Verfolgungsindex 2017

Zunehmende Christenverfolgung in Indien und Südostasien

Der Druck und die Verfolgung gegen Christen in Süd- und Südostasien nehmen stark zu. Aber es gibt auch Verbesserungen, so etwa im Irak und in Äthiopien. Dies geht unter anderem aus dem Weltverfolgungsindex 2017 hervor, der heute von der Organisation Open Doors veröffentlicht wurde.
Muslimischer Mob brennt Häuser von Christen nieder (Bild aus Lahore, Pakistan)
Ein Kreuz aus Kerzen im Gedenken an die tausenden inhaftierten Christen in Nordkorea.
Die Christen in Yemen leiden stark unter der Verfolgung wegen der Scharia.
Christen im Irak.
Vietnamesische Hausgemeinde

Mit der Machtübernahme der Bharatiya Janata Party (BJP) in Indien erlebten die religiös-nationalistischen Bewegungen einen erneuten Aufschwung in ihren Aktivitäten, insbesondere in solchen, die sich gegen die christliche Gemeinschaft richten. Diese Tendenz zeigt sich auch in anderen Teilen des Kontinents: Fünf der sechs Länder, in denen sich die Situation am meisten verschlechtert hat, liegen in Asien. Neben Indien gehören dazu auch Bangladesch, Laos, Bhutan und Vietnam, wobei die Triebkraft für die Zunahme der Christenverfolgung in diesen Ländern jeweils der religiöse Nationalismus ist.

Kaum Veränderungen an der Spitze der Liste

An der Spitze des Weltverfolgungsindex steht einmal mehr Nordkorea. Das Regime von Pjöngjang, das Religion gegenüber überaus feindlich gesinnt ist, scheut weiterhin keine Mühen, das Christentum auszulöschen. Somalia steigt vom vierten auf den zweiten Platz. Die hohe soziale Kontrolle aufgrund der Stammesstruktur und der autoritäre Charakter der somalischen Gesellschaft bedeuten den beinahe unmittelbaren Tod für jeden Somali, der sich vom Islam abwendet, um den christlichen Glauben anzunehmen.

Auch wenn in Syrien und im Irak weniger gezielte Angriffe auf Christen registriert wurden – insbesondere in den Gebieten, die unter der Kontrolle des Islamischen Staats sind –, sind Christen in diesen Ländern nach wie vor jeden Tag sehr grossem Druck ausgesetzt.

Deutlichste Verschlechterung: Jemen

Das einzige Land, das neu unter den ersten zehn aufscheint, ist der Jemen, der damit Libyen vom zehnten Platz verdrängt. Der Jemen ist das Land, in dem sich die Situation für Christen am deutlichsten verschlechtert hat. Christen befinden sich im Kreuzfeuer des Konflikts zwischen Schiiten und Sunniten, zwischen den militärisch von Teheran unterstützten Huthi-Rebellen und den regierungstreuen Streitkräften, die von Saudi-Arabien unterstützt werden. Auf beiden Seiten ist eine hohe islamistische Gewaltbereitschaft vorhanden, und Christen sind ein leichtes Ziel.

Wo sich die Situation verbessert

Die Gesamtpunktzahl der 50 Länder mit der stärksten Christenverfolgung ist zwischen 2016 und 2017 leicht angestiegen, und zwar von 3297 auf 3357 Punkte.  Damit ist die Punktezahl jedes der 50 betroffenen Länder auf dem Index durchschnittlich um 1,2 Punkte gestiegen, wobei die Mindestpunktezahl, um sich für den Index zu qualifizieren, 2017 bei 53 von 100 möglichen Punkten lag. 

Deutliche Verbesserungen wurden hingegen im Irak (Platz 7 mit 86 Punkten), in Eritrea (Platz 10 mit 82 Punkten), in Äthiopien (Platz 22 mit 64 Punkten) und in Aserbaidschan registriert. Letzteres ist aktuell nicht mehr auf dem Index gelistet, während es 2016 mit 57 Punkten noch auf Platz 34 lag.

Über 200 Millionen Menschen leiden unter starker Verfolgung

Zusammengefasst haben die 50 Länder mit der stärksten Christenverfolgung weltweit eine Gesamtbevölkerung von 4,83 Milliarden Menschen. Die Gesamtzahl der Christen wird auf 650 Millionen, also auf rund 13 % der Bevölkerung geschätzt. Es wird davon ausgegangen, dass ein Drittel von ihnen, also rund 215 Millionen, starker Verfolgung ausgesetzt ist.

