Evangelikale in Brasilien: 543 % Wachstum in 20 Jahren

Viele Menschen nahmen am Marsch für Jesus in Brasilien teil
Evangelikale Gemeinden in Brasilien haben in den letzten 20 Jahren ein spektakuläres Wachstum erlebt. Hauptgrund: «grössere persönliche Beziehung zu Gott».

Laut einer Studie des Center for Metropolitan Studies (CEM) der Universität von Sao Paulo sind die evangelischen Kirchen in Brasilien in 20 Jahren um 543 Prozent gewachsen. Im Jahr 1990 gab es 7'033 evangelische Gemeinden im Land. Im Jahr 2019 ist ihre Zahl auf 109'560 gestiegen, und jeden Tag werden 17 neue Kirchen eröffnet. Beobachter stellen fest, dass es noch nie einen so schnellen religiösen Umbruch in einem Land dieser Grösse gegeben hat.

Exponentielles Wachstum

Die Studie unter der Leitung des Forschers Víctor Augusto Araújo Silva, der auch am Departement für Politikwissenschaft der Universität Zürich tätig ist, analysierte die Expansion von 1920 bis 2019. Demnach wurde die erste evangelische Kirche in Brasilien 1922 eingeweiht. Im Jahr 1970 zählte das Land 864 Gemeinden. 50 Jahre später gab es fast 110'000 evangelische Kirchen in Brasilien.

Die Studie teilt die evangelischen Kirchen in vier Hauptgruppen ein. Da sind zunächst die «Missionare»: Baptisten, Presbyterianer, Methodisten und andere; dann die klassischen Pfingstkirchen wie die Assembly of God, God is Love und die Foursquare Church; weiter die Neo-Pfingstkirchen und schliesslich Kirchen mit unbestimmter Zuordnung, die in keine der drei anderen Kategorien passen.

In Brasilien haben die Pfingstgemeinden mit 48'781 die grösste Anzahl von Kirchen. Es folgen die Kirchen unbestimmter Klassifizierung (25'554), die «Missionare» (22'400) und die Neo-Pfingstler (12'825). Die beiden Bundesstaaten mit der höchsten Konzentration von evangelikalen Kirchen pro Einwohner sind Rio de Janeiro und Espírito Santo.

Ein Drittel der Bevölkerung evangelikal

Die letzte Volkszählung des IBGE (Brasilianisches Institut für Geographie und Statistik) zeigt, dass sich die Zahl der Evangelikalen zwischen 1990 und 2010 mehr als verdoppelt hat. Während im Jahr 1990 9 Prozent der Bevölkerung evangelikal waren, waren es im Jahr 2010 bereits 22,2 Prozent. Im Jahr 2020 schliesslich identifizierten sich laut einer Datafolha-Umfrage 31 Prozent der Brasilianerinnen und Brasilianer als Evangelikale, das sind bei einer Bevölkerung von 213 Millionen etwa 66 Millionen evangelische Christen.

Die Zahl der Katholiken in Brasilien ist seit den 1970er Jahren stetig zurückgegangen. Damals bezeichneten sich noch 92 Prozent der Brasilianerinnen und Brasilianer als katholisch. Im Jahr 2010 waren es nur noch 64 Prozent. Demographen gehen davon aus, dass sich die beiden Strömungen etwa um 2030 die Waage halten werden. Damit könnten die Evangelikalen im nächsten Jahrzehnt zur Mehrheit werden.

Die zwei Hauptmotive

Laut dem «Wall Street Journal» verlassen die meisten Katholiken ihre Kirche und wechseln zu evangelikalen Gemeinden, da sie dort «eine grössere persönliche Verbindung mit Gott» (81 Prozent) und mehr Hilfe für ihre Mitglieder (60 Prozent) finden. Evangelikale Gemeinden schiessen sowohl in ländlichen Gebieten als auch in Ballungsräumen aus dem Boden und finden Zuspruch bei Millionen von Menschen, die von Arbeitslosigkeit, Drogen, Alkoholismus oder familiärer Gewalt betroffen sind und von der katholischen Kirche oft nicht mehr seelsorgerisch betreut werden.

Martín Lasarte, ein uruguayischer Priester, der an der Amazonas-Synode 2019 teilnahm, ist der Ansicht, dass die Bewegung der (katholischen) Befreiungstheologie oft politische und soziale Fragen über die religiöse Erfahrung gestellt hat. «Es fehlt der existentielle Sinn für die Freude, das Evangelium zu leben, diese persönliche Begegnung, die so viele pfingstlerische Denominationen ihren Gläubigen anbieten», wird er 2022 in der katholischen Nachrichtenseite «Aktuell» zitiert.

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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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