Bei Anklage macht er nicht mit

Jesus vergibt der Ehebrecherin
Es ist eine bedrückende Szene: Aufgebrachte Männer schleppen lautstark eine Frau auf den Platz. Dort soll jeder sehen und wissen, dass sie Ehebruch begangen hat. Noch an Ort und Stelle soll die Frau getötet werden.

Die Begebenheit wird von Johannes berichtet, einem Mitarbeiter und engen Freund von Jesus. Es wird erkennbar, dass die Männer sich auf der Seite des Glaubens und Gottes sehen, denn sie berufen sich auf die Gebote von Mose und setzen sich für eheliche Treue ein. Sie bitten Jesus dazu. Er soll ihr Urteil bestätigen. Dann wollen sie die Frau steinigen.

Jesus ist anders

Jesus aber hält sich aus dem Tumult heraus. Er sagt nichts und steht auch nicht empört vor der Frau. Jesus bückt sich, er geht wohl in die Hocke. Das lässt vermuten, dass die beschuldigte Frau – vielleicht verletzt, ganz sicher aber verängstigt – auf dem Boden sitzt oder liegt.

Jesus drückt mit seiner Körperhaltung aus, dass er sich nicht über die Frau erhebt. Er nimmt körperlich, aber auch in der Sache, eine andere Haltung ein als die Männer: Er klagt nicht an und er ruft auch nicht nach Strafe. Stattdessen sitzt er in der Hocke, sagt nichts und malt mit dem Finger im Sand, so als gehe ihn das Ganze nichts an.

Zweierlei Anklage

Als die aufgebrachten Männer drängen, dass Jesus sich äussern soll, sagt er: «Wer von euch noch nie gesündigt hat, soll den ersten Stein auf sie werfen!» (Die Bibel, Johannes-Evangelium, Kapitel 8). Es ist eine Forderung, die natürlich keiner erfüllen kann. Sie wollten von Jesus nur die Bestätigung zur öffentlichen Strafe. Und nun dies...

Dass Jesus nicht mitmachen würde, hatten sich die Männer schon gedacht. Sie ahnten, dass Jesus sich weniger hart zeigen würde und genau das wollten sie auch gegen ihn verwenden. Sie wollten nicht nur die Untreue der Frau, sondern auch die laxe Haltung von Jesus anklagen und brandmarken.

Tatsächlich aber sind die vermeintlich so frommen Männer mit ihrem Wunsch nach Anklage und Verurteilung dem Bösen viel näher als Gott: Obwohl sie doch fest davon ausgehen, dass sie in seinem Sinne handeln. In der Bibel wird sehr deutlich vermittelt, dass Satan, der Böse – salopp gesprochen – der Experte in Sachen Anklage ist. Beschuldigung ist sein Metier. Das ist sein «Geschäft», darin ist er unschlagbar. Und die Männer auf dem Platz tun es ihm gleich. Sie klagen die Frau an und fordern Strafe.

Ein Konflikt von viel grösserer Dimension

Es mag zunächst überzogen anmuten, aber hinter dem Konflikt zwischen den empörten Männern und Jesus steht ein Konflikt von viel grösserer Dimension: die Auseinandersetzung zwischen dem Ankläger Satan und Jesus, dem Sohn Gottes. Satan ist die personifizierte Anklage. Jesus dagegen steht für Annahme und Vergebung.

Johannes schreibt einige Zeit später über Jesus: «Nun hat Gott den Sieg errungen, er hat seine Stärke gezeigt und seine Herrschaft aufgerichtet! Alle Macht liegt in den Händen dessen, den er als König auserwählt und eingesetzt hat: Jesus Christus! Denn der Ankläger ist gestürzt, der unsere Brüder und Schwestern Tag und Nacht vor Gott beschuldigte.» (Buch der Offenbarung, Kapitel 12) Satans Zeit ist abgelaufen. Sein Werk der Anklage ist vorbei. Er wurde von Jesus am Kreuz besiegt.

Jesus nahm alles auf sich

Und dies ist auch eine zentrale Botschaft, die von der Feier des Todes und der Auferstehung von Jesus (von Ostern) ausgeht: Jesus hat alle Anklagen auf sich genommen. Er lässt nicht zu, dass Menschen, die zu ihm gehören wollen, von anderen beschuldigt, angeklagt und bestraft werden. Er hat alle Beschuldigung, Schuld und Strafe auf sich genommen.

Jesus macht gegenüber den selbstgerechten Männern deutlich, dass es keinem zusteht, andere anzuklagen oder zu verurteilen. Jesus selbst, der einzige, der nie gesündigt hat, der das Recht zur Anklage hätte, verzichtet darauf. Er sagt zu der Frau: «Ich verurteile dich nicht.» Damit zeigt sich Jesus aber gegenüber der Sünde keineswegs gleichgültig, denn er sagt auch zu der Frau, dass sie künftig nicht mehr sündigen soll.

Ein schmaler Grat

Tatsächlich geht, wer sich um ein Leben nach den Regeln Gottes bemüht, auf einem schmalen Grat: Eine entschiedene Haltung kann unmerklich dazu führen, dass der- oder diejenige hart und unbarmherzig wird gegen andere und auch gegen sich selbst. Es kann sogar sein, dass Menschen aus der Schwäche anderer Bestätigung und Kraft für sich selbst ziehen.

All das ist aber nicht im Sinne von Jesus. In seinem Reich hat Anklage keinen Platz. Warum Jesus in die Welt gekommen ist, beschreibt er so: «Der Menschensohn ist gekommen, Verlorene zu suchen und zu retten.»

Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Neuauflage. Er erschien bereits am 14.04.2017 bei Jesus.ch.

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Autor: Norbert Abt
Quelle: Jesus.ch

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