«Ich spreche die Sprache der Politiker»
Herr Heinrich, Sie sind ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestags, Theologe, früherer Heilsarmee-Offizier, Vorstand der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD) und sollen sie zukünftig auch im politischen Berlin vertreten. Welche Zuschreibung ist Ihnen die liebste?
Frank Heinrich: Vor kurzem schrieb mir jemand eine Mail und nannte mich «Happy». Das ist ungefähr seit 26 Jahren mein Spitzname – manchmal auch innerhalb unserer Fraktion. Ehrlich gesagt hat mich diese Anrede am tiefsten angesprochen, weil daraus am meisten Kenntnis über mich mitschwingt. Ich bin ein sehr fröhlicher und positiver Mensch. Bei den beruflichen Rollen ist mir die aktuelle wichtig. Deswegen ist meine Antwort: Vorstand der EAD und als solcher gern auch ein Sprachrohr in Richtung Politik.
Sie waren zwölf Jahre Mitglied des Deutschen Bundestags. 2021 verloren Sie Ihr Mandat. Bis zu Ihrer neuen Aufgabe bei der EAD ist ein Jahr vergangen. Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Ich habe die Übergangszeit genutzt, um ein Sabbatical mit meiner Frau zu machen. In dem Jahr konnte ich abspannen, entspannen und mich neu orientieren.
War die Niederlage ein Schock für Sie? Schliesslich gewannen Sie zuvor das Direktmandat in Chemnitz.
Es war auf jeden Fall nicht das gewünschte Ergebnis. Ein Schock war es allerdings nicht, jedenfalls nicht im Sinne von grosser Trauer. In der Demokratie verliert man nicht, man gewinnt bloss nicht immer. Ich hatte ja keine Garantie für ein weiteres Mandat.
Aber glücklich waren Sie sicherlich auch nicht.
Natürlich nicht. Ich habe das Mandat mit Leidenschaft ausgeübt und für meine Themen gebrannt. Deswegen gab es schon Momente, in denen ich dachte, ich wäre gern wieder mit dabei und würde etwas beitragen wollen.
Was war für Sie nach den vielen Jahren in der Bundespolitik und dem Sabbatical der Grund, zur EAD zu gehen?
Ich hatte mir eine Liste geschrieben mit Aufgaben, die zu mir passen und zu denen ich passen könnte. Darauf stand auch die Allianz. Die Frage nach meiner beruflichen Zukunft habe ich auch mit meinem Mentor, meiner Frau und nicht zuletzt mit Gott besprochen. Es gab andere Angebote, die durchaus zu mir gepasst hätten. Aber mit der Allianz verbindet mich eine lange Geschichte und ein wichtiger Berufungsmoment in die Politik während meiner Zeit in der Heilsarmee.
Wie sah die Berufung aus?
Ich hatte damals schon länger den Gedanken, in die Politik zu gehen. Im Vorfeld einer internationalen Konferenz der Allianz betete und fastete ich viel und verlangte von Gott ein Ja oder Nein für diesen Weg. Auf der Konferenz traf ich eine hochrangige Heilsarmee-Offizierin und sprach mit ihr über meine Gedanken. Und sie sagte nur: «Go for it, Frank.»
Schauen wir auf Ihre neue Position: Sie sind mit Reinhardt Schink Vorstand der EAD. Was wird Ihre Arbeit sein?
Ich arbeite repräsentativ und organisatorisch. Gemeinsam mit Reinhardt Schink werde ich Impulse, die aus dem neu gegründeten Konvent kommen, bündeln und strukturieren. Hintergrund ist die neue Struktur in der EAD. Es gibt keinen Hauptvorstand mehr wie früher, stattdessen engagieren sich im Konvent 70 Menschen aus verschiedenen Gemeinden. Zudem arbeiten Runde Tische an aktuellen Themen. Es gibt eine 15 Personen zählende Mitgliederversammlung, die vorrangig für rechtliche und finanzielle Themen, sowie die inhaltliche Schwerpunktsetzung zuständig ist. Beiden Kreisen stehen übrigens Frauen vor. Repräsentativ ist meine Aufgabe auch, weil ich aus dem Berliner Büro heraus Kontakte in die Politik pflegen werde.
Eine Doppelspitze gab es vorher nicht. Wie teilen Sie sich die Aufgaben auf?
Als Allianz sind wir ja ein Netzwerk mit gemeinsamen Anliegen. Ich werde mich beispielsweise um Themen wie politisches Engagement und Evangelisation kümmern, während theologische Fragen eher bei Reinhardt Schink liegen.
Was ist die Vision hinter dieser strukturellen Veränderung?
Die Allianz will auf der vereinsrechtlichen Ebene schlanker werden, um in der Zeit, in der wir leben, schneller und wirksamer agieren zu können. Und wir wollen die Basis besser einbinden. Es gibt so viele Kompetenzen und Ideen in den Gemeinden. Dafür haben wir nun eine direkte Verbindung zwischen Basis und Vorstand.
Gibt es neben der Strukturveränderung weitere Ansätze, um die Allianz zukunftsfähig zu machen?
Es geht viel darum, wie nah wir an den Menschen und an den Gemeinden sind. Da hilft die neue Struktur beispielsweise. Darin liegt die Chance, dass auch jüngere, weibliche Interessierte Mitglieder werden und sich mit der Allianz identifizieren.
