Tipps für Gottesdienst-Formen der Hinwendung zu Gott
Was tun Menschen, wenn Christus ihnen im Evangelium erstmalig begegnet? Im Neuen Testament wird teilweise von heftigen Reaktionen berichtet: Nach der Bergpredigt sind die Menschen entsetzt (Matthäus Kapitel 7, Vers 28). Im Anschluss an die Pfingstpredigt des Petrus lassen sich viele Zuhörende taufen (Apostelgeschichte Kapitel 2, Vers 47). Und in der Korinther Gemeinde fallen sie auf den Boden und beten Gott an (1. Korinther Kapitel 14, Vers 25).
Es wird aber auch von bedächtigen Antworten berichtet: So sucht Nikodemus das nächtliche Gespräch mit Jesus (Johannes Kapitel 3, Vers 2). In Antiochia werden die Apostel gebeten, doch bald wiederzukommen (Apostelgeschichte Kapitel 13, Vers 42). Und in Beröa wird die Bibel intensiv gelesen (Apostelgeschichte Kapitel 17, Vers 11).
Man spürt: Es gibt keine gleichförmige Resonanz auf das Evangelium. Die Menschen reagieren so unterschiedlich, wie Zeit und Persönlichkeit nun einmal so sind.
Antworten auf das Evangelium
Auch in unseren Gemeinden rechnen wir damit, dass Christus den Menschen begegnet und er sie bekehrt. Dennoch ist etwas im Vergleich mit den biblischen Zeiten offensichtlich. Während im Neuen Testament die Bandbreite der Entgegnungen enorm weit ist, fällt sie in vielen Freien evangelischen Gemeinden heute eher eng aus.
So hat sich als Reaktionsmuster schlechthin in vielen Gemeinden das Lied durchgesetzt. Sei es, dass ein einzelnes Lied als «Antwort auf die Predigt» gesungen wird oder eine Lobpreiszeit folgt. Das gesungene Gebet scheint für manche als die angemessenste Erwiderung empfunden zu werden. Und das ist keine neue Erfindung. Es findet sich bereits im Gottesdienst der ältesten Freien evangelischen Gemeinde in Wuppertal bei Heinrich Neviandt (1827–1901). Ganz im reformierten Sinne folgten nach der Predigt in aller Regel ein Lied, das Gebet und der Segen. Dagegen ist erstmal nichts einzuwenden, aber ist das nun alles? Im Neuen Testament wird das so nicht beschrieben.
Verschiedene Ansätze mit dem gleichen Grundsatz
Aber auch in der Vergangenheit unserer Gemeinden findet sich eine zweite Linie. Denn in der Gottesdienst-Geschichte der FeG finden sich neben Heinrich Neviandt auch Fredrik Franson (1852 –1908) und Carl Polnick (1858 –1919), die Gründer der Allianz-Mission. Die beiden waren von der Liturgie der sogenannten «revival tradition» geprägt. In den nordamerikanischen Erweckungsbewegungen trafen sich die Menschen oft in Camps. Man sang viel, hielt Predigten und rief abschliessend zur Umkehr auf. Diese Abfolge wurde dann in vielen nordamerikanischen Gemeinden heimisch.
Dementsprechend luden Polnick und Franson in Wuppertal und anderswo zu solchen öffentlichen Gottesdiensten ein. Dort konnte man nach dem Singen und der Predigt sogenannte «Nachversammlungen» aufsuchen, um mit Seelsorgern den Glauben zu bekennen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen auf der Hand: Neviandt vertraute darauf, dass Gottes Geist in den Gottesdienstbesuchern sein Werk tun wird – und sie sich dann ohne weitere Hilfe bekehren. Polnick und Franson rechneten ebenfalls mit Gottes Wirken – und gerade darum boten sie ein Format an, das die Menschen in ihrer Umkehr unterstützen sollte.
Die passende Form finden
Ich meine, dass beide Wege ihre Berechtigung haben. Wir sollten nicht vorschnell den einen Pfad gegen den anderen ausspielen, sondern beide beschreiten. Wir brauchen in unseren Gottesdiensten beides: Immer muss die Freiheit gewährleistet sein, auf das Gehörte so zu reagieren, wie es für die Person angemessen ist. Aber auch die Praxis von Hilfestellungen für erste Glaubensschritte sollte zur gottesdienstlichen Kultur gehören. Während nun die erste Variante als eingeführt und bekannt gelten darf, tun sich Gemeinden bei der zweiten Form manchmal etwas schwer. Einige Gedankenanstösse können hier helfen.
1. Gottesdienstliche Formen der Umkehr sind «konfirmierendes Handeln». Das bedeutet: Sie bestätigen die Hinwendung zu Gott, aber sie sind es nicht an sich. Diese Unterscheidung ist wichtig. Denn auch solche Gäste, die nicht das tun, wozu wir sie einladen, können eine Umkehr erleben. Und im umgekehrten Fall könnte sogar das angeleitete Tun eine Äusserlichkeit ohne inneres Erleben darstellen. Trotzdem sollten wir darauf nicht verzichten. Denn Menschen bestehen nun mal nicht nur aus Seelen, sondern besitzen ebenso einen Körper. Darum äussern viele auch gerne ihr inneres Erleben.
2. Gottesdienstliche Formen der Umkehr sollen helfen, nicht hindern. Daher ist es nicht sinnvoll, solche Formen anzubieten, die die Menschen schlichtweg überfordern. So wäre wohl ein Aufruf zur sofortigen Taufe in unseren Breitengraden derart ungewöhnlich, dass er auf viel Widerstand stiesse. Es wäre aber auch falsch, nur solche Formen anzubieten, die dem schier Erwartbaren entsprechen. Umkehrformen sollten aus der Komfortzone locken, sie dürfen aber nicht in Panik versetzen. So lädt man in der einen Gemeinde etwa ein, nach vorne zum Chorraum zu treten, um für sich beten zu lassen. In einem anderen Gottesdienst ist es üblich, miteinander aufzustehen und mittels eines vorformulierten Gebets den Glauben zu bekennen. Und wieder anderswo lädt man zum seelsorgerlichen Gespräch ein, sei es in einem ruhigen Raum oder zu einer anderen Zeit. In jedem Fall sollte die Form zur Gemeinde und ihren Gästen passen.
3. Gottesdienstliche Formen der Umkehr bedürfen der Einübung. Wenn eine Gemeinde nur gewöhnt ist, mit einem oder mehreren Liedern auf das Evangelium zu antworten, so wird sie sich möglicherweise schwertun, Formate der Umkehr von heute auf morgen einzuführen. Es ist darum günstig, auch «kleinere» Resonanzen nach der Predigt zu eröffnen. In manchen Gemeinden sind sie bereits üblich: etwa die Einladung zu einem Segensgebet, das Anzünden eines Lichts, das Anbringen eines handschriftlichen Gebets an einem Kreuz oder das Aufstehen beim Gebet.
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