Klatsch und Tratsch und ich
Um es gleich vorweg klarzustellen: Alle tratschen. Alle, die es schaffen, den Mund zu öffnen, um etwas zu sagen, verletzen auch andere damit. Die einen tun es weniger, die anderen mehr, aber alle tun es. Gleichzeitig sind auch alle Menschen schon Opfer von Klatsch und Tratsch geworden, davon, dass andere grenzüberschreitend über sie geredet haben, ihre Fehler und Schwächen auf eine verletzende Art vor Dritten ausgebreitet haben.
Aber warum ist das so? Und muss es so bleiben? Schon in den Sprüchen Salomos heisst es: «Mit Verleumdung ist es wie mit leckerem Essen: man schluckt sie genüsslich hinunter und nimmt sie in sich auf.» Auf der anderen Seite bedeutet das: Wenn wir uns bewusst machen, warum wir Klatsch verbreiten oder ihn gern hören, ist das bereits ein erster Schritt, ihn zu vermeiden. Denn das, was das Hinterherreden zu versprechen scheint, hält es nie.
Klatsch macht mich (scheinbar) interessant
In einer Menschengruppe bin ich lieber akzeptiert, als dass ich am Rand stehe. Und wenn ich etwas beizusteuern habe, das alle interessiert, rücke ich automatisch weiter in den Mittelpunkt. Klatsch ist hier ein guter Einstieg – die meisten hören gern negative Nachrichten über diejenigen, die nicht dabei sind: «Hast du schon gehört, wie unmöglich sich Der-und-der gerade verhalten hat?» Zunächst einmal schaffen solche Äusserungen tatsächlich Aufmerksamkeit und sogar Verbindung untereinander, doch letztlich stellen sie keine Gemeinschaft her. Wer die Gruppe zuerst verlässt, hat dann Angst, nun selbst als Opfer herzuhalten. Wer im Mittelpunkt bleiben möchte, muss nächstes Mal etwas Drastischeres erzählen. Das Interesse der Gruppe ist ausserdem sehr kurzfristig und es gilt nicht mir als Person, wie ich tatsächlich bin. Am Ende bleibt eher Einsamkeit als Gemeinschaft übrig – von der Verletzung anderer ganz zu schweigen.
Klatsch sorgt (scheinbar) für Einfluss
Wenn ich Informationen über andere Leute habe und weitergeben kann, gibt mir das eine gewisse Macht. Das Zuhören oder sogar Zustimmen der anderen fühlt sich zunächst so an, als würden sie hinter mir und meiner Meinung stehen. Tatsächlich hat das mit echter Meinungsführerschaft nichts zu tun. Beim Reden über andere möchte einfach niemand auf der Seite des Opfers stehen, deshalb widersprechen wenige, sind aber in Wirklichkeit weder überzeugt noch meiner Meinung. Spannenderweise ist es eine typische Eigenschaft von Jesus und auch von denen, die ihm nachfolgen, dass sie sich bewusst auf die Seite der Schwächeren stellen. Nicht zuletzt, weil sie sich selbst als hilfsbedürftig wahrgenommen haben.
Klatsch ist (scheinbar) hilfreich
Nicht jeder Klatsch hat als direktes Ziel, andere schlechtzumachen. Ich kann auch Gebetsanliegen weitergeben… Dann wirkt es sehr engagiert und hilfreich, wenn ich ausführlich erkläre, wo andere Hilfe und Gebet benötigen. Dies ist eine echte Gratwanderung, denn manche Hilfe braucht Information, und nicht jede Information ist Klatsch. Ein Massstab dafür kann es sein, mich zu fragen, ob es mir innerlich guttut, vom Problem eines anderen zu erzählen. Und letztlich auch, ob es mich selbst in Aktion bringt, oder ob mir das Berichten eigentlich genügt.
Klatsch zeigt (scheinbar) die eigene Fehlerlosigkeit
Natürlich bin ich nicht fehlerlos und werde es nie sein, aber Klatsch unterstreicht, dass andere eben noch deutlich schlechter sind als ich. «Ich kann gar nicht glauben, dass unser Chorleiter kurz vor der Scheidung steht. Meine Frau und ich hatten ja auch so unsere Probleme, aber durch Gottes Gnade haben wir sie in den Griff bekommen. Schade, dass das bei ihm nicht so aussieht…» Von diesen Gedanken leben übrigens die meisten Promi-News. Sie zeigen uns auf der einen Seite die begehrenswerte Glitzerwelt der Reichen und Schönen und unterstreichen mit ihren Schattenseiten, dass es auch Probleme gibt, Punkte, an denen ich besser bin als sie. In Kirchen und Gemeinden gelten andere Massstäbe, doch dass Leitungspersonen erst hoch verehrt werden, bevor sie besonders tief fallengelassen werden, hat seine Wurzeln im gleichen Denken.
Klatsch braucht (wirklich!) Alternativen
Dass alle in gewissem Masse klatschen, macht es nicht besser. Aber es ist schon hilfreich, sich über die eigenen Motive klarer zu werden. Gegenüber den Ephesern beschreibt der Apostel Paulus allerdings eine besondere Strategie gegen Klatsch und Tratsch. Er fordert sie auf, dieses Reden durch eine andere Art der Kommunikation zu ersetzen und diese einzuüben. Es ist ein gutes Trainingsfeld: «Kein schlechtes Wort soll aus eurem Mund kommen, sondern was gut ist zur Erbauung, wo es nötig ist, damit es den Hörern Gnade bringe.» (Epheser, Kapitel 4, Vers 29)
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