Wenn Wunden Wunder wirken

Durch Reibung entsteht in einer Muschel eine Perle
Kein Mensch geht ohne Verletzungen durchs Leben, auch wenn die Gesellschaft versucht, sie zu vermeiden. Wenig bekannt ist, dass die Schmerzen unseres Lebens oft für unsere grössten Talente verantwortlich sind. Fachleute bestätigen dies.

Man hat sie nicht gern, die Wunden im Leben. Wer hat nicht als Kind unter etwas gelitten, sei es unter einem überstrengen Vater oder unter ständigen Hänseleien oder sogar Prügeleien in der Schule? Solche Erlebnisse fügen uns Wunden zu und hinterlassen Narben. Viele Menschen schauen mit Bitterkeit auf solche Erfahrungen zurück (und oft kommen im Laufe des Lebens noch schlimmere dazu).

Es gibt aber auch eine ganz andere Art, Schmerzen und Wunden anzusehen. Sehr oft sind die Verletzungen unseres Lebens der Grund, dass unsere Gaben und Talente entstanden sind. Ein Leben, in dem alles glatt geht, bleibt flach. Aber wo wir verletzt werden, entwickeln wir Widerstandskräfte, die oft zu unseren grössten Talenten werden.

Fachleute aus Psychologie und Seelsorge bestätigen diesen Zusammenhang. So sprach der Seelsorger und Pfarrer Geri Keller – nicht zuletzt im Blick auf sein eigenes Leben – schon vor Jahren von «Autorität aus Wunden», und ein deutscher «Talentcoach» hält fest: «Unser Kerntalent ist untrennbar mit einer Verletzung verbunden.»

Ohne Sandkorn keine Perle

In der Natur lässt sich das sehr schön am Beispiel der Perle erkennen: Wenn ein Fremdkörper – beispielsweise ein Sandkorn – in das Innere einer Perlmuschel gelangt, dann wird diese aktiv. Weil die Muschel ein sehr weiches, verletzliches Innenleben hat, empfindet sie diesen Fremdkörper als Schmerz. Es können auch Parasiten oder andere Faktoren sein, die der Muschel wehtun. Um sich vor diesem Schmerz zu schützen, legt sie nun Schicht für Schicht von ihrem Perlmutt um das störende Element – so lange, bis eine kostbare Perle entstanden ist.

Das Beispiel Beethoven

Es ist bei vielen Künstlern so, dass die Schmerzen des Lebens ein besonderes Talent herausbilden. Nehmen wir Ludwig van Beethoven: Sein ehrgeiziger Vater wollte aus ihm ein Wunderkind machen, und schon der Vierjährige musste auf einem Stuhl stehend Klavier spielen. Oft wurde er nachts vom betrunken heimkommenden Vater zum Klavierüben aus dem Schlaf gezerrt. Der Vater trieb die Familie in den Ruin, und der zwölfjährige Ludwig musste bereits mitverdienen. Als er 17 war, musste er eine Reise zu Mozart nach Wien nach kurzer Zeit abbrechen, weil seine Mutter todkrank war. Zur Trauer über ihren Tod und die verpasste Chance in Wien kam die Last, dass er jetzt gänzlich für die Familie sorgen musste. Später brachte ihn – neben vielen Streitigkeiten im Leben – eine früh einsetzende Taubheit fast an den Rand des Wahnsinns. Beethoven war ein Rebell und seine Musik ist unsterblich.

Verfolgung bringt nicht weniger, sondern mehr Glauben

In dieses paradoxe Bild passt auch die Beobachtung, dass der christliche Glaube unter Druck oft zu ungeahnter Kraft wird. «Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche» ist ein bekanntes Prinzip aus der christlichen Kirchengeschichte. Schon Paulus war der grösste Evangelist seiner Zeit – nicht obwohl, sondern gerade weil er immer wieder brutalen Widerstand erlebte, bis hin zur Steinigung. Christen, die in Afrika und Asien wegen ihres Glaubens zum Teil massive Angriffe erfahren, bestätigen es heute sehr aktuell: «Als es uns ans Leben ging, wurde es uns erst bewusst, was für eine Kraft im Evangelium liegt.» Wenn man nichts mehr zu verlieren hat als das Leben, bekommt der Glaube eine ungeahnte Kraft. Das Lebenszeugnis solcher Christen zieht Kreise und spricht viele an, die nach Wahrheit und wirklichem Sinn suchen. 

Jesus: Kernkompetenz durch Tod

Schliesslich ist es auch bei Jesus so: Seine zentrale «Kompetenz» ist nach der Bibel die Erlösung der Menschheit. Er kam nicht, um uns moralisch zu verbessern, sondern zu erlösen. Sein Ziel war es nicht, die Welt zu verwöhnen, sondern sie zu versöhnen.

Aber das ging nicht auf billige Art und Weise, sondern kostete ihn das Leben. Jesus wurden Wunden geschlagen, damit wir heil werden (vgl. Die Bibel, Jesaja, Kapitel 53, Verse 3-6). An seinem Kreuz und in seiner Auferstehung besiegte er die Zentralfeinde der Menschheit: die Sünde und den Tod (die in einer inneren Logik zusammenhängen). Das bedeutet für uns: Wer im Glauben sein Vertrauen auf Jesus setzt, wird erlöst. Garantiert. Wenn es um Schuld und Verletzungen geht, ist Jesus die richtige Adresse. «Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt», sagte Johannes der Täufer von ihm, und Jesaja hält fest: «Durch seine Wunden wurden wir heil».

Gerade weil Jesus nicht nur ein Lehrer war, der ein paar Weisheiten von sich gab, sondern sein Leben für die Erlösung der Welt liess, ist er einzigartig und glaub-würdig. Seine Autorität kommt aus seinen Wunden, seinem Tod und seiner Auferstehung. Weniger ging nicht – aber darum kann man ihm vertrauen. Im Leben und im Sterben.

Dieser Artikel ist eine Neuauflage. Er erschien bereits im Januar 2016 bei Jesus.ch.

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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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