Was mich eine Ballonfahrt lehrte
Vor einigen Monaten konnte ich mir einen langehegten Wunsch erfüllen: Es war eine Ballonfahrt mit einer Gruppe. Für uns ging es hoch hinauf in die nepalesischen Berge. Das sehr frühe Aufstehen hatte sich gelohnt: Was für ein Blick und diese Weite! Die Sonne stieg langsam über die Gebirge und der Nebel legte sich. Es war ein einzigartiges Dahinschweben. Das Einzige, was zu hören war, war das Feuer, das den Ballon oben hielt. Zu gern denke ich an diese Fahrt zurück.
Wenn der «Gemeindekorb» nach unten zieht…
Wie klingt da die Frage: Was ist eigentlich Ballast in meinem Alltag? – Was macht die Arbeit in unserer Gemeinde so herausfordernd und zieht den «Gemeinde»-Korb nach unten? Sind es Diskussionen in der Gemeindeleitung über schrumpfende Zahlen mit einem Blick auf die Mitgliederliste unserer Gemeinde? Oder altbekannte Formate in unseren Gemeindeangeboten, die keinen Zuspruch bei den jungen Menschen findet? Oder Aufgaben, die dringend erledigt werden müssten, sich aber niemand mehr findet, der eine Aufgabe übernehmen möchte?
Bei unserer morgendlichen Ballonfahrt – mit einem wunderbaren Blick auf den Himalaya und den Phewa-See – haben wir, als wir zu sinken begannen, darüber gesprochen, dass die Schweren als erstes aussteigen. Kein sehr ermutigender Gedanke, da die grösseren Menschen zu Beginn noch sehr wichtig waren, um den Ballon vor dem Aufsteigen zu sichern, damit alle Passagiere einsteigen können. Als Betroffener wusste ich mich argumentativ zu wehren und konnte meine Fahrt fortsetzen.
Im Ballon kam mir Jesaja Kapitel 43, Verse 18-19 in den Sinn. Dieser Abschnitt richtet sich an das Volk Israel in Babylonischer Gefangenschaft, stellt mir beim Lesen zunächst die Befreiung des Volkes aus der ägyptischen Sklaverei vor Augen, zeigt die Verbundenheit zwischen Gottesvolk und Gott. Es ist ein Gott, der nicht loslässt, sondern auch in schweren Zeiten trägt und mich festhält. Doch der Vers geht noch weiter: «[…] denkt nicht mehr an das, was früher geschah.» (V.18) – Hier geht es einen Schritt weiter und der Blick wird nach vorn gerichtet. Es wird eine Neuschöpfung Israels beschrieben, das durch die Wüste hindurch nach Jerusalem geführt wird.
Abwerfen ist schwer
Aber wenn ich ehrlich bin, was wäre unsere Gemeinde ohne unsere Vergangenheit, ohne Erinnerungen: an Menschen, die sich taufen liessen oder den Teenkreis, der bis vor wenigen Monaten noch so gut funktionierte. Die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich in die Gemeindeangebote eingebracht haben. Wie ist es da möglich, Ballast abzuwerfen und nach vorn zu blicken?
Ich muss widersprechen. Möglicherweise ist ein Rückblick hilfreich, auch wenn es dem Propheten Jesaja widerspricht. Ich wünsche meiner Gemeinde, dass wir ein dankbares Herz haben für die Dinge, die zurückliegend wichtig waren, die den Ballon stabilisiert haben, die mal kein Ballast waren, sondern unheimlich wichtig. – Und zugleich, dass wir um ein Herz der Gnade und Barmherzigkeit bitten, da gelegentlich Ballast abgeworfen werden muss – auch wenn es schmerzlich ist. Wenn Kreise geschlossen werden müssen oder Gemeinden zusammengelegt werden. Dennoch gilt es, Ballast abzuwerfen, damit die Gemeinde weiter vorankommt und nicht stehen bleibt. Und ich wünsche meiner Gemeinde und auch mir den Blick nach vorn! Es ist ein zuversichtlich-nach-vorn-gerichteter Blick, der darauf vertraut, was das Volk Israel erleben durfte, nämlich einen Gott, der sehr gut führt, und das bedeutet für sie, dass er sie aus der Gefangenschaft in Babylon führte. Auch dazu ist Gott noch heute in der Lage, selbst wenn wir selbst versuchen, den sinkenden Ballon zu retten und es nur wenig gelingen mag.
Mit Gott dahingleiten
Gott kann wieder Aufwind geben und den Ballon wieder ein Stück weitertragen. So habe ich es im Korb erleben dürfen. Was mein Beitrag dazu ist? Mich kurz schweben zu lassen und zugleich darüber nachzudenken, wo ich ganz persönlich oder wir als Gemeinde Ballast abwerfen dürfen und zugleich gemeinsam mit Gott zuversichtlich nach vorne blicken darf? Daher: Geniesse die Aussicht und lass dich einfach mal dahingleiten.
Zum Autor:
Ulrich Mang ist Referent für Sozial-Missionarische Arbeit beim Deutschen EC-Verband.
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