Wiederherstellen statt Ausmustern
«Als Jugendlicher war ich Jungschar-Leiter», erzählt Michael Hodel. Während seiner Ausbildung zum Chemielaborant gehörte er zum Gründungsteam des GODI in Frauenfeld und leitete die überkirchliche Jugendarbeit zusammen mit seiner Frau von 1998 bis 2008 mit. Gleichzeitig studierten beide am IGW Theologie. Heute gehören vier Kinder zwischen 12 und 20 Jahren zur Familie.
Nach einigen Jahren und auch Herausforderungen im Dienst der Kirche spürte er, dass etwas Neues dran war. In dieser Zeit las er einen Artikel über Elektrogeräte-Recycling und erfuhr, dass der Rohstoff Kupfer problemlos wiederverwendbar ist. Der 47-Jährige weiss noch gut: «Wie ein Blitz kam mir der Gedanke, mit Randständigen hier einzusteigen, ihnen so Arbeit zu verschaffen. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich vorgehen sollte.»
Hinweis aus der Bibel
Im Gebet bat er Gott um Führung und stiess in seiner morgendlichen Bibellese auf die Stelle in der Bibel, wo das Volk Israel sein Kupfer in den Tempel bringt, um daraus Gefässe für den Gottesdienst herzustellen. 2006, während eines Seminars zur Laufbahnberatung von Campus für Christus, war der Platz neben ihm als einziger noch frei. Stefan Eggimann wurde so sein Sitznachbar und erzählte in der Mittagspause, dass er in einem halben Jahr sein BWS-Studium abschliessen würde und auf der Suche nach einem sinnvollen Einsatz seines beruflichen Wissens sei. Michael erzählte ihm von seiner Idee für eine soziale Unternehmung und fragte, ob das etwas für ihn sein könnte? Stefan war interessiert und meinte: «Wichtige Entscheide sollte man innerhalb von 72 Stunden fällen – ich gebe dir bis dann Bescheid.» Schon vor Ablauf dieser Frist sagte Stefan zu. Er konnte drei seiner Kommilitonen gewinnen, als Bachelorarbeit gemeinsam einen Businessplan dafür zu erstellen. Eine Win-Win-Situation für alle.
Vielfältige Arbeiten für Kunden
Schnell wurde klar, dass kein Bedarf nach einer weiteren Recyclingfirma bestand. Die neu gegründete Sozialfirma begann mit einfachen Arbeiten in und ums Haus, wie Umzüge, Garten- und Bau-Hilfsarbeiten. Es folgte eine Werkstatt zur Renovation von Holzfensterläden und ein Kleider-Secondhand-Shop mit Wäscherei. Später entstand Karep, eine Firma, wo Kaffeemaschinen durchgecheckt und entweder geflickt oder als Ersatzteillager für andere genutzt werden. Es entstand ein neuer Standort in Weinfelden, und in Wängi konnte ein Brocki übernommen werden. So unterhält die Stiftung unterdessen drei Brockis und seit Oktober 2023 auch ein eigenes Restaurant.
Erste Lehrstelle geschaffen
Überall sind so Arbeitsplätze entstanden, wo Menschen integriert werden können, die im ersten Arbeitsmarkt nichts finden. Ein unbegleiteter Jugendlicher aus Eritrea ist der erste, für den letztes Jahr eine EBA-Lehrstelle geschaffen wurde. «Er wird gut begleitet, und es sieht so aus, als könnte er anschliessend auch den EFZ-Abschluss anstreben», freut sich Michael Hodel. «Schwächere einzubeziehen gehört zu unserer DNA», hält der Unternehmer fest. Jesu Gebot der Nächstenliebe werde praktisch umgesetzt: «Wir missionieren niemanden, aber im persönlichen Gespräch teilen wir Erlebnisse aus unserem Glaubensleben.»
Nächstenliebe
Ziel des Wetterbaums ist, Menschen einen sicheren Ort anzubieten, wo sie fürs selbständige Leben und Arbeiten trainiert werden. Wer jahrelang keine Tagesstruktur mehr erlebt habe, brauche kleine Schritte, um ins Erwerbsleben zurück zu finden. Daher bietet die Stiftung Arbeitstraining für ausgesteuerte Arbeitnehmende, Sozialhilfebezüger oder Jugendliche ohne berufliche Grundlage. «Sie lernen bei uns Dinge wie pünktlich und regelmässig zu erscheinen, sauber und konzentriert zu arbeiten, freundlich und zuverlässig zu sein.» Immer wieder erwähnten Kunden und Mitarbeitende, es herrsche ein gutes Klima im Unternehmen, die gegenseitige Wertschätzung sei spürbar.
Nahrung für Körper und Seele
Die Mitarbeitenden werden in den verschiedenen Arbeitsbereichen gefördert und lernen Neues dazu. Nach einiger Zeit werden Angestellte mit Potential für eine Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt von einem Job-Coach auf den Wiedereinstieg vorbereitet. 20 bis 25 Prozent von ihnen schaffen es, eine sehr gute Quote. Einer davon ist ein schon etwas älterer Mann. Seit zehn Jahren fährt er mit auf dem Kehrichtsammelauto. «Jedes Mal, wenn sie hier vorbeikommen, winken wir einander», schmunzelt Michael Hodel. Solche Begegnungen bestätigen ihm, dass sich der Einsatz seines Teams lohnt.
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