«Eine weltoffene Berner Pfarrerin»

Claudia Haslebacher
Sie ist sowohl in der landes- als auch in der freikirchlichen Szene daheim, leitet eine kleine Kirche, begleitet Menschen bis zum Sterbebett und findet, dass «frau» nicht alles predigen muss, was sie sonst noch glaubt.

Claudia Haslebacher ist (noch) Mitglied im Rat der Ev.-Ref. Kirche Schweiz; gleichzeitig war sie zehn Jahre in der Leiterkonferenz Freikirchen.ch. Sie ist 60 Prozent-Pfarrerin der EmK Oberemmental, führt aber auch freie Zeremonien an Lebensübergängen durch und wohnt in Laupen BE – ein «spannender Strauss von Engagements», findet Flo Wüthrich.

Welt- und menschenoffen

Eine Freundin beschrieb sie einmal mit «Weltoffene Berner Pfarrerin» – was natürlich die Frage nahelegt: «Warum ist 'weltoffen' so etwas Besonderes für eine Pfarrerin?» Claudia Haslebacher ist an vielen Themen interessiert – mehr, als sie z.B. in ihrer kleinen Gemeinde von vorwiegend älteren Christen unterbringen kann. Sie ist denn auch vor allem «menschenoffen» und geht – nach den Worten von Jesus – immer wieder eine Extrameile mit ihnen: «Ich bin gerne mit Menschen unterwegs – punktuell oder für längere Zeit; Menschen brauchen Ansprechpersonen, die Zeit haben und sie ernst nehmen – was nicht heisst, zu allem Ja zu sagen.»

Claudia Haslebacher feiert und trauert mit Menschen. «Auch die Trauer muss man ernst nehmen», findet sie: «Trauer ist kein Problem, sondern ein Teil der Lösung. Sie ist ein Geschenk von Gott, schwierige Situationen zu bewältigen.»

Jesus und eine kleine Gemeinde

«Jesus ist Gottes personifizierte Extrameile», formuliert Flo Wüthrich und fragt: «Wie kann man das Staunen über Jesus in einer kleinen Gemeinde von vorwiegend älteren Christen wachhalten?» Haslebacher ist sich da sicher: «Jesus würde nicht sagen: 'Ihr seid halt alt, habt keine Band und keinen Worship, macht am besten zu', sondern Jesus würde sich da mitten rein geben.» Sie findet: «Es ist eine tolle christliche Gemeinschaft, die auch im Alltag funktioniert. Es gibt Gemeinden, wo das total fehlt – was nutzt eine tolle Band am Sonntag, wenn die Leute im Alltag allein sind?»

Privat, Gemeinde, Öffentlichkeit

Wie sehr darf und soll eine Pfarrerin politisch Stellung nehmen? «Es gibt kein allgemeines 'Dürfen'», findet Claudia Haslebacher. Dennoch macht sie es als Pfarrerin sehr selten – «wenn, dann will ich lieber mit den Leuten reden, nicht von der Kanzel aus. Auch wenn ich in vielen Fragen eine dezidierte Meinung habe, will ich nicht die Gemeinde von meiner Theologie überzeugen, sondern mit ihnen den Weg gehen, wo sie jetzt dran sind.» Ausserdem muss man bestimmte Fragen nicht künstlich aufblasen: «Wenn etwas in meiner Gemeinde kein Thema ist, warum soll ich es thematisieren?»

In öffentlichen Gremien ist sie in einer anderen Rolle, da muss man Stellung nehmen. Hier hat sie klare Überzeugungen, sei es zum Thema Konversionstherapie («Den Leuten helfen, ihre Identität zu finden»), assistierter Suizid («schwierig, gewisse Dinge über ein Gesetz regeln, dann muss es ja für alle gelten») oder Marsch fürs Leben («wenn ich da teilnehmen würde, hätte ich keine seelsorgerliche Freiheit mehr für alle Frauen»). 

Ins Brückenbauen reingewachsen

Von Flo Wüthrich darauf angesprochen, hat Claudia Haslebacher die Brückenbauer-Funktion, die sie zwischen Landes- und Freikirchen ausübt, nicht gesucht. «Das hat sich eher ergeben. Von Haus aus bin ich an vielen Themen interessiert; ich bin in der EMK gross geworden, da gehöre ich rein. Die EMK versteht sich in der Schweiz ja als Brückenfunktion – das passt gut zu meiner Persönlichkeit.»

Jetzt ist Claudia Haslebacher in einer Phase des «Loslassens» – nach ihrem Engagement im Freikichen-Verband verlässt sie auch die Leitungsaufgabe der Ref. Kirche. Sie sieht sich familiär mehr gefordert und kam zur Entscheidung: «Wenn raus aus den Gremien, dann lieber schnell.» Das sei keine grundsätzliche Absage für die Zukunft, aber: «Das Leben stellt halt immer wieder verschiedene Weichen.»

Sehen Sie sich den Talk mit Claudia Haslebacher an:
 

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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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