«Wir diskutieren den Klang von Motoren»

Kommunikation ist etwas vom Wichtigsten in der Erziehung
Wenn die Kinder gross werden und aus dem Haus gehen, entwickeln sich auch die Vaterrollen weiter. Frank Ulatowski berichtet, wie sich alles ändert, er aber weiterhin gebraucht wird – und sich in die neue Rolle einfindet.

Kommunikation ist das Wichtigste in einer Beziehung und das gilt besonders in der Kindererziehung. Es klingt vielleicht wie ein abgedroschener Rat aus einem Erziehungsbuch. Aber ich kann aus meiner Erfahrung bestätigen, dass dieser Ratschlag absolut richtig und wichtig ist. Und das gilt nicht weniger, wenn die Kinder erwachsen sind.

Ein Strauss von Themen

Selbstverständlich verändern sich die Themen, über die wir kommunizieren. Es gehört für mich zum «fun part» meines Lebens, dass ich mich inzwischen mit Dingen beschäftige, von denen ich es nie geglaubt hätte. So diskutiere ich mit meinem Sohn Tim über den BMW E30 aus den 80ern oder den Klang von 6-Zylinder-Motoren. Wir haben vorletztes Jahr sogar gemeinsam so ein Auto gesucht und gekauft. Und grosses Lob von allen Seiten bekommen. Davor haben wir Hip-Hop, DJ-Controller und Skateshops erörtert. Jetzt sind wir zu Aktienkursen und Anlagestrategien übergegangen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, dass Themen und Interessen bei jungen Menschen sehr häufig wechseln können. Aber nun geniesse ich es sehr, unseren Sohn in dieser Phase seines Lebens zu erleben und ihm noch den einen oder anderen Impuls mit auf den Weg zu geben.

Bei unserer älteren Tochter habe ich gelernt, dass sich nicht nur die Themen, sondern irgendwann auch die Rollen und Einstellungen ändern. Hanna ist Politologin und immer wieder fange ich irgendwelche Diskussionen über Fast Fashion, Lieferkettengesetze oder Geschlechtergerechtigkeit an, wenn wir uns treffen. Die Themen interessieren mich und ich diskutiere gern mit ihr. Irgendwann musste ich mir aber eingestehen, dass sie in ihren Fachbereichen sehr viel kompetenter ist als ich und dass unsere Ansichten nicht immer deckungsgleich sind. Obwohl diese Erkenntnis weder grossartig noch überraschend war, bedeutete sie eine Umstellung für mich. Denn meine Rolle als Vater, der zu allem irgendetwas Richtiges weiss, wurde auf einmal bedeutungslos. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass dies im Grunde überhaupt kein Verlust für mich ist. Im Gegenteil: Ich geniesse es inzwischen sehr, von den Kindern zu lernen, angeregten Austausch darüber zu haben und mich dabei innerlich zurücklehnen zu können.

Verpasste Gelegenheiten

Egal, in welcher Phase sich eine Familie befindet: Die Beziehungen zueinander bedeuten «lebenslanges Lernen» – auch im Rückblick. Momentan bin ich damit beschäftigt, die gemischten Gefühle einzuordnen, die durch manche Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit unseren Kindern hervorgerufen werden. Meine Familie liebt Gesellschaftsspiele und Netflix-Serien. Ich selbst finde beides schrecklich langweilig. Meist habe ich mir irgendeine Ausrede gesucht, um nicht daran teilnehmen zu müssen. Jetzt frage ich mich, ob das nicht verpasste Gelegenheiten waren, Spass mit Familie und Freunden zu haben, nur weil meine Bequemlichkeit stärker als mein Interesse war.

Oder der Glaube an Jesus in unserer Familie: Manchmal habe ich das Gefühl, zu wenig von dem vermittelt zu haben, was mir eigentlich so wichtig ist. Hätte ich ein überzeugenderes Vorbild sein können? Wäre es anders, wenn ich meinen Glauben engagierter kommuniziert hätte? An diesen Fragen arbeite ich momentan. Noch herrscht ein Gefühl von Wehmut über viele verpasste Gelegenheiten vor. Ich komme aber langsam dahinter, dass meine Erziehungskünste wahrscheinlich nicht das Wichtigste waren.

Manches noch offen

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn gehört in diesem Zusammenhang zu meinen liebsten Bibeltexten. Der Vater wird als sehr kommunikativ beschrieben. Er sucht das Gespräch mit seinen Söhnen, redet mit ihnen und geht auf ihre Situation ein. Damit hat er allerdings keinen sichtbaren Erfolg, denn er kann die Einstellungen seiner Kinder letztendlich nicht bestimmen. Trotzdem lässt er sich nicht davon abhalten, weiter mit ihnen im Gespräch zu bleiben, sich über seine Kinder zu freuen und ihnen seine Liebe zu versichern. Im Gleichnis wird offengelassen, wie der ältere Sohn am Schluss auf den Vater reagiert. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Vater ihn am Ende auch noch gewinnt, obwohl er mit seinen Argumenten an seine Grenzen gestossen ist.

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Autor: Frank Ulatowski
Quelle: Magazin FamilyNext 4/24, SCM Bundes-Verlag

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