Nicaragua: 100 evangelische Pastoren in Haft

Der Präsident Daniel Ortega von Nicaragua und seine Frau Rosario Murillo bei einer Rede.
Evangelikale Organisationen gehören zu den Kräften, die das Präsidentenpaar Ortega-Murillo in Nicaragua fürchtet. Jetzt wurde bekannt, dass rund 100 Pastoren in dem mittelamerikanischen Land in Haft sitzen.

Nicaragua befindet sich seit April 2018 in einer tiefen politischen, sozialen und freiheitlichen Krise, die sich nach den umstrittenen Parlamentswahlen vom 7. November 2021, bei denen Daniel Ortega für eine fünfte Amtszeit wiedergewählt wurde, noch verschärft hat. Ortegas Ehefrau Rosario Murillo war in den letzten vier Amtsperioden Vizepräsidentin Nicaraguas. Ihre wichtigsten Gegenkandidaten sind im Gefängnis oder im Exil. Im Jahr 2023 bezeichnete der 79-jährige Ortega, der sichtbar körperlich und geistig beeinträchtigt erschien, seine Frau als «Co-Präsidentin». Murillo ist bekannt für ihren Glauben an verschiedene New Age-Theorien

Massive Massnahmen

Die Regierung Nicaraguas ist in den letzten Jahren massiv gegen die katholische Kirche vorgegangen. So wurde, nachdem sich Papst Franziskus kritisch über die Regierung geäussert hatte, die Botschaft des Heiligen Stuhls in Managua geschlossen, die Caritas verboten und zahlreiche Priester verhaftet und ausgebürgert. In der Karwoche 2023 verbot das Regime jegliche Osterprozessionen. Nach der Meinung des Vorsitzenden der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Edgar Lamm, sind damit «Meinungs- und Religionsfreiheit (...) praktisch nicht mehr vorhanden».

Nach den gewaltsamen Protesten 2018 hatte das Regime im Eilverfahren ein neues Gesetz beschlossen, mit welchem auch friedlicher Protest als Terrorismus bestraft werden kann. Oppositionelle werden nachts in ihren Wohnungen verhaftet, ihre Häuser wurden durchsucht, sie werden umgehend wegen «Verschwörung» oder «Verbreitung von Fake News» angeklagt.

Im Jahr 2022 ging die Regierung massiv gegen regierungskritische Medien und zivilgesellschaftliche Gruppen vor; zahlreiche kirchliche und private Radio- und Fernsehsender wurden geschlossen und Hunderten NGOs die Zulassung entzogen. Am 26. Februar dieses Jahres schloss das Regime eine weitere Universität (Unacad) und 13 Organisationen, darunter mehrere evangelikale. Mit diesen Schliessungen wurden seit 2021 mehr als 3'550 Organisationen aufgelöst, unter ihnen rund 10 Prozent (342) religiöse, vorwiegend evangelikale.

Druck auf Evangelikale

Der US-Missionar John Britton Hancock, Leiter des «Mountain Gateway Service» erklärte in einem Interview mit «Evangelico Digital», dass derzeit einhundert Pastoren in Nicaragua im Gefängnis sitzen. Laut Juan Sebastián Chamorro, einem ehemaligen politischen Gefangenen und Exilanten, «richtet die Diktatur ihre religiöse Verfolgung gegen die Evangelikalen. Evangelikale Pastoren und Missionare sehen schweren Zeiten entgegen.»

Im Januar dieses Jahres hat der Fall von «Mountain Gateway» Beachtung erlangt: Die amerikanische Mission unterhält seit über zehn Jahren eine Gemeinde im Land und führte am 10. und 11. November 2023 eine Nacht der Erweckung, Anbetung und Evangelisation durch, die von 1'300 Gemeinden fast aller evangelikalen Denominationen unterstützt wurde. Schätzungsweise 200'000 Menschen nahmen an der Veranstaltung teil, über die auch die Medien ausführlich berichtet hatten. Jetzt beschuldigte das Regime die Mission der «Geldwäsche» – ein bekannter Vorwand für religiöse Repressalien; die Behörden leiteten Ermittlungen gegen zwölf Nicaraguaner und drei US-Missionare ein, darunter John Britton Hancock. Die Anwältin und Ermittlerin Martha Patricia Molina erklärte: «Ich glaube nicht, dass es sich um Geldwäsche handelt. Diese Kirche ist seit 2013 in Nicaragua tätig, warum zehn Jahre warten, um eine Untersuchung wegen Geldwäsche einzuleiten?» Mountain Gateway finanziert sich durch Spenden von Bruce Wagner, Besitzer einer Fluggesellschaft und des Evangelisationsdienstes «Shake the Nations» in den USA. Dies geschieht auf völlig legale Weise.

Wirtschaftlicher Exodus – mehr Druck gefordert

Marcel Caroso (Name geändert), Pastor einer evangelikalen Kirche in Nicaragua, erklärte 2023 in einem Interview mit dem deutschen Radiosender «Radio Horeb»: «Die politische und wirtschaftliche Situation ist aus verschiedenen Gründen sehr kritisch in unserem Land. Wir haben eine sehr hohe Arbeitslosigkeit. Die Produktionskapazitäten liegen brach, weil eben sehr viel qualifizierte Fachkräfte das Land blitzartig verlassen haben, sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Industrie. Überall fühlt man diesen Fachkräftemangel», so Pastor Caroso. Mit Blick auf die dramatische Lage forderte er Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft: «Wir selbst als Volk haben ja Position bezogen und haben versucht, etwas dagegen zu unternehmen. Wir hatten so viele Massaker. Es haben so viele Menschen das Leben verloren. Ich denke, es wäre wirklich an der Zeit, dass mehr Druck von internationaler Seite auf den Präsidenten, auf das Land ausgeübt wird.»

Open Doors hat Nicaragua auf Platz 30 seines Weltverfolgungsindex 2024 gesetzt und erklärt, dass «die Feindseligkeit gegenüber Christen in Nicaragua weiter zunimmt, da diejenigen, die sich gegen Präsident Ortega und seine Regierung aussprechen, als destabilisierende Agenten angesehen werden».

Die grosse Mehrheit der nicaraguanischen Bevölkerung sind Christen. Jüngsten Daten zufolge bekennen sich 45 Prozent der Nicaraguaner als Evangelikale (mit einer stärkeren Verwurzelung im Landesinneren und in ländlichen Gebieten), während sich ein ähnlicher Prozentsatz als Katholiken bezeichnet.

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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Evangelical Focus / Die Tagespost

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