«Ich war an meiner Beerdigung…»

Rolf Senn, 57 Jahre, verheiratet, hat drei Kinder, wohnt in Hemmental (Gde. Schaffhausen)
Ein Unfall bei Holzerarbeiten erschütterