Zeit schenken, Gemeinschaft erleben

Für Markus Hänni ist es wichtig, dass wir uns Zeit für tiefgehende Gespräche und wahre Begegnungen zu nehmen
Am Schweizer Nationalfeiertag feiern wir Gemeinschaft und Besinnung. Die Emmaus-Jünger aus Lukas 24 zeigen, wie wichtig Gespräche und Begegnungen sind. Wenn wir uns Zeit für uns, unsere Mitmenschen und Jesus nehmen, erleben wir echte Nähe und Freude.

Am Schweizer Nationalfeiertag feiern wir nicht nur unsere Nation, sondern auch die wertvollen Momente der Gemeinschaft und Besinnung. Diese Einladung zur Entschleunigung und zum bewussten Erleben ist nicht nur am Nationalfeiertag von Bedeutung, sondern an jedem einzelnen Tag. Wenn wir uns täglich Zeit nehmen, um innezuhalten, können wir die Hektik des Alltags hinter uns lassen, echte Nähe erleben und die Freude des Augenblicks teilen. So wird Zeit nicht nur zu einem Geschenk, sondern auch zu einem Weg, auf dem wir gemeinsam wachsen und die Schönheit des Lebens in vollen Zügen erleben.

Zeit nehmen, um ein Fest zu feiern, so wie in wenigen Tagen am Schweizer Nationalfeiertag, um Gemeinschaft zu geniessen oder eine Pause zu machen. Sich Zeit nehmen und als unser wertvollstes Gut verschenken – also Zeit nehmen und Zeit schenken. Wir leben in einer Zeit, in der alles schnell und effizient gehen muss. In unserem Alltag wird durch die Digitalisierung und künstliche Intelligenz vieles schneller erledigt. Das Ziel ist stets, das Tempo zu erhöhen. Alles soll optimiert und abgekürzt werden. Wir wollen schneller ans Ziel kommen. Aber wie sieht das im geistlichen Leben aus? Können wir da auch Abkürzungen nehmen? Wie definiert Gott Effizienz? Ich denke an zwei Menschen, die zusammen unterwegs waren – zu Fuss. Beide haben in Jerusalem etwas erlebt, das sie zutiefst enttäuscht und irritiert hat. Sie ziehen sich zurück und verlassen Jerusalem. Ihr Ziel ist das Dorf Emmaus. Es geht um Kleopas und Simeon. Die beiden sind Jünger von Jesus. Das heisst, sie sind gute Freunde von ihm und haben viel Zeit mit ihm verbracht. Ihre Geschichte lesen wir in Lukas Kapitel 24, Verse 13 bis 35, bekannt als die Emmaus-Jünger.

Unterwegs haben sie genug Zeit, ihre Gedanken und Gefühle auszutauschen. Sie reden über all das Schreckliche, das in den letzten drei Tagen mit Jesus passiert ist. Sie sind sehr in ihren Gedanken vertieft und haben kaum Augen und Ohren für etwas anderes. So sind sie schon ziemlich lange unterwegs, als sich plötzlich Jesus ihnen anschliesst. Mit einer einfachen Frage unterbricht er sie und die beiden Jünger bleiben stehen. Was hat bei ihnen diese Pause ausgelöst? Die Pause hilft den beiden, wahrzunehmen, was sie fühlen: Traurigkeit. Gleichzeitig bringen sie mit ihrer Gegenfrage ihre Verwunderung über die scheinbare Ahnungslosigkeit dieses für sie noch fremden Mannes zum Ausdruck. Jesus lässt sich davon nicht beeindrucken und stellt ihnen noch eine weitere Frage. Warum macht er das? Damit er mit den beiden Jüngern noch tiefer ins Gespräch einsteigen kann. Mit Erfolg: Sie fangen an zu erzählen, was sie beschäftigt und kommen so der Wurzel ihres vorherrschenden Gefühls der Traurigkeit auf die Spur.

Jesus nimmt sich Zeit

Jetzt wäre aus meiner Sicht ein günstiger Moment für Jesus, sich den Jüngern zu erkennen zu geben, oder nicht? Vielleicht mit einem: «Hallo, hier bin ich wieder. Ich bin auferstanden. Ja, wirklich. Schaut meine Hände und Füsse. Und jetzt geht schnell nach Jerusalem und erzählt den anderen davon.» Aber was macht Jesus stattdessen? Er lässt die Jünger weiterreden, bis sie alles gesagt haben, was sie so traurig macht. Jesus gibt ihnen die Zeit, die sie brauchen. Dabei lässt er sich voll und ganz auf ihre Lebensrealität ein. Er nimmt sie ernst. Zwischen ihnen wächst das Vertrauen. Dann beginnt Jesus zu reden, und zwar Klartext. Er zeigt ihnen auf, wo tatsächlich der Schuh drückt. Jesus lässt sie sozusagen das Problem hinter ihrem Problem erkennen: ihr Herz! Der Unglaube, mit dem sie die Ereignisse deuten. Warum gibt sich Jesus zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht zu erkennen? Es wäre doch viel effizienter, rasch zur Sache zu kommen. Oder noch besser, direkt nach Jerusalem zu den anderen elf Jüngern zu gehen. Damit könnte er den Weg deutlich abkürzen. Für sich selbst. Für die Jünger. Und er würde einiges an Zeit sparen. Bis zu seiner Himmelfahrt gibt es ja sicher noch genug zu tun.

