«Christen sind Hoffnungs-Menschen»

Journalist und Pfarrer Steffen Kern
Steffen Kern ist Pfarrer und Journalist. Mit dem Himmel im Herzen lasse sich die Welt verändern, ist er überzeugt. Er nennt in seinem Buch «Hoffnungsmensch» und dem gleichnamigen Podcast konkrete Beispiele auf dem Weg dahin.

«Es war eines der grössten Wunder, die ich jemals erlebt habe», erinnert sich Steffen Kern. Er meint damit den Geburtstag seiner Zwillinge. «An diesem Tag reichten sich Glück und Panik die Hand.» Während sich die kleine Tochter gut von der Geburt erholte, sackte bei ihrem Bruder innert Minuten der Blutzucker ab. Eine Vene zu finden, um Glukoselösung zu spritzen, war fast unmöglich. Die Notärztin muss mehrere Versuche unternehmen – der Vater schaut zu, bangend, hoffend, innerlich zu Gott schreiend. «Heute ist der Junge 18 Jahre alt, Sportler, alles ist prima», stellt er klar. «Wir brauchen eine Perspektive, einen Halt über das hinaus, was geschieht» – das hat Steffen Kern damals selbst erlebt.

Sorge um die Kinder

«Wir stecken in multiplen Krisen – Krieg in Europa, Inflation, wie geht es politisch und wirtschaftlich weiter?», beschreibt der Theologe die Fragen vieler. Er zitiert den Soziologen Hartmut Rosa: «Eltern haben gerade nicht mehr das Gefühl, 'unsere Kinder werden es besser haben als wir'. Heute plagt sie die Sorge, dass es den Kindern zukünftig nicht schlechter geht.» Damit dominiere die Angst, der Grundoptimismus, das Beflügelnde fehle, so Kern. Das präge das Klima in Familien, Nachbarschaften, Wirtschaft und Politik. «Angst ist ein schlechter Ratgeber, mit ihr lässt sich manipulieren», mahnt er. Sie rufe Scharlatane auf den Plan, die falsche Versprechen machten.

Begründete Zuversicht

Das Gegenteil sei Hoffnung. Sie vermittle Ruhe, Besonnenheit und eine begründete Zuversicht. Zweckoptimismus reiche jedoch nicht. Unbegründete Hoffnung sei schwach. Er stellt fest: «Vom christlichen Glauben her gibt es eine begründete Hoffnung, die nicht nur auf den Himmel verweist.» Das auch, aber mit dem Himmel im Herzen könne die Welt verändert werden. «Wir haben als Christen Hoffnung, die über diese Welt hinaus geht. Das hat eine Wirkung in diese Welt und in unser Leben hinein!»

Die Volkskirche verschwindet…

Der Theologe beobachtet, dass sich die Volkskirche, wie man sie bisher kannte, ihrem Ende nähert. «Die Privilegien, der Einfluss, den wir hatten, hört auf. Wir werden zu Minderheiten.» Damit gehe auch die Ausstrahlungskraft der Kirchen verloren. Es gebe immer weniger junge Menschen, die sich als Leiter in Kirchen engagierten. Aber Jesus wolle, dass Christen hineinwirken in die Welt.

Steffen Kern erinnert an den ersten Ostermorgen. Niedergeschlagen hatten sich die Jünger eingeschlossen. Der Auferstandene musste durch die Mauer zu ihnen kommen, um sie aufzufordern: «Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich euch.» Aus dieser Begegnung mit dem Auferstandenen sei eine Hoffnungsgemeinschaft entstanden, die sich in Windeseile im ganzen Mittelmeerraum ausbreitete.

Haus der Hoffnung in Stuttgart

Ein Beispiel dafür, dass deren Wirkung anhält, ist das «Haus der Hoffnung» in Stuttgart. «Die Stadt ist eine Drehscheibe für Prostitution», hält er fest. Jeden Tag würden hier Frauen ausgebeutet, viele davon aus Osteuropa. «Da ist Gewalt, da sind Abhängigkeiten, menschliche Abgründe, entstehen schreckliche Biografien.» Nun gibt es für diese Frauen ein Haus, wo sie reden können, wo ihnen zugehört wird, wo man miteinander Tee trinkt und für sie betet. Es werde nicht alles gut, wenn Christen wie Wilbirg Rossrucker da sind und beten. «Aber die Frauen erleben so ein Stück Reich Gottes, wo sie einfach sein können, nicht verzweckt werden.» Steffen Kern bewundert Rossrucker dafür, dass sie als Leiterin des Hauses ihr Leben für missbrauchte Frauen einsetzt.

«Die Geschichte der Kirche ist nicht einfach zu Ende», stellt Kern klar. Gott fange immer wieder neu an. «Und für diesen Neuanfang haben wir viel mehr als nichts!», ermutigt er. So hat er in seinem Podcast Kira Geiss interviewt. Sie hat als Miss Germany den Female Leader Award gewonnen. Damit werden Frauen ausgezeichnet, die sich gesellschaftlich engagieren. «Kira Geiss hat beim Aufbau einer Gemeinde in Magdeburg mitgewirkt – sie ist eine Miss Germany mit Mission.»

Das rote Seil – der rote Faden

«Was wir hoffen, bestimmt immer auch unser Handeln», sagt Steffen Kern. Das rote Seil auf dem Cover ziehe sich durchs ganze Buch. Es symbolisiert für den Autor eine Richtung und damit auch Hoffnung. Im Hebräischen bedeute das Wort Hoffnung «ein Seil spannen». Wenn man ein Gartenbeet anlegen oder eine Mauer bauen wolle, spanne man ein Seil. «Das eine Ende des Seils ist hier bei mir, das andere Ende bei Gott, bei seinem Versprechen.» Seine Verheissung gehe über diese Welt hinaus – er bringe uns ans Ziel. «Jesus ist Herr über die Geschichte – nicht nur über die Vergangenheit, sondern auch über die Zukunft und über mein Heute», ist Steffen Kern überzeugt. «Die Welt geht nicht vor die Hunde – Gott hat ein Ziel für sie. Also lasst uns zuversichtlich vorangehen!»

Immerdar

Am Sterbebett seiner Grosstante erlebte Kern, was Hoffnung über den Tod hinaus bedeutet. Er betete mit ihr den 23. Psalm, langsam, deutlich, damit sie den Inhalt erfassen konnte. Sie hörte zu, bis zum letzten Satz. Als er zitierte: «…und ich werde bleiben im Hause des Herrn...» sagte sie leise, aber deutlich: «…immerdar.» Damit drückte sie aus, dass sie von Herzen darauf vertraut, im Haus des Herrn zu bleiben – für immer. Für ihren Grossneffen war dies ein berührendes Zeugnis, das seine Hoffnung stärkt.

Sehen Sie sich den Livenet-Talk mit Steffen Kern an:
 

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Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

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