Warten unter seinem Blick

Der Autor Andrew Murray zeigt auf, dass Wartezeiten auch etwas gutes haben.
Im Leben jedes Christen gibt es Zeiten des Wartens, auf Gottes Stimme, auf Antworten, auf Weisung. Doch Wartezeiten haben auch viel Gutes, wie der Autor Andrew Murray aufzeigte. Heute geht es darum, von unseren Wünschen weg zu Gott hin zu schauen.

Das Warten wird auch in den Psalmen immer wieder thematisiert, etwa im Psalm 33: «Ja, wirklich: Das Auge des Herrn ruht auf denen, die ihm mit Ehrfurcht begegnen, auf denen, die auf seine Güte hoffen. Er wird ihre Seele dem Tod entreissen und sie in der Hungersnot am Leben halten. Unsere Seele hofft auf den Herrn, unsere Hilfe und unser Schutzschild ist er. Denn über ihn freut sich unser Herz, ja, wir vertrauen auf seinen heiligen Namen. Möge deine Freundlichkeit über uns sein, da wir ja nach dir Ausschau halten!» (Psalm 33, Verse 18-22)

Das Besondere an diesem Bibelwort sind die beiden Blick-Vorgänge, die parallel stattfinden: Wir halten nach ihm Ausschau und er schaut uns an.

Gottes Auge ist auf sein Volk gerichtet. Und die Augen seines Volkes sind auf ihn gerichtet. Wenn wir auf Gott warten und zu ihm aufschauen, begegnet unser Auge dem seinen, denn er blickt auf uns. Das Glück des Wartens liegt darin, dass es unsere Augen und Gedanken von uns selbst und unseren Wünschen ablenkt. Stattdessen sind wir mit unserem Gott beschäftigt.

Gottesfurcht und Hoffnung

«Das Auge des Herrn ruht auf denen, die ihm mit Ehrfurcht begegnen, auf denen, die auf seine Güte hoffen.» Gottesfurcht und Hoffnung sind hier nebeneinandergestellt, obwohl wir beides eher als Gegensätze ansehen. Wenn wir aber Gott anbeten und seine Gegenwart erfahren, stehen Gottesfurcht und Hoffnung in Einklang Seite an Seite. Grund dafür ist das Wesen Gottes. In ihm sind auch andere Eigenschaften miteinander versöhnt, die wir als widersprüchlich empfinden: Gerechtigkeit und Friede, Gericht und Erbarmen, Heiligkeit und Liebe, unendliche Kraft und unendliche Sanftheit, eine alle Himmel überragende Majestät und eine sich tief herabneigende Erniedrigung. All diese Gegensätzlichkeiten begegnen einander in Gott.

Man muss zugestehen: Es gibt zwar eine Furcht vor Gott, die belastet und zur Qual werden kann. Solch eine Furcht wird durch die vollkommene Liebe ausgetrieben (1. Johannes Kapitel 4,Vers 18). Aber daneben gibt es eine andere Furcht, die man sogar im Himmel findet. Im sogenannten Lied des Mose und des Lammes heisst es: «Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen?» (Offenbarung Kapitel 15, Vers 4). Und von Gottes Thron kam die Stimme: «Gebt unserem Gott die Ehre, alle ihr, seine Diener, ihr, die ihn fürchtet, die Niedrigen und die Hohen» (Offenbarung Kapitel 19, Vers 5). Wir können also Gott fürchten und gleichzeitig loben. Wenn wir auf Gott warten, kann dies eine Zeit sein, die wir bewusst füllen, indem wir ihm Ehre geben – in Ehrfurcht und Lob. Dabei gilt es, von uns selbst wegzuschauen und überhaupt uns nicht in den Vordergrund zu bringen. Auch die Engel haben ihr Gesicht vor Gottes Thron ja verhüllt. Wir selbst haben keinen Grund zum Ruhm vor Gott. Je mehr wir dies erfassen, desto stärker steht uns Gottes Ruhm vor Augen und unser Herz füllt sich mit dem Wunsch, dass Gott sich zeigt.

