«Against All Gods»: Gemeinsam leben und Vorurteile beheben
Was bedeutet Religion? Was sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten? Wie können wir uns gegenseitig verstehen? Und schliesslich: Ist eine Welt möglich, in der alle Religionen friedlich zusammenleben können? Die Reportagereihe des ZDF-Formats «37-Grad Leben», «Against All Gods – Die Glaubens-WG», will in sechs Folgen Antworten auf diese Fragen geben. Es soll ein soziales Experiment sein: Sechs Tage lang leben ein Muslim, ein Jude, eine Hinduistin, eine Katholikin und eine Nichtgläubige in einer WG in Berlin. Das Ziel: herauszufinden, was sie verbindet und was sie trennt. In sechs Folgen werden die Menschen anhand alltäglicher Aufgaben mit Vorurteilen, Klischees und Glaubensfragen konfrontiert. Die Sendung ist seit Freitag in der ZDF-Mediathek abrufbar, seit Sonntag auch im Fernsehen.
Die erste Diskussion in der WG
Omar ist Muslim. Er ist der Erste, der in die Wohngemeinschaft einzieht. Als Gloria, eine Katholikin, in die WG kommt, erleben die beiden den ersten Unterschied. Omar erklärt Gloria, warum er ihr nicht die Hand geben möchte. «Das ist die respektvollste Art, eine Frau zu begrüssen», sagt Omar. Auch als Saghita und Josi ankommen, greift sich Omar zur Begrüssung ans Herz und erklärt sein Verhalten. Die Aufregung, etwas Falsches gesagt zu haben, ist den WG-Bewohnern anzumerken. Die Hinduistin Saghita zeigt, wie man sich im Hinduismus begrüsst: mit gefalteten Händen. Damit zeige man seinem Gegenüber Wertschätzung. Für Omar ist es eine Erleichterung, mit dieser Geste nicht mehr allein zu sein. Weitere Protagonisten sind der Jude Lars, der Buddhist Dharmasara und die Atheistin Josi.
In der ersten Episode werden die Protagonisten vor ihre erste Herausforderung gestellt. Sie müssen Ja/Nein-Fragen zu ihrem Glauben oder Nicht-Glauben beantworten. Die Antworten geben sie, indem sie auf Sofas sitzen, auf denen Ja- und Nein-Kissen liegen. Auf die Frage: «Ich glaube, dass mein Glaube der einzig richtige ist», antworten alle Gläubigen mit Ja. Je mehr Fragen gestellt werden, desto mehr Diskussionen und unklare Positionen entstehen. Die Fronten werden klarer: Josi sitzt oft allein auf der Couch, weil sie anderer Meinung ist. Positiv ist, dass die Fragen zu Diskussionen führen und dazu anregen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Allerdings ist es schwierig, mit Fragen wie «Ich glaube, dass mein Glaube der einzig richtige ist» eine Diskussion anzuregen, da jeder an seinem Glauben festhält.
Zum Abschluss des Tages treffen sich alle zum Abendessen. Dort wartet die nächste Aufgabe: die «Böse Box». Sie ist gefüllt mit Hasskommentaren aus den sozialen Plattformen zu den fünf Weltreligionen. Die Mitbewohner verteidigen ihren Glauben, indem sie die Hasskommentare kommentieren. Es entstehen Diskussionen über die einzelnen Religionen. Es wird deutlich, dass es für die Protagonisten schwierig ist, die Positionen der Religionen zu den jeweiligen Themen zu verstehen. Zum Beispiel beim Thema Homosexualität. Der Papst habe gesagt, Homosexuelle seien nicht ausgeschlossen. Sie seien Teil der Kirche. Einzelne Menschen würden gesegnet, aber nicht die homosexuelle Beziehung. Damit halte er sich an die Worte der Bibel, dass die Ehe für Mann und Frau bestimmt sei, erklärt Gloria. Bei Josi stösst das auf Unverständnis. Für sie ergibt es wenig Sinn, dass zwar Menschen akzeptiert werden, nicht aber ihre Liebe zu anderen Menschen.
