Als das Christentum in der Golfregion verbreitet war
Ein neu entdecktes antikes Bauwerk wirft ein Licht auf die historischen Wurzeln der christlichen Gemeinschaften in der Golfregion. Die Kirche des Ostens, die auch als nestorianische Kirche bezeichnet wird, wurde der Überlieferung nach von dem Apostel Thomas im ersten Jahrhundert n. Chr. begründet und hatte ihre eigene Interpretation der christlichen Theologie und Liturgie. Die nestorianische Kirche blühte einige Jahrhunderte lang in der Region, bis der Islam im 7. Jahrhundert n. Chr. den gesamten arabischen Raum eroberte und auch in Bahrain die islamische Ära einläutete.
Gemeinschaftsprojekt
Die Ausgrabungen durch Teams aus Bahrain und Grossbritannien wurden von 2019 bis 2023 durchgeführt. Initiator war das bahairanische Amt für Kultur und Altertümer unter der Leitung von Dr. Salman Al Mahari; die wissenschaftliche Leitung hatte Professor Timothy Insoll vom Institut für Arabische und Islamische Studien der Universität Exeter. In Samaheej, einem Dorf an der Nordküste der Insel Muharraq, brachten die Forscher frühe christliche Siedlungen ans Licht, die bis viele Jahrhunderte vor der Ausbreitung des Islam zurückreichen. Radiokarbondatierungen bestätigen, dass die Samahij-Stätte von der Mitte des vierten bis zur Mitte des achten Jahrhunderts n. Chr. bewohnt war und wahrscheinlich aufgegeben wurde, als sich der Islam unter der lokalen Bevölkerung weiter ausbreitete.
Tief unter einer Moschee
Die Ausgrabung begann auf einem Hügel innerhalb des Samahij-Friedhofs, wo die Archäologen Reste einer 300 Jahre alten Moschee fanden, die unter dem Boden verborgen war. Als sie noch tiefer gruben, entdeckten sie ein grosses Gebäude mit acht Räumen, darunter eine Küche, ein Esszimmer, eine Werkstatt und drei Wohnräume.
Diese Entdeckung ist insofern einzigartig, da sie in einer modernen, dicht besiedelten Stadt stattfand, im Gegensatz zu früheren christlichen Strukturen, die in abgelegenen Gebieten entlang der Golfküste gefunden wurden.
Zu den wichtigen Funden bei den Ausgrabungen gehören drei Gipskreuze sowie Wandschnitzereien mit einem Fischsymbol und einem Teil der «Chi Rho»-Radierung, die das Wort Christus darstellt.
Lebensstandard und Handel
Das ausgegrabene Gebäude mit seinen verputzten Steinwänden und Gipsböden gibt einiges über das Leben seiner Bewohner preis. Löcher weisen auf die Position von Türen und Sitzen hin. Die Küche hatte eingebaute Öfen mit Sockeln und Ablageflächen. Die Artefakte lassen darauf schliessen, dass die Bewohner einen guten Lebensstandard genossen und Fleisch, Fisch, Schalentiere und verschiedene Feldfrüchte verzehrten.
Der Fund von Halbedelsteinperlen aus Achat und zerbrochener indischer Keramik weist auf Handel, insbesondere mit Indien, hin. Kleine Trinkgläser und zwölf Kupfermünzen deuten auf die Währung des Sassanidenreiches, Spinnwirtel und Kupfernadeln auf eine mögliche Stoffproduktion für religiöse Zwecke hin. «Wir waren amüsiert, als wir feststellten, dass jemand mit Bitumen einen Teil eines Gesichts auf eine Perlenmuschel gezeichnet hatte, möglicherweise für ein Kind, das in dem Gebäude lebte», schwärmte Professor Insoll.
Reiche Kultur vor dem Islam
Dr. Salman Al Mahari wies darauf hin, dass die Ausgrabungen kurz vor dem Abschluss stehen, und betonte die Bedeutung der Stätte für die bahrainische Geschichte, die wertvolle Einblicke in die christliche Präsenz in der Region bietet.
«Wir betonen die Bedeutung dieser Stätte und die Notwendigkeit, sie zu erhalten und ihren historischen und archäologischen Wert hervorzuheben», erklärte Professor Insoll. «Dies ist der erste physische Beweis für die nestorianische Kirche in Bahrain, der einen faszinierenden Einblick in das Leben, die Arbeit und das gottesdienstliche Leben der Menschen gibt.» Dieser Fund bereichere nicht nur unser Verständnis der vielfältigen religiösen Geschichte der Region, sondern verdeutliche auch die reiche Kultur, die in Bahrain lange vor dem Aufkommen des Islam existierte.
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