Alternativen gegen Vereinsamung und Isolation
Immer mehr Menschen in der Schweiz und Deutschland leben zurückgezogen für sich. Die Gründe dafür sind vielfältig: Familienverbände gibt es nicht mehr. Die Scheidungsrate steigt. Der Individualismus erschwert das Zusammenleben – für Familien wie für Alleinlebende. Die «My home is my castle»-Mentalität greift um sich. Online-Einkaufsmöglichkeiten und eine Vielfalt digitaler Angebote machen den Kontakt zu anderen Menschen immer überflüssiger. Auch die Corona-Pandemie hat zur weiteren Isolation beigetragen.
«Vieles davon war in 2019 noch lange nicht so ausgeprägt wie heute», sagt Gründungsmitglied der Fachstelle Gemeinschaft, Pastorin und Buchautorin Astrid Eichler aus Berlin. Gemeinsam mit dem Schweizer Ehepaar Irene und Thomas Widmer-Huber hatte sie Jahre zuvor ihre Erfahrungen mit und zu einem gemeinschaftlichen Leben in einem Buch beschrieben: Es gibt was Anderes – gemeinschaftliches Leben für Singles und Familien.
Das Ehepaar Widmer-Huber hat die Fachstelle Gemeinschaft mitbegründet und leitet das Gemeinschaftshaus Moosrain in Riehen (Schweiz), in dem in 13 Wohnungen Singles, Ehepaare und Familien leben.
Vereinsamung verursacht besonderen Stress
«Unsere postmoderne Gesellschaft hat sich neuen sozialen Fragen zu stellen», erklärt Irene Widmer-Huber. «Die Einpersonenhaushalte zum Beispiel bilden in Städten bald die Hälfte der Haushalte. Damit nehmen die durch Einsamkeit und Stress verursachten psychischen Probleme zu und stellen neue Herausforderungen an unsere Sozialsysteme.» Neue Wohnmodelle für den dritten und vierten Lebensabschnitt seien daher gefragt – für Familien, Paare und Singles. «In einer individualistisch geprägten Gesellschaft lege ich meinen Fokus auf das Fördern von attraktiver Gemeinschaft», erläutert Thomas Widmer-Huber. Dabei gehe es darum, «Gemeinschaft zu leben, die andere neugierig macht» und Interessierte zu beraten.
«Immer mehr Menschen möchten Leben miteinander teilen, bleiben aber in einer vagen Sehnsucht stecken. Andere machen sich konkret auf den Weg, beziehen gemeinsam ein Haus, gründen Lebensgemeinschaften, engagieren sich in Organisationen oder scheitern», ergänzt Astrid Eichler. «Als Christen sind wir überzeugt, dass Gott uns auf Gemeinschaft hin angelegt hat. Daher wollen wir Menschen auf der Suche nach Gemeinschaft noch besser zu unterstützen.»
Präsenz- und Online-Angebote sollen ausgebaut werden
Auf ihrer Jahrestagung Ende Februar in Fulda haben die 14 Aktiven ihre Strategie für die nächsten Jahre geschärft: «Weil wir wissen, wie Gemeinschaft gelingen kann, wollen wir unser Angebot für Gemeinschaftssuchende und Gemeinschaften erweitern», so Eichler. «Wir bieten Vorträge in Kirchen und Gemeinden an sowie Seminare, Coaching und Materialien. Auch das Online-Angebot soll ausgebaut werden, damit sich suchende Menschen zu Projekten zusammenfinden. Die Verlinkung zu bestehenden Gemeinschaften wird ebenso möglich sein.
Anfang September ist ein Gemeinschaftstag in Riehen geplant und in den nächsten Jahren soll durch verschiedene Veranstaltungen in Deutschland das Thema Gemeinschaft mehr ins Bewusstsein von Christen gerückt werden. Auch die bessere Vernetzung mit existierenden Gemeinschaften steht im Fokus. «Gleichzeit wird unser Online-Angebot TOGETHER weiter ausgebaut», so Astrid Eichler.
Zur Webseite:
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