Christen im Visier autokratischer Regierungen und Extremisten

Im Gebet den verfolgten Christen beistehen
Gewalt und autoritäre Restriktionen gegen Christen haben im vergangenen Jahr weltweit zugenommen, berichtet das internationale Hilfswerk Open Doors. Im Berichtszeitraum vom 1. Oktober 2023 bis 30. September 2024 stach Kirgisistan besonders hervor.

Der Weltverfolgungsindex (WVI), der am 15. Januar 2025 veröffentlicht wird, listet die 50 Länder auf, in denen es für Christen am gefährlichsten ist, ihren Glauben zu leben und zu bekennen. Zum dritten Mal in Folge und zum 23. Mal seit dem ersten WVI im Jahr 1993 rangiert Nordkorea an der Spitze des Index. Seit 2002 war die Demokratische Volksrepublik Korea jedes Jahr die Nummer 1, mit Ausnahme von 2022, als sie nach dem Fall Afghanistans an die Taliban an zweiter Stelle stand.

Neben der erstickenden Unterdrückung, die Nordkoreas Untergrundchristen bereits lange Zeit ertragen müssen, dokumentiert der WVI 2025 auch andere Trends, die sich über viele Jahre erstrecken, wie beispielsweise die anhaltende tödliche Gewalt in weiten Teilen des afrikanischen Kontinents. Wenn es für 2025 eine neue Entwicklung gibt, dann ist sie aber in Zentralasien zu finden.

Der Weltverfolgungsindex (WVI) 2025 in Zahlen:

• 380 Millionen Christen weltweit (1 von 7 weltweit) sind wegen ihres Glaubens mindestens in hohem Masse Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt (WVI 2024: 365 Mio.).

• 4476 Christen weltweit wurden in Zusammenhang mit der Ausübung ihres Glaubens getötet (WVI 2024: 4998). Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, doch zahlreiche Konflikte erschweren die Dokumentation.

• Angriffe auf Häuser von Christen nahmen von 21'431 (2024) auf 28'368 erneut deutlich zu. Das ist ein Anstieg um beinahe 33 Prozent, wenn auch nicht ganz so sprunghaft wie im Vorjahr (zum Vergleich WVI 2023: 4547).

• Beinahe 136'000 Christen in Subsahara-Afrika wurden aufgrund von Gewalt und Konflikten gewaltsam vertrieben. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, doch zahlreiche Konflikte erschweren die Dokumentation. Über die vergangenen Jahre wurden insgesamt bereits 16 Millionen Christen in Subsahara-Afrika vertrieben.

Zentralasien: Autokratische Systeme auf dem Vormarsch

Kirgisistans Punkte auf dem Weltverfolgungsindex stiegen um 7,5 – so viel wie bei keinem anderen Land auf dem Index. Das reichte aus, dass das Land um 14 Plätze auf Rang 47 vorrückte und das erste Mal seit 2013 in die Top 50 zurückkehrt.

«Bevor der derzeitige Präsident Sadyr Japarov im Januar 2021 an die Macht kam, war Kirgisistan als das am wenigsten autoritäre Land in der Region Zentralasien bekannt», sagte Rolf Zeegers, Analyst bei World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Seitdem sei «eine ganze Reihe restriktiverer Gesetze eingeführt worden. Wir haben eindeutig eine Zunahme der Einschränkungen der Religionsfreiheit festgestellt.» Das Land erlebte einen starken Anstieg der Gewalt gegen Kirchen, unter anderem durch Attacken mit Steinwürfen oder Razzien in Gottesdiensten.

In ähnlicher Weise erhöhte die Verschärfung der staatlichen Kontrollen im benachbarten Kasachstan die Bewertung im WVI um 3 Punkte, was dazu beitrug, dass das Land um 9 Plätze auf Rang 38 kletterte. Die Analysten protokollierten beispielsweise Berichte über Polizeirazzien bei Gottesdiensten sowie über sexuellen Missbrauch christlicher Frauen.

«Die Bedrohung durch autoritäre Regime in Zentralasien hat sich so verschärft, dass viele Christen in der Region zunehmend Angst haben», sagt Frans Veerman, Geschäftsführer von Open Doors World Watch Research. «Christen werden in Ländern, die von zunehmend autokratischen Regimen und radikalen Elementen heimgesucht werden, gezielt ins Visier genommen oder sind besonders verwundbar.»

Bürgerkriege und zunehmende Gesetzlosigkeit begünstigen Verfolgung

In der strikt islamisch geprägten Gesellschaft des Jemen leiden Christen seit vielen Jahren unter extremer Verfolgung. Der seit 2015 herrschende Bürgerkrieg führt darüber hinaus zu zunehmender Gesetzlosigkeit und schafft Raum für die Unterdrückung von Minderheiten wie Christen. Mehrfach wurden Christen wegen ihres Glaubens oder aufgrund falscher Anschuldigungen verhaftet; oft sind eigene Familienangehörige daran beteiligt. Dutzende Hauskirchen mussten ihre Treffen wegen Bedrohungen einstellen. Der Jemen stieg im aktuellen WVI um 4,6 Punkte und liegt auf Rang 3.

