Australien: Wie sehr lassen sich Medien regulieren?
Es ist in westlichen Demokratien ein ständiges Spannungsfeld: Medien – für Jugendliche vor allem «soziale» Medien – und die Meinungs-, Religions- und Gewissensfreiheit. In Australien sind derzeit zwei gesetzliche Initiativen hängig, die Menschen von «schädlichen Einflüssen» und «Fehlinformationen» bewahren sollen.
Keine Sozialen Medien für unter 16-Jährige
Auf der einen Seite hat die australische Regierung einen Gesetzesentwurf im Parlament eingebracht, der die Nutzung sozialer Medien für Kinder unter 16 Jahren verbieten soll. Die Regierung verwies auf Studien, nach denen bereits zwei Drittel der 14- bis 17-Jährigen auf Social-Media-Kanälen «extrem schädliche Inhalte» wie Drogenmissbrauch, Suizid oder Selbstverletzung gesehen hätten. «Besonders Mädchen würde ein gesundheitsschädliches Schönheitsideal vermittelt, Jungen mit frauenfeindlichen Inhalten konfrontiert», berichtete das deutsche Medienmagazin PRO und präzisiert weiter: «Die geplanten Regelungen würden unter anderem Instagram, Facebook, TikTok, Snapchat sowie X (ehemals Twitter) betreffen. Der Zugang zu Messaging, Online-Spielen und gesundheits- und bildungsbezogenen Angeboten soll den Kindern nicht verwehrt werden. Auch YouTube ist demnach nicht betroffen von dem Verbot.» Den Betreibern der Plattformen sollen bei systematischen Verstössen Strafen von umgerechnet 30,5 Millionen Euro drohen.
Auch andere Länder gehen in die gleiche Richtung. Laut PRO erlaubt Frankreich Kindern bis zum Alter von 15 Jahren die Nutzung sozialer Medien nur mit elterlicher Zustimmung, und auch die britische Regierung erwägt, ein Mindestalter von 16 Jahren für den Konsum sozialer Medien festzulegen.
«Noch nie dagewesene Kontrolle über die Medienberichterstattung»
Auch Erwachsene sollen in Australien «geschützt» werden: Am 7. November verabschiedeten die australischen Gesetzgeber im Repräsentantenhaus mit 78 zu 57 Stimmen den «Communications Legislation Amendment (Combatting Misinformation and Disinformation) Bill 2024». Das Gesetz erlegt Anbietern digitaler Kommunikationsplattformen bestimmte «Verpflichtungen» auf, wenn sie digitale Inhalte verbreiten, die «nachweislich falsch, irreführend oder täuschend sind», wie das australische Parlament auf seiner Website zusammenfasst, «und die mit grosser Wahrscheinlichkeit einen ernsten Schaden (…) verursachen oder zu einem solchen beitragen». Ein Gesetz gegen falsche und schädliche Informationen also, die laut einer Umfrage 2024 75 Prozent der Australier fürchten.
Aber wer definiert, was «falsch, irreführend oder täuschend» ist? Die Australian Christian Lobby (ACL) kämpft gegen das neue Gesetz und bezeichnete es als «orwellianisch» (Orwell, 1984) und «eine unvergleichliche Bedrohung der Meinungsfreiheit in Australien». Die vorgeschlagene Gesetzgebung würde es «der aktuellen Regierung erlauben, ihre subjektive Sicht der `Wahrheit` dem öffentlichen Diskurs aufzuzwingen und abweichende Stimmen zum Schweigen zu bringen», sagte Michelle Pearse, Geschäftsführerin der ACL. Pearse äusserte sich besonders besorgt darüber, dass der Gesetzentwurf die Rechte von Pro-Life-Befürwortern und Menschen, die gegen die Trans-Ideologie sind, zum Schweigen bringen könnte. «(Der Gesetzesentwurf sei) besonders besorgniserregend für Christen und Australier, die radikale Ideologien ablehnen, die von einflussreichen Randgruppen vertreten werden», erklärte Pearse. «Wir haben bereits erlebt, dass der E-Commissioner Beiträge auf X (früher bekannt als Twitter), die radikale Gender-Ideologie kritisieren, gewaltsam entfernt hat.»
«Indem der Medienbehörde die Möglichkeit eingeräumt wird, willkürlich zu bestimmen, was `falsch, irreführend oder täuschend` ist und was `mit grosser Wahrscheinlichkeit Schaden anrichtet oder dazu beiträgt`, gibt dieser Gesetzentwurf der Regierung eine noch nie dagewesene Kontrolle über die Medienberichterstattung über umstrittene und strittige Themen», fügte sie hinzu.
Von der Regierung durchgepeitscht?
Gegen die neue Gesetzgebung sprachen sich viele Parlamentarier aus und äusserten ähnliche Bedenken wie die ACL, so Pearse, die die australische Regierung beschuldigte, «dies durchzudrücken». «Die ACL ist enttäuscht, dass die australische Regierung diese Reformen im Eiltempo durch das Repräsentantenhaus gebracht hat, nachdem sie den Australiern nur elf Tage Zeit gegeben hat, offiziell auf den Gesetzentwurf zu reagieren», fügte Pearse hinzu. Die ACL fordert die australische Regierung auf, das Gesetz über Online-Fehlinformationen aufzugeben und sich für den Schutz der demokratischen Meinungsfreiheit einzusetzen.
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