns gemacht hat: einzigartig und individuell. Ich darf aber auch dazulernen, besser werden, an mir arbeiten, mich verändern und mein Potenzial entfalten. Das mag anders aussehen als bei meiner Schwägerin oder meiner Freundin – und das ist okay. Wenn ich versuche, wie jemand anderes zu werden, verpasse ich mein eigenes Leben und meine eigene Identität. Wie heisst es doch so schön: «Es braucht mehr Originale und weniger Kopien.» Und wenn ich mich wieder beim unglücklichen Vergleichen erwische, kann ich mich fragen: Was steckt dahinter? Was ist gerade mein Bedürfnis, das offensichtlich nicht gestillt ist? Wie kann ich etwas daran ändern und den «Tank» in dieser Hinsicht (wieder) auffüllen?
Statt vor Neid zu erblassen, weil ich auf das gucke, was andere mir ausgewählt präsentieren, möchte ich mich freuen an all dem Guten, das ich habe und dieses Gute hegen und pflegen. Wer sein eigenes Leben gestaltet und kultiviert, hat weniger Zeit, es mit dem Leben anderer zu vergleichen. Und seien wir mal ehrlich: Ist es nicht manchmal egoistisch, sich mit anderen zu vergleichen? Alles immer auf sich selbst zu beziehen? Sich nicht auch mal für andere freuen zu können und einander zu feiern? Ich gebe zu: Natürlich ist das nicht immer leicht. Aber ich wäre lieber jemand, der dankbar ist für gute Zeiten – auch die der anderen –, als ständig missgünstig zu sein und zu denken: Wieso habe ich nicht auch, was die hat? Und vielleicht sollten wir weniger «Das kenne ich schon lange», «Das haben wir auch schon gemacht», «Bei uns ist das ja so und so» äussern und mehr ehrliches «Ach wie schön, das freut mich für dich!», «Wirklich toll, du kannst stolz auf dich sein!» formulieren. Denn auch wenn unsere Gesellschaft uns das oft vorgaukeln möchte: Eigentlich sollte das Leben kein Wettkampf sein. Das ständige Konkurrenzdenken legt Steine in den Weg guter Beziehungen.
Potenzial entfalten
Gleichzeitig ist das Vergleichen menschlich. Wir brauchen es, um uns und die Welt um uns herum einzuordnen, zu begreifen, Orientierung zu bekommen, unseren Platz zu finden. Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, dazuzugehören – das erfordert manchmal ein wenig Anpassung. Dafür müssen wir wissen: Wie sind die anderen? Und wie bin ich? Was ist angemessen? Was wäre unpassend? Und: Wenn mich das Vergleichen mit anderen anregt, selbst etwas in Angriff zu nehmen, mir Motivation und Inspiration gibt und dazu beiträgt, mich weiterzuentwickeln und mein Potenzial zu entfalten – dann los! Ein besseres Vergleichs-Outcome gibt es nicht. Frei nach dem Motto: «Prüft alles und behaltet das Gute!» Nicht zu fragen: Was hat sie oder er, was ich nicht habe? Sondern: Was kann ich davon lernen? Was zeigt es mir über meine eigenen Bedürfnisse?
Der Blick auf andere kann die eigene Perspektive und Selbsterkenntnis erweitern: Ich lerne eigene Schwächen und Stärken kennen und den Wert der Unterschiedlichkeit und Ergänzung. Es hilft, sich seiner Stärken bewusst zu werden und sich diese immer wieder vor Augen zu führen, um nicht aus einem Mangelempfinden Löcher zu stopfen mit Vergleichen, die unglücklich machen. Es ist auch sinnvoll, dankbar zu sein und Dankbarkeit zu fördern. Ein Dankbarkeitstagebuch kann zu mehr Zufriedenheit im eigenen Leben führen. Es richtet den Blick auf das, was bei uns gut läuft, und holt uns unsere eigenen Segnungen immer wieder ins Blickfeld. Schon der schottische Pfarrer George Herbert Morrison (1866-1928) wusste: «Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.» Und wer glücklich ist, wird wohl auch weniger Vergleiche anstellen und seltener zu anderen hinüberschielen – da schliesst sich der Kreis.
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