Die Kämpfe zwischen Myanmars Armee und einer Vielzahl von Oppositionsmilizen brachten das Land auf dem Index in die Kategorie «extreme Verfolgung», die die 13 Länder an der Spitze des WVI umfasst. Die gezielte Verfolgung von Christen ist aufgrund der Not weiter Teile der Bevölkerung im Bürgerkrieg nicht sofort erkennbar, denn die Armee bekämpft alle, die sie verdächtigt, die Rebellen zu unterstützen. Dabei werden Christen immer wieder zum Ziel von Angriffen sowie Verhaftungen; Hunderttausende wurden bereits vertrieben.

Die Punktzahl des Sudan stieg um 3 Punkte, was dazu beitrug, dass das Land aufgrund der Verschärfung des Bürgerkriegs um 3 Plätze auf Rang 5 kletterte. Das Land verzeichnete einen Anstieg der Zahl der getöteten Christen, der sexuellen Übergriffe sowie der Angriffe auf christliche Häuser und Geschäfte. Bis Mitte 2024 waren mehr als 7,7 Millionen Menschen auf der Flucht, was es zur grössten Vertreibungskrise der Welt macht.

Die Kirche wird vermehrt in den Untergrund gedrängt

Die Verdrängung der Christen aus der Gesellschaft und die Schwächung von Kirchen ist ein Muster, das in einer Reihe von Ländern festgestellt wurde. In Ländern wie Algerien und Libyen nimmt die sichtbare christliche Präsenz ab und zwingt die wenigen Christen in die Isolation oder in den Untergrundgottesdienst, in Afghanistan sind christliche Treffen selbst im Untergrund nicht mehr möglich. In Algerien ist nach zahlreichen Kirchenschliessungen mittlerweile keine einzige protestantische Kirche mehr regulär geöffnet.

Christen in China und anderen autokratischen Staaten sind aufgrund der fortgeschrittenen Überwachung immer vorsichtiger, wenn es darum geht, ihren Glauben offen zu bekennen, ob im realen Leben oder in Online-Aktivitäten.

Die Gewalt in Subsahara-Afrika und Indien hält an

Afrika ist der Kontinent mit der grössten christlichen Bevölkerung der Welt. Ihre Lage hat sich im Laufe der Jahre aufgrund der Ausbreitung islamistischer Gruppen in Subsahara-Afrika verschlechtert. Die Gewalt gegen Christen fällt in 13 afrikanischen Ländern in die Kategorie «extrem hoch», darunter Burkina Faso, Mali und die Demokratische Republik Kongo (DRK).

Der Tschad ist neu im Index vertreten (Rang 49). Grund dafür ist der Spielraum, den die schwache Regierung den Kämpfern von Boko Haram lässt, sowie die soziale Ächtung, Überwachung und Einschüchterung, die Christen auf beruflicher Ebene erfahren.

Die Lage in Nigeria ist nach wie vor extrem gewalttätig. Das Land belegt im Index Platz 7 (Platz 6 im Index 2024). Während des Berichtszeitraums des Index 2025 wurden dort 3100 Christen aufgrund ihres Glaubens getötet (von insgesamt 4476 getöteten Christen weltweit im letzten Jahr).

Indien rangiert auf Platz 11 des Index. Seit dem Amtsantritt von Narendra Modi, der 2024 wiedergewählt wurde, haben die Angriffe auf Christen zugenommen. In elf Bundesstaaten gibt es trotz der säkularen Verfassung Anti-Konversionsgesetze. Indien ist daher das Land, in dem weltweit die meisten Christen inhaftiert und verurteilt wurden (2176).

TOP 50 mit sehr hoher und extremer Verfolgung

In den 50 Ländern des Weltverfolgungsindex (WVI) sind rund 310 Millionen Christen einem sehr hohen bis extremen Mass an Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. Betrachtet man ausserdem die Länder mit einem hohen Mass an Verfolgung, so sind mehr als 380 Millionen Christen betroffen.

Top 10 im WVI 2025 (Rang im WVI 2024 in Klammern):

1.    Nordkorea (1)

2.    Somalia (2)

3.    Jemen (5)

4.    Libyen (3)

5.    Sudan (8)

6.    Eritrea (4)

7.    Nigeria (6)

8.    Pakistan (7)

9.    Iran (9)

10.  Afghanistan (10)

Philippe Fonjallaz, Geschäftsführer von Open Doors Schweiz, äussert sich besorgt über den erneuten Anstieg der Gewalt gegen Christen in der Welt: «Dies sollte jeden von uns, vor allem aber die internationalen Organisationen und unsere Regierungen, auf die anhaltende Verschlechterung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit in der Welt aufmerksam machen. Es gibt keinen Platz für Gleichgültigkeit gegenüber der Verfolgung von Christen.» Wir rufen daher weiterhin die Politiker und die Öffentlichkeit in der Schweiz dazu auf, bei den Behörden der betroffenen Länder entschlossen auf die Einhaltung des Rechts auf Glaubens- und Gewissensfreiheit hinzuwirken, damit diese sich verpflichten, Christen und andere religiöse Minderheiten vor Verfolgung und Diskriminierung zu schützen. Mit Blick auf die Gemeinden im Nahen Osten und in Teilen Afrikas südlich der Sahara fügte Philippe Fonjallaz hinzu: «Ohne diese Massnahmen sind einst blühende christliche Gemeinden vom Aussterben bedroht.»

Alle Informationen zum Weltverfolgungsindex 2025 finden sich unter www.opendoors.ch/index.

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Quelle: Open Doors CH

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