Es berührt mich, wie Jesus sich Zeit nimmt für diese zwei trauernden und enttäuschten Jünger. Nur für zwei! Er schickt keinen Engel, der sie sofort in die andere Richtung lenken würde. Nein. Stattdessen geht er selbst zu ihnen und nimmt sich für sie viel Zeit. Er ist einfach da. Er geht den Weg, den die Jünger für sich gewählt haben, ganz selbstverständlich mit. Sowohl äusserlich als auch innerlich. Er drängt und hetzt sie nicht, sondern passt sich ihrem Tempo an, bis nach Emmaus. Jesus akzeptiert zuerst einmal das Ziel der Jünger, um erst dann zum Ziel Gottes mit ihnen zu kommen.

Glaube ist ein Weg ohne Abkürzung

Für uns bedeutet das: Auch wir können mit unserem Tempo mit Jesus als Wegbegleiter unterwegs sein und wachsen. Nicht schneller. Jesus lässt uns die Zeit, die wir brauchen, um etwas von Gottes Perspektive auf unser Leben zu begreifen. Bemerkenswert ist, dass die Jünger nach ihrer Ankunft in Emmaus wieder zurück nach Jerusalem gehen, von wo sie eigentlich erst gerade gekommen sind. Jesus hat sie mit keinem einzigen Wort dazu aufgefordert. Und ihre Lebensrealität hat sich seit ihrem Aufbruch von Emmaus nicht wirklich verändert. Jesus ist ein zweites Mal weg und die Römer werden immer noch in Jerusalem sein. Was motiviert sie also dazu, gegen Abend nochmal 11 km zu laufen? Ich glaube, die Tatsache, dass Jesus und seine Worte ihnen nicht nur äusserlich begegnet sind, sondern auch innerlich. Sie sind ihm selbst begegnet, in Person und mit ihrem Herzen. Oft beten wir um Veränderung unserer Umstände. Jesus geht es hier aber offensichtlich um etwas anderes als einfach – wenn wir im Bild der Emmaus-Jünger bleiben – die Römer aus unserem Leben zu werfen. Jesus will eine umfassende Freiheit für uns. Er will, dass wir begreifen, wer er ist. Denn nur er verändert unser Herz nachhaltig. Die wirkliche Veränderung unseres Lebens fängt also dort an. Und das braucht Zeit. Dafür muss man sich immer wieder unterbrechen lassen. Das Entscheidende ist nicht das Tempo, das wir haben, sondern mit wem wir den Weg gehen. Der Glaube ist ein Weg ohne Abkürzung. Schneller geht es nicht!

Zeit nehmen und Zeit schenken – für mich selbst, für andere Menschen und vor allem für die Gemeinschaft mit Jesus, während der ich meine Gedanken, Fragen und Antworten schriftlich festhalte, damit sie nicht in Vergessenheit geraten und ich wachsen und mir von Jesus her etwas zuwachsen kann. Oft beginne ich diese stille Zeit mit einem eigenen Gebet:  

«Danke, dass du mir Zeit schenkst, ich mir Zeit nehmen darf und du dir Zeit für mich nimmst. Danke, dass du mich ernst nimmst, meine Gedanken verstehst und mich tröstest. Du bist bei mir, wenn ich meinen Gedanken nachhänge und schenkst mir neue Kraft und Zuversicht. Du allein vermagst es, mein Herz zu verändern und es immer wieder auf dich auszurichten. Wie es in den Sprüchen heisst: 'Aus meinem Herzen quillt das Leben.' Was kann ich also Besseres tun, als mit meinem Herzen immer wieder zu dir zu kommen. Bei dir finde ich alle Weisheit, allen Frieden und alle Freude. Bei dir kommt mein Herz zur Ruhe. Danke, Jesus, dass du in meinem Herzen regierst. Dir gilt alle Ehre, am Nationalfeiertag wie auch an jedem anderen Tag. Amen.»

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Autor: Markus Hänni
Quelle: Livenet

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