Perlen suchen, Liebe schenken, Begabungen einsetzen
«Es kann nicht sein, dass Menschen wegen ihrer Drogensucht vor unserer Tür sterben – wir müssen aktiv werden», erklärt Marcel Spiess. Aus dieser Überlegung heraus sei 1990 die Quellenhofstiftung entstanden. Die Palette an Angeboten wie Therapie, Arbeit, Wohnen und mehr seien gewachsen aus den Bedürfnissen, die sich quer durch die Generationen zeigten. Er stellt fest: «Das macht unsere Arbeit herausfordernd und komplex, die Vielschichtigkeit ist aber auch spannend.»
Leuchtturmgeschichte motiviert
Als Joe Lehmann vor sieben Jahren seine Arbeit aufnahm, arbeitete er zunächst bei der Suchttherapie mit. Eine junge Frau, die er damals in desolatem Zustand kennenlernte, überwand ihre Medikamentenabhängigkeit, absolvierte eine EFZ-Ausbildung, konnte eine eigene Wohnung beziehen und hat nun eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt. «So eine Leuchtturmgeschichte ist grossartig», erklärt er. «Leider funktionieren nicht alle so, aber es motiviert uns sehr, wenn wir erleben: Es passiert etwas.»
Manchmal gelte einfach, Menschen barmherzig und mit Liebe zu begegnen. Marcel Spiess hat es unzählige Male erlebt, dass mit der Zeit ein heilsamer Kontakt zwischen Menschen und Gott entstanden ist. Ankommen können, wertgeschätzt werden – das tue allen gut.
Volle Kraft voraus
Die GvC-Gemeinde in Winterthur ist eng mit der Quellenhofstiftung unterwegs. So sei es möglich, im realen Leben Beziehungen zu leben. Vor etwa fünf Jahren wurde die Stiftung stark dafür kritisiert, dass sie auf der Grundlage des christlichen Glaubens arbeite. Nach eingehender Prüfung beschloss die Geschäftsleitung: «Angriff ist die beste Verteidigung – mit voller Kraft voraus»: Die könne und wolle die christlichen Wurzeln und Ausrichtung nicht verleugnen. Weiterhin stehe sie klar zum Glauben. Leemann stellt klar: «Das ist unsere DNA.» Inzwischen hätten sie durch professionelle Arbeit viel Gunst gewonnen, auch bei den Behörden. «Man muss mit Fingerspitzengefühl umgehen mit Menschen, die über Jahre bei uns leben, zum Beispiel wegen psychischer Beeinträchtigung», ergänzt Spiess. «Das Abhängigkeitsverhältnis muss uns bewusst bleiben.»
Einander hochheben
«Wenn man miteinander praktisch arbeitet, lernt man anders», ist Marcel Spiess überzeugt. «Es liegt eine riesige Chance darin, die von Gott geschenkten Gaben zu teilen.» So bringt er sein grafisches Talent ein beim Malen mit Menschen mit Abhängigkeitserkrankung. «Es gibt Leute, die haben eine enorme Begabung, sie ist im Moment einfach zugedeckt.» Als sie miteinander austauschten über den Ursprung von Abhängigkeit, entstand die Idee für das Bild, das in die «Ferien am Meer» der GvC mitgenommen wurde, in deren Kontext auch der Livenet-Talk gefilmt wurde. Es zeigt einen Mann, der einem anderen mit seinem Bein und den Händen eine «Räuberleiter» bietet. «Genau das macht Gott für jeden Menschen – er bietet seine Hilfe an», erklärt Spiess. In Gemeinschaftsarbeit ist das Bild auf dem Sulzerareal, der Nachbarschaft der Quellenhofstiftung, auf eine Hausfassade übertragen worden.
Jemandem zu helfen, etwas zu überwinden oder ihn weiterzubringen drücke Liebe aus. «In jedem Menschen stecken Ressourcen, ob sichtbar oder nicht», ist Joe Leemann überzeugt. «Unsere Gesellschaft würde nicht funktionieren, wenn nicht jede Person etwas einbringen würde.» Als Schweizer seien wir da zurückhaltend. Doch in der Stiftung werde bewusst nach Talenten gesucht. «Wenn wir sie dann entdecken, ist das sehr befriedigend», lächelt er.
Nicht die Schönen und Reichen
Gott zeige Grösse, indem er nicht einfach mit den Schönen und Reichen arbeite, sondern die einfachen Leute einsetze. «Die Berufung David zeigt das auf – er war bei seiner Berufung ein gewöhnlicher Schafhirte.» Alle seien bedürftig – wer andere Menschen betreue, müsse darauf achten, dass sein eigener Tank immer wieder aufgefüllt werde. So habe Stiftungsrat und Geschäftsleitung entschieden, das Angebot der Stiftung in den nächsten Jahren nicht noch mehr zu vergrössern. Sie wollten Prozesse verbessern, an der Digitalisierung arbeiten – hier seien sie am Anschlag. «Wir sind beide Typen, die gerne gegen aussen arbeiten – aber jetzt ist etwas anderes dran», hält Joe Leemann fest. «Wir wollen dann wieder parat sein, wenn die Gesellschaft etwas von uns braucht.»
Sehen Sie sich hier den Talk mit Marcel Spiess und Joe Leemann an:
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