Warum Afghanistans winzige Christenheit wächst
Vor drei Jahren verfolgte die Welt mit Entsetzen, wie die Taliban erneut die Macht in Afghanistan übernahmen. Für die kleine christliche Bevölkerung des Landes war das nicht nur ein politischer Einschnitt, sondern eine lebensbedrohliche Katastrophe.
«Als Forscher für Open Doors habe ich in den vergangenen Jahren die schwierige Situation der afghanischen Christen dokumentiert», sagt Thomas Müller, Analyst bei Open Doors. «Seit der Rückkehr der Taliban hat sich ihre Lage von schlecht zu katastrophal verschlechtert. Doch inmitten dieser Dunkelheit gibt es schwache, aber wichtige Zeichen der Hoffnung – Zeichen eines möglichen Neuanfangs für diese bedrängten Gläubigen.»
Harte Verfolgung
Als die Taliban im August 2021 die Kontrolle übernahmen, bereiteten sich die Christen in Afghanistan auf das Schlimmste vor. Unter der vorherigen Herrschaft der Taliban (1996-2001) wurden Christen hart verfolgt. Viele erinnerten sich an diese dunklen Tage und wussten, was sie erwartete.
Ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich bald: «Die Taliban begannen sofort, eine strenge Auslegung der Scharia durchzusetzen, nach der der Übertritt vom Islam zum Christentum ein Kapitalverbrechen ist. Sie machten Jagd auf jeden, der verdächtigt wurde, Christ zu sein, vor allem auf Konvertiten.»
Wer konnte, floh
Es gab Berichte über Verhaftungen, Folter und sogar Hinrichtungen von Christen. Häuser wurden durchsucht, und die Taliban nutzten moderne Überwachungstechnologien, um die Kommunikation zu kontrollieren und Christen aufzuspüren. «Die Angst war allgegenwärtig; viele Christen tauchten tief unter und brachen fast alle Kontakte zur Aussenwelt ab, um nicht entdeckt zu werden.»
Wer konnte, floh. «Tausende Christen und andere religiöse Minderheiten suchten Zuflucht in den Nachbarländern. Sie liessen ihre Häuser, ihre Lebensgrundlage und oft auch ihre Familien zurück. Doch auch im Exil war der Schatten der Taliban allgegenwärtig. Es gab Berichte, dass afghanische Agenten über die Grenzen hinweg operierten, um die Geflohenen zu verfolgen und zu bestrafen.»
Das Unerwartete geschieht
Trotz dieser schweren Verfolgung geschah etwas Unerwartetes. «Einige der afghanischen Flüchtlinge, die über die Grenzen geflohen waren, begegneten im Exil dem christlichen Evangelium. Durch Untergrundnetzwerke von Missionaren und christlichen Hilfswerken hörten diese Flüchtlinge – viele zum ersten Mal – die Botschaft von Jesus Christus. Und einige von ihnen haben diesen Glauben angenommen, obwohl sie sich der damit verbundenen Gefahren bewusst waren.»
Jetzt, da diese Flüchtlinge nach Afghanistan zurückkehren, bringen sie etwas Neues mit: ihren Glauben an Christus. «Hier beginnen die Zeichen eines Neuanfangs sichtbar zu werden. Diese neuen Gläubigen gründen kleine, geheime Gemeinschaften im ganzen Land, ähnlich wie die Urgemeinde im ersten Jahrhundert.» Diese Gemeinschaften sind zerbrechlich und bestehen oft nur aus einer Handvoll Menschen, die sich im Verborgenen treffen, aber sie wachsen.
Neue Wege
Sie finden Wege, um zu beten, das Evangelium weiterzugeben und sich gegenseitig in dieser feindseligen Umgebung zu unterstützen. Der Glaube dieser neuen Gläubigen ist stark, geschmiedet im Feuer von Verfolgung und Leid.
«Die Wahrheit ist, dass wir sehr wenig darüber wissen, was in diesen geheimen Gemeinschaften vor sich geht. Die Gefahr, entdeckt zu werden, ist so gross, dass selbst die Kommunikation mit der Aussenwelt riskant ist. Aber aus den wenigen Berichten, die nach aussen dringen, wissen wir, dass diese Gläubigen widerstandsfähig sind. Sie fangen wie die ersten Christen ganz von vorne an und bauen ihre Glaubensgemeinschaften trotz überwältigender Widerstände auf.»
Wachsen, nicht nur überleben
«Was mir Hoffnung gibt, ist die Tatsache, dass diese Gläubigen nicht nur überleben – sie wachsen», resümiert Thomas Müller. «Das Evangelium hat im afghanischen Boden Wurzeln geschlagen, wenn auch nur in kleinen, versteckten Winkeln. Die Versuche der Taliban, das Christentum zu vernichten, sind gescheitert; stattdessen hat sich der Glaube in den Untergrund zurückgezogen, wo er leise, aber stetig weiter wächst.»
Diese Neuanfänge der Christen in Afghanistan erinnern uns daran, dass das Licht Christi selbst unter den bedrückendsten Umständen nicht ausgelöscht werden kann. Ein afghanischer Christ sagte kürzlich zu einem Kollegen von Thomas Müller: «Nach all den Jahren haben die Afghanen Hunger und Durst nach Liebe. Deshalb sind sie empfänglich für die christliche Botschaft.»
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