Glaubens-WG: Über Sünde und Gerechtigkeit
In den nächsten fünf Folgen beschäftigen sich die Protagonisten mit der Rolle der Sünde, Reue und Vergebung, Heimat, Liebe, Sex und Partnerschaft, dem Leben nach dem Tod und der Rolle der Religion in Bezug auf Krieg und Frieden. In der Episode «Glaubens-WG: Führe uns nicht in Haram» wird das Thema Sünde auf kreative Weise diskutiert. Die Bewohner sprechen über Mord als das schlimmste Verbrechen. Gloria und Omar tauschen ihre Glaubensüberzeugungen über das Richten einer Sünde aus. Omar erklärt, dass man sich fragen müsse, ob der Mensch in der Lage sei, eine Sünde zu sühnen, also Gerechtigkeit zu üben. Im Islam gibt es den Tag des Gerichts. Ein Tag, an dem jeder Mensch für seine Sünden entschädigt wird. Gloria teilt Omars Gedanken. Im Christentum gebe es ein ähnliches Verständnis: «Egal wie schwer die Sünde oder Schuld ist, wer sind wir, um darüber zu richten? Schliesslich ist Gott der einzige Richter», sagt Gloria. Diese Szene zeigt, dass die Bewohner zwar unterschiedlich auf die gleiche ethische Frage reagieren. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen.
Die Bewohner der Glaubens-WG stossen im Laufe der sechs Tage an ihre Grenzen. In der Folge «Die Glaubens-WG: Alles Allman?» sprechen sie unter anderem über ihre Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung in Deutschland. Zum Beispiel Josi: Sie spricht über ihre innere Zerrissenheit als Transfrau und ihre Diskriminierungserfahrungen, als sie mit ihrer Transition an die Öffentlichkeit ging. Tiefere Einblicke in die persönlichen Kämpfe und Entwicklungen der Charaktere fehlen.
Der Abschied in der letzten Episode fällt den Protagonisten schwer. Gemeinsam haben sie diskutiert, voneinander gelernt, gelacht und geweint. Zum Abschluss haben sie noch einmal die Aufgabe vom Anfang des Einzugs gestellt. Die Protagonisten sind von den Antworten überrascht, denn Einstellungen und Meinungen haben sich verändert. Bei der Frage «Ich bedauere Menschen, die meinen Glauben nicht teilen» sitzen plötzlich fünf von sechs Personen bei «Nein». Am Anfang sassen die meisten bei «Ja». «Bedauern ist ein Urteil, das man fällt. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass ich es mir wünschen würde, aber ich bereue es nicht», sagt Lars.
Das Experiment hat einige Ansichten der Protagonisten bewegt und verändert. Sie reichen sich die Hände, umarmen sich und stehen sich näher als zu Beginn.
Die Relevanz interreligiöser Gespräche in der heutigen Welt
Die ZDF-Serie ist aktuell und wichtig für unsere Zeit. In einer Welt, die sich zunehmend polarisiert und gleichzeitig offener für Neues ist, bieten solche Serien Raum zum Nachdenken. Die Protagonisten repräsentieren Glaubensrichtungen, die auf der ganzen Welt vertreten sind. So werden nicht nur die Protagonisten mit den Fragen der Serie konfrontiert, sondern auch wir als Zuschauer. Zudem zeigt sie Mut, Tabuthemen anzusprechen und gleichzeitig offen zu sein für einen vertieften interreligiösen Dialog. Sie vermittelt, dass es trotz aller Unterschiede immer Raum für gegenseitiges Verständnis und Dialog geben kann. »Wenn wir bereit sind, Andersartigkeit in all ihren Facetten auszuhalten, dann können wir in einem besseren und friedlicheren Land leben», sagt die Produzentin Katharina Reinartz.
Dieser Artikel erschien bei Pro Medienmagazin.
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