«Gemeinsam bessere Lösungen finden»

Die Psychotherapeutin Leah Kostamo erzählt über den Umgang mit der Umweltangst.
Vielen Menschen macht die weltweite Klimakrise grosse Angst. Die Psychotherapeutin Leah Kostamo kennt beide Seiten der Umweltangst. Ein Gespräch über den Umgang mit der Umweltangst der heutigen Gesellschaft.

Leah Kostamo erzählt, wie sie einmal um drei Uhr morgens voller Angst vor der Klimakrise wachlag – und sich einen Ratgeber darüber bestellte. Später bekam sie einen Masterabschluss in klinischer Beratung und hilft heute Menschen mit ähnlichen Erfahrungen. Sie ist Mitgründerin der christlichen Naturschutzorganisation A Rocha in Kanada und arbeitet dort als Leiterin für Seelsorge.

Leah, welche Tipps hast du damals in dem Ratgeber für den Umgang mit der Umweltangst gefunden?
Leah Kostamo:
Die Autorin Joanna Macy empfiehlt dreierlei: 1. Sei realistisch, sieh das Problem, wie es wirklich ist. 2. Hab eine lebendige Vision von der Zukunft, wie du sie dir wünschst. Und 3. Tu etwas, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist. – Ich glaube, es ist auch sehr wichtig, Zugang zu einer Gemeinschaft von Menschen zu finden, die deine Sorgen teilen und wo du ernst genommen wirst.

Warum ist Gemeinschaft so wichtig?
Biologisch gesehen sind wir Menschen soziale Tiere. Wir könnten ohne Gruppe gar nicht überleben. Angstzustände wiederum isolieren uns von der Gruppe, denn sie sind oft mit Scham verbunden. Wenn wir in einer Gruppe Gleichgesinnter sind, und idealerweise auch noch gemeinsam etwas für die Umwelt tun – sei es Bäume pflanzen, Gärtnern, Müll aufsammeln – mindert das unser Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Problem. Dazu kommt, dass unser Körper Glückshormone wie Serotonin und Oxytocin aussondert, wenn wir in Gemeinschaft sind. Und wir können uns in unserem Anliegen bestätigt fühlen und gemeinsam bessere Lösungen finden.

Könnte man auch in der Kirche Raum für solche Erlebnisse schaffen?
Ja, das kann zum Beispiel während des Sündenbekenntnisses im Gottesdienst passieren. Auch Kleingruppen können ein guter Ort dafür sein.

Wie spricht der christliche Glaube in die Umweltangst hinein?
Der Glaube kann uns nicht die Angst davor nehmen, was mit der Erde in Zukunft passieren wird. Wir kennen nicht alle Einzelheiten von Gottes Plan. Aber wir können Trost in der Tatsache finden, dass Gott selbst Teil der Schöpfung wurde. Gott wurde in Jesus ein Mensch wie wir. Und Jesus war in allem solidarisch mit uns Menschen. Er schwitzte, hatte Hunger und brauchte Freunde wie wir. Er lebte in enger Gemeinschaft mit anderen Menschen, darin ist er uns ein Vorbild.

Was kann ich jemandem raten, der oder die mit Umweltangst zu kämpfen hat?
Wichtig ist, dass wir ihre Sorgen und Ängste nicht abtun. Es kann helfen, die Zeit zu begrenzen, die wir auf den sozialen Medien mit «Doomscrolling» verbringen, also dem endlosen Lesen negativer Nachrichten. Wir können die Person motivieren, sich beispielsweise nur eine halbe Stunde den Medien auszusetzen und dann einen Spaziergang zu machen.

Umweltangst kann sich bei manchen in Form physischer Symptome äussern – von flachem Atem und Herzrasen bis hin zu Panikattacken. Was kann man in solchen Momenten tun?
Angstzustände sind eine Nervenreaktion des Körpers, wenn wir unsere Gefühle «denken», statt sie einfach zu fühlen. Da kann es zum Beispiel helfen zu weinen oder so schnell wie möglich zu rennen und im Anschluss den Körper durch Tanzen, Atemübungen, Singen oder Zeit mit anderen Menschen zu beruhigen.

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Autor: Naomi Bosch
Quelle: Magazin andersLeben 2/2024, SCM Bundes-Verlag

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