Nach dem Tod von Mohammed Hassan am K2

Der K2 in seiner imposanten Grösse
Er installierte Seile, damit «Berg-Touristen» ihre Träume und Rekordjagden vorantreiben konnten: Als Mohammed Hassan verunfallte, stiegen Dutzende über ihn, ohne zu helfen. Die Geschichte rüttelt auf und muss uns etwas lehren.

Das Schreckensereignis am K2, mit 8'611 Metern dem zweithöchsten Berg der Welt, erschüttert. Der pakistanische Höhenträger Mohammed Hassan (Mitarbeiter der «Lela Peak Expedition») montierte Seile, damit Bergsteiger den Gipfel in Angriff nehmen konnten.

Wegen einer Lawine rutschte Hassan jedoch ab. Laut Medienberichten hing er rund eine Stunde lang kopfüber an einem Seil, ehe ihn jemand zurückzog. Am Absturzort wurde ein neues Seil installiert, damit die anderen weitergehen konnten. Insgesamt kämpfte er drei Stunden um sein Leben. Dutzende Menschen stiegen über ihn hinweg, einzig den Gipfel vor Augen. Eine Tragödie, die hätte verhindert werden können, erklärt die Schweizer Bergsteigerin Evelyne Binsack im «Blick»: «Doch am Berg wird der Tourist zum Tier.»

«Es hätte nur drei, vier Leute gebraucht»

Viele Touristen lassen sich per Hubschrauber in die Basislager fliegen, sich mittels Fixseilen – wie Mohammed Hassan sie wartete – behelfen und ihr Material von Sherpas zum Gipfel hochtragen. Der österreichische Bergsteiger Wilhelm Steindl äusserte sich im «Standard» dazu: «Er lebte noch, während etwa 50 Leute an ihm vorbei gestiegen sind. Augenzeugen sagten, dass er nach Füssen anderer Bergsteiger griff, um Hilfe zu bekommen.» Laut Steindl wären nur drei, vier Leute nötig gewesen, um ihn herunterzubringen. Aufgrund des Wetters war der Tag die letzte Möglichkeit, den Gipfel noch zu besteigen. Niemand wollte offenbar seine Gipfel- und Rekord-Jagd gefährden.

Im Lager gefeiert

Kritisiert wird unter anderem die Norwegerin Kristin Harila, die alle 14 Achttausender in 92 Tagen bestieg; dazu liess sie sich in die Basislager einfliegen und von vielen Sherpas helfen. Steindl spricht von einer Schande. «Da wird ein lebender Mensch liegengelassen, damit Rekorde erzielt werden können.» Nach ihrem «Triumph» feierte sie im Basis-Lager eine Party. Steindl war dazu ebenfalls eingeladen. Angewidert sagte er jedoch ab; er selbst hatte aufgrund der erhöhten Lawinengefahr seine Tour abgebrochen.

Mohammed Hassan hinterlässt eine Frau und drei Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren. Der Arbeitgeber scheint den Hinterbliebenen nichts bezahlen zu wollen, da er seine Arbeit nicht zu Ende geführt habe. Steindl besuchte mit einem anderen Bergsteiger die Familie, die sich kaum Essen und Medizin leisten kann. «Die norwegische Rekordjägerin Kristin Harila und viele der Bergsteiger sind mit Helikoptern über uns und die Familie hinweggeflogen. Was für ein symbolisches Bild. Der Helikopter zum Rausfliegen kostet bis zu 12'000 Dollar pro Person.»

Mitmenschen wie sich selbst lieben

Originalaufnahme aus dem Video

Die Tragödie erinnert unweigerlich an die Geschichte rund um den barmherzigen Samariter in der Bibel. Es sind die Worte Jesu, die ins Zentrum einer kalten Welt rücken müssen. Die Begebenheit aus dem zehnten Kapitel des Lukasevangeliums (Lukas, Kapitel 10, Verse 25-37) soll deshalb hier zitiert werden:

«Da stand ein Gesetzeslehrer auf, um Jesus eine Falle zu stellen. ‘Lehrer’, fragte er, ‘was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?’ Jesus erwiderte: ‘Was steht denn im Gesetz Gottes? Was liest du dort?’ Der Gesetzeslehrer antwortete: ‘Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit all deiner Kraft und mit deinem ganzen Verstand. Und auch deinen Mitmenschen sollst du so lieben wie dich selbst.’ ‘Richtig!’, erwiderte Jesus. ‘Tu das, und du wirst leben.’ Aber der Mann wollte sich verteidigen und fragte weiter: ‘Wer gehört denn eigentlich zu meinen Mitmenschen?’ Jesus antwortete ihm mit einer Geschichte: ‘Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho. Unterwegs wurde er von Räubern überfallen. Sie schlugen ihn zusammen, raubten ihn aus und liessen ihn halb tot liegen. Dann machten sie sich davon.»

Der barmherzige Samariter

«Zufällig kam bald darauf ein Priester vorbei. Er sah den Mann liegen und ging schnell auf der anderen Straßenseite weiter. Genauso verhielt sich ein Tempeldiener. Er sah zwar den verletzten Mann, aber er blieb nicht stehen, sondern machte einen großen Bogen um ihn. Dann kam einer der verachteten Samariter vorbei. Als er den Verletzten sah, hatte er Mitleid mit ihm. Er ging zu ihm hin, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier und brachte ihn in den nächsten Gasthof, wo er den Kranken besser pflegen und versorgen konnte. Am folgenden Tag, als er weiterreisen musste, gab er dem Wirt zwei Silberstücke aus seinem Beutel und bat ihn: ‘Pflege den Mann gesund! Sollte das Geld nicht reichen, werde ich dir den Rest auf meiner Rückreise bezahlen!’

‘Was meinst du?’, fragte Jesus jetzt den Gesetzeslehrer. ‘Welcher von den dreien hat an dem Überfallenen als Mitmensch gehandelt?’ Der Gesetzeslehrer erwiderte: ‘Natürlich der Mann, der ihm geholfen hat.’ ‘Dann geh und folge seinem Beispiel!’, forderte Jesus ihn auf.»

Diese Aufforderung Jesu braucht in unserer Welt wieder mehr Berücksichtigung.

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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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