Wir sitzen gerade im Berlin-Büro der EAD. Sie sind nicht nur Vorstand, sondern übernehmen auch die Rolle von Uwe Heimowski als Beauftragter der EAD am Bundestag und bei der Bundesregierung. Wie fühlt es sich für Sie an, wieder zurück am Bundestag zu sein?
Ich fühle mich nicht als Beauftragter, aber es ist Teil meines Auftrages als Vorstand. Für mich ist das aber eine neue Perspektive. Ich kenne die Arbeit des Beauftragten ja nur aus der Perspektive des Politikers. Aber es ist schon einfach auch cool, diese Luft wieder zu atmen.
Sie sind Vorstand und Beauftragter in einer Person. Zuvor war Uwe Heimowski mit einer ganzen Stelle für die Berlin-Arbeit verantwortlich. Wie wollen Sie die beiden Positionen unter einem Hut bringen?
Gar nicht. Das zu behaupten, würde auch die Arbeit Uwe Heimowskis entwerten. Deswegen werde ich den Titel des Beauftragten auch nicht tragen. Ich werde einen Teil der Aufgaben übernehmen. Das wird wahrscheinlich 30 Prozent meiner Arbeit ausmachen.
Ein herber Verlust für Berlin…
Unser Auftrag in Berlin bleibt weiterhin. Einige Aufgaben werde ich übernehmen, andere unser Team vor Ort. Wir werden das Berliner Büro personell breiter aufstellen. Ein wichtiges Signal ist zugleich: Wir heben diese Stimme eine Ebene nach oben, nämlich in den Vorstand.
Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Mein Ziel ist es, als Allianz in Berlin noch erkennbarer zu sein. Gerne mit meinem Gesicht, aber vor allem auch mit meinem Team und mit Inhalten – und zwar mit Inhalten, die gesellschaftspolitisch relevant sind, beispielsweise Lebensschutz, Religionsfreiheit oder Menschenhandel.
Am Bundestag gibt es bereits Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche, sowie der Freikirchen. Zudem tragen Sie nun ja nicht mehr den Titel. Braucht es überhaupt noch eine solche Präsenz der Allianz in Berlin?
Ja, absolut. Wenn sich mehrere Player bei einem Thema zusammenschliessen, dann haben sie ein anderes politisches Gewicht. Als Allianz bringen wir zudem eine eigene Sichtweise ein. Wir wollen ein gewisses Mass an Ethik, nicht konträr zu unseren Brüdern und Schwestern, aber mit einer anderen Betonung, einbringen.
Was kann der Beauftragte Heinrich vom Politiker Heinrich lernen?
Man muss verstehen, wie der Arbeitsalltag eines Politikers aussieht, wie eng er getaktet ist. 80-Stunden-Wochen sind keine Seltenheit. Ich weiss also, was ich einfordern darf und wo ich Rücksicht nehmen sollte.
Sie sassen zwölf Jahre für die CDU im Bundestag. Uwe Heimowski ist ebenfalls CDU-Mitglied. Von politischer Neutralität kann man da kaum sprechen.
Ich habe in meiner Zeit im Deutschen Bundestag deutlich gemacht, dass es mir um die Sache und die Argumente geht. Ich habe häufiger gegen meine Fraktion gestimmt. Ein Kollege von der SPD hielt mich sogar lange Zeit für einen Grünen. Aber diese Meinungsvielfalt macht die CDU als Volkspartei auch aus. Wenn man die Stellungnahmen der Allianz zu politischen Themen der vergangenen Jahre liest, wird deutlich, dass der Beauftragte mit allen Parteien im Bundestag geredet hat. Die guten Beziehungen zu den Fraktionen will ich aufrechterhalten.
Auch zur AfD?
Ich habe mich als Politiker nicht von den Personen abgegrenzt, wohl aber von politischen Inhalten der AfD.
Und nun als Beauftragter der EAD?
Zu unserem Adventsempfang in Berlin haben wir alle Abgeordneten eingeladen – erschienen ist von der AfD jedoch keiner. Wir machen unsere Arbeit ohne Ansehen der Parteizugehörigkeit. Insgesamt ist wichtig, dass wir nicht einfach die Inhalte einer Partei übernehmen. Weder die der CDU noch die der AfD oder einer anderen Partei. Wir sagen aber auch deutlich, was nicht geht, parteiunabhängig.
Uwe Heimowski sagte zu seinem Amtsantritt gegenüber PRO, dass er den Satz «Er hat etwas bewegt» hören möchte, wenn er auf seine Zeit als Politik-Beauftragter der EAD zurückschaut. Hat er etwas bewegt?
Ja, absolut. Die Allianz ist in Berlin einen bemerkenswerten Weg gegangen, der auf ihn zurückzuführen ist. Die EAD ist im politischen Betrieb in Berlin ein Begriff. Da hinterlässt Uwe Heimowski grosse Fussstapfen. Diese werde ich auf meine eigene Art zu füllen versuchen.
Was wünschen Sie sich, wenn Sie in zehn Jahren auf Ihr Amt zurückschauen?
Ich möchte, dass der, der mir nachfolgt, ein gemachtes Nest vorfindet. Ich wünsche mir, dass die Allianz in Berlin auf noch stabileren und stärker wahrgenommenen Füssen steht. Wenn wir eine Stimme für manches Gesetz sein durften oder an anderer Stelle die Tür zuhalten konnten, dafür wäre ich dankbar.
Dieser Artikel erschien zuerst auf PRO Medienmagazin
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