Mit Hoffnung warten

Worauf hoffen wir? Nach Psalm 33 ist es seine Güte, auf die wir hoffen. Die Ehrfurcht vor Gott wird uns nicht den Blick dafür verstellen, dass er gütig ist. Ehrfurcht weckt vielmehr das Verständnis in uns, dass es allein auf Gottes Gnade ankommt. Und wenn wir uns auf diese Gnade fokussieren, kommt Gott uns so näher. Achten wir also darauf, dass unser Gebet hoffnungsvoll wird, jedes Mal, wenn wir auf Gott warten müssen. Die väterliche Freundlichkeit Gottes ist der Grund, dass wir vertrauensvoll auf seine Gnade hoffen dürfen – in welcher Verfassung auch immer wir zu ihm kommen.

Auf was für einen Gott warten wir?

«Das Auge des Herrn ruht auf denen, die ihm mit Ehrfurcht begegnen, auf denen, die auf seine Güte hoffen. Er wird ihre Seele dem Tod entreissen und sie in der Hungersnot am Leben halten» (Psalm Kapitel 33, Verse 18-19). Welche Erwartung an Gott stellt uns dieses Psalmwort vor Augen? Nicht, dass er Todesgefahr oder drohenden Hunger verhindern und uns davor bewahren würde. Gott mutet uns dies vielmehr zu, um uns Anlass zu geben, auf ihn zu warten. Dann kommt Gott und befreit uns von der Gefahr, in der wir waren, und erhält uns am Leben. Das bedeutet, dass wir zunächst durchaus in echte Gefahren und dunkle Momente kommen. Unsere Situation mag uns sogar hoffnungslos erscheinen (vgl. dazu auch 2. Korinther Kapitel 1, Verse 8-11). Ein Grund zur Hoffnung allerdings ist auch dann schon, in Kraft, während der Dunkelheit: «Das Auge des Herrn ruht auf denen, die ihm mit Ehrfurcht begegnen, auf denen, die auf seine Güte hoffen.» Wir sind von Gott gesehen, er hat uns fest im Blick.

Er sieht uns – und er sieht auch die Gefahr, die uns belastet. Vor allem aber gilt sein Blick uns; mit zärtlicher Liebe schaut er auf sein wartendes Kind, das vielleicht vor Angst zittert. Er erkennt den Augenblick, in dem unser Herz für den Segen, den er geben will, reif ist, und er sieht auch die Art und Weise, auf die dieser Segen eintreten soll.

Eine Hilfe beim Warten

Der Psalm spricht nicht von einzelnen Menschen, sondern von Gottes Volk: «Unsere Seele hofft auf den Herrn, unsere Hilfe und unser Schutzschild ist er.» Deshalb sollten wir es nicht nur uns selbst sagen, sondern uns einander gegenseitig zusprechen: Er ist unsere Hilfe und unser Schutzschild. Wenn wir in eine Wartezeit gestellt sind – oder uns bewusst dafür entschieden haben, auf Gott zu warten –, dann können wir uns dabei gegenseitig stärken und ermutigen. Als Folge kann nicht nur jeder von sich selbst, sondern wir können gegenseitig von uns sagen: Auf ihn haben wir gewartet, wir werden fröhlich sein und uns an seiner Rettung freuen.

Daraus folgt eine neue Bewertung der Zeiten, in denen wir warten. Das gilt für die Phasen, in denen wir unfreiwillig und notgedrungen warten, und ebenso für selbst gewählte Auszeiten. Neue Bewertung solcher Zeiten bedeutet: Wir ahnen, dass die Wartezeit einen Sinn hat und begrenzt ist – Gott weiss schon, wann er seine Hilfe mobilisieren möchte. In der Zwischenzeit können wir uns neu Gottes Charakter klar machen. Wir nehmen seine Güte nicht selbstverständlich, sondern begegnen ihr mit Ehrfurcht. Und wir erweisen ihm Ehre, indem wir ihm für seine Güte danken.

Wir können zudem planen, wann und mit wem wir Kontakt aufnehmen, damit wir uns in Wartezeiten gegenseitig stärken können.

Zur Mini-Serie:
Veränderung im Gebetsleben: Warten, dass Gott uns versorgt

Zum Thema:
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Autor: Andrew Murray
Quelle: Magazin Faszination Bibel 03/2024, SCM Bundes-Verlag

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