Ausbruch aus Drogen, Gewalt und Dunkelheit
«Ich war elf Jahre alt, als ich die Nachricht erhielt, die mein Leben für immer verändern sollte», erinnert sich Tanya Glessner an einen entscheidenden Abend. Sie war zu Besuch bei ihrer Grossmutter, als diese – betrunken und verbittert über die bevorstehende Scheidung von Tanyas Eltern – ihr eine schockierende Wahrheit offenbarte: Der Mann, den Tanya für ihren Vater hielt, war nicht ihr leiblicher Vater.
«Ich hatte das Gefühl, nirgendwo hinzugehören. Das Gefühl, unerwünscht zu sein, hat mich damals völlig vereinnahmt», erinnert sie sich. Die Scheidung brachte keine Ruhe in ihr Leben, sondern riss die Wunden noch tiefer. Ihre Mutter suchte sich weiterhin Partner mit Suchtproblemen und hoher Gewaltbereitschaft.
Da sich diese Aggressionen auch gegen Tanya richteten, entwickelte sie eine harte Schale und wurde selbst zur «Kämpferin», wie sie es nennt. «Ich wollte lieber das Monster sein als das Opfer.» Gewalt prägte ihren Alltag, bald flog sie von der Schule und musste ihre weitere Schullaufbahn in einer psychiatrischen Klinik beenden. Doch auch dort kam sie nicht zur Ruhe und haute ab.
Kreislauf aus Abhängigkeit und Missbrauch
Mit 16 Jahren verliess Tanya Glessner endgültig ihr Elternhaus und begann, sich durchzuschlagen. Sie wurde Mutter zweier Söhne und heiratete einen Mann, der sie an ihre eigenen schmerzhaften Erfahrungen erinnerte. «Er war ein Spiegelbild aller Männer, die ich je gekannt hatte: wild, gewalttätig, süchtig und untreu.»
Ihre Ehe wurde zu einem täglichen Kampf, bis sie sich schliesslich zur Scheidung entschloss. Doch ihre persönlichen Dämonen liessen sie nicht los. «Ich hielt mich über Wasser, bis alles an die Oberfläche kam und ich anfing zu zerbrechen», erzählt sie über ihre Abhängigkeit von Crystal Meth. Die Drogen griffen massiv in ihr Leben ein, sie verlor nicht nur ihren Job, sondern auch die Kontrolle über ihr Leben.
Ihre Welt versank in einem Chaos aus Drogen, Waffen und Gewalt. «Es war ein Abgrund, aus dem ich keinen Ausweg mehr sah», beschreibt sie diese dunkle Zeit. Schliesslich verletzte ein gewalttätiger Freund sie schwer, woraufhin sie die Vormundschaft für ihre Kinder vorsorglich ihrer Grossmutter übertrug. «Ich wusste, dass ich entweder im Gefängnis oder tot enden würde.»
Ein verzweifeltes Gebet
In einem Moment tiefster Verzweiflung, allein in einem fremden Haus, rief Tanya Glessner Gott an. «Ich kniete nieder und schrie zu Gott um Rettung», sagt sie, «ohne zu wissen, wie oder ob er antworten würde».
Nur wenige Wochen später fand sie sich nach einem gewalttätigen Zwischenfall in Untersuchungshaft wieder und sah sich mit einer drohenden Strafe von 21 Jahren konfrontiert.
«Im Gefängnis habe ich angefangen, mich zu verändern. Die Klarheit, die mit dem Entzug kam, brachte auch eine Welle der Reue mit sich», erzählt sie. Ihr Glaube vertiefte sich und sie fand Kraft im Bibelstudium. Sie erinnert sich an eine besonders bewegende Nacht, in der sie betete, dass ihre Feindin, die Opfer ihres Angriffs geworden war, ihr vergeben möge. Am nächsten Tag schien ihr Gebet erhört zu werden, als sie vor die Wahl gestellt wurde, mit ihrer ehemaligen Gegnerin unter einem Dach zu leben. «Es war Gottes Hand, die mir diese Möglichkeit gab», sagt Tanya. Die beiden Frauen versöhnten sich und entdeckten gemeinsam die Bibel. «Wir markierten unsere Lieblingsverse in den Bibeln der anderen und ich schaue diese Seiten immer wieder an», erinnert sich Tanya.
Funken der Hoffnung
Nach sieben Jahren im Gefängnis, die sie nutzte, um sich ihrer Berufung zu widmen, wurde Tanya 2020 entlassen. Sie heiratete ihren Jugendfreund und stellte sich der Herausforderung, für ihre Stiefkinder da zu sein. Aber nicht nur ihre eigene Familie lag ihr am Herzen.
Sie wurde Präsidentin der «Fort Scott Salvation Army» und von «Compassionate Ministries» und widmete sich dem Kampf gegen Sucht und psychische Probleme. «Ich glaube fest daran, dass viele Süchte ihre Wurzeln in der psychischen Gesundheit haben», sagt Tanya. Ihr Ziel: die Stigmatisierung abzubauen, die Menschen davon abhält, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die unerschütterliche Kraft des Gebets
Heute ist Tanya Glessner für viele eine leuchtende Inspiration. «Gott benutzt meinen Schmerz, um anderen eine Zukunft zu geben», reflektiert sie und bezeugt damit die Kraft des Glaubens. «Wenn Gott jemanden aus der Dunkelheit zieht, dann hält man sich mit einer Hand an ihm fest und zieht mit der anderen jemanden mit sich.»
Das Gebet ist für Tanya eine Lebensader: «Mein Gebet war der Anker inmitten des Chaos im Gefängnis. Es war meine Verbindung zu Gott und gab mir ein Gefühl der Sicherheit, das ich sonst nicht hätte haben können».
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