Gemäss der Terminologie des Weltverfolgungsindex gilt Verfolgung als «stark», wenn die christliche Minderheit trotz gewisser Rechte und manchmal gar der Erlaubnis, sich in autorisierten Kirchen zu treffen, mit deutlicher Feindseligkeit von Seiten der Mehrheit der Bevölkerung konfrontiert ist. Dies kann sich in Form von konkreten Drohungen gegen die christlichen Leiter äussern, oder aber dadurch, dass ihnen gewisse Arbeitsstellen oder Möglichkeiten auf Bildung verwehrt bleiben.

Rückgang von Gewalttaten gegen Christen

Obwohl das Jahr 2016 von unzähligen Anschlägen geprägt war, waren nur sehr wenige davon gezielt gegen die christliche Gemeinschaft an sich gerichtet. Von Open Doors wurden 1'207 Christen registriert, die aufgrund ihres Glaubens getötet wurden, im Vergleich zu über 7'100 im Jahr zuvor. Nigeria ist nach wie vor das Land, in dem die meisten Christen aufgrund ihres Glaubens getötet wurden, selbst wenn die Terror-Sekte Boko Haram in ihren Aktivitäten zunehmend eingeschränkt ist und nicht mehr so viele Aktivitäten gegen Christen durchführen konnte wie noch 2015.

Weltweit wurden 1'329 Kirchen zerstört und beschädigt. Im Jahr zuvor waren es noch 2'400. Diese Statistiken beziehen sich lediglich auf gut dokumentierte Fälle. Folglich stehen auch dieses Jahr keine Zahlen für Nordkorea zur Verfügung.

Weitere Zahlen

Für die Berichtsperiode vom 1. November 2015 bis zum 31. Oktober 2016 sind die ersten zehn Länder auf dem Weltverfolgungsindex: Nordkorea (92 Punkte), Somalia (91 Punkte), Afghanistan (89 Punkte), Pakistan (88 Punkte), Sudan (87 Punkte), Syrien (86 Punkte), Irak (86 Punkte), Iran (85 Punkte), Jemen (85 Punkte) und Eritrea (82 Punkte).

Zwei Newcomer: Sri Lanka und Mauretanien

Zwei Länder scheinen 2017 neu auf dem Weltverfolgungsindex auf: Sri Lanka und Mauretanien. Während diese 2016 vorübergehend nicht mehr Teil des Weltverfolgungsindex waren, haben sie sich dieses Jahr erneut dafür klassifiziert. Aserbaidschan und Niger sind hingegen nicht mehr auf dem Index gelistet.

Warum ein Verfolgungsindex

Der Weltverfolgungsindex listet die 50 Länder auf, in denen Christen am stärksten verfolgt werden. Diese jährliche Rangliste bietet einen Gesamtüberblick über die Situation der Christen weltweit.

Mit dem Ende des Kalten Krieges in den 90er-Jahren und den daraus resultierenden Veränderungen im Ostblock erachtete es Open Doors als sinnvoll, die Christenverfolgung zu messen, um zu ermitteln, wo die Arbeit der Organisation die grösste Wirkung hat. Dieses Instrument wurde anschliessend professionalisiert, um akademischen Anforderungen gerecht zu werden. Im Verlauf der Jahre ist der Weltverfolgungsindex zu einem Referenzinstrument für Politiker, Journalisten und die Öffentlichkeit geworden.

Nach einer ersten Schnellanalyse, bei der ermittelt wird, ob sich ein Land für den Index qualifizieren könnte, werden interne und externe Experten von Open Doors damit beauftragt, Fragebögen auszufüllen. Diese werden anschliessend von einem Team von Forschern ausgewertet und aufbereitet und jährlich Anfang Januar veröffentlicht.

Druck und Gewalt

Der Fragebogen untersucht, durch welche Art von Druck die Ausübung des christlichen Glaubens eingeschränkt wird. Der Druck wird in fünf unterschiedlichen Bereichen gemessen: Privatleben, Familienleben, soziales Leben, Zivilleben und kirchliches Leben. Eine sechste Kategorie untersucht die Gewalt gegen Personen und Besitz und Vermögen von Christen. Diese Art von Gewalt findet sich in allen Bereichen wieder, wird aber am Ende der Analyse getrennt betrachtet. Die Antworten auf diese sechs Kategorien von Fragen ergeben eine Gesamtpunktzahl, welche die Reihenfolge aller Länder auf dem Index bestimmt.

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Datum: 11.01.2017
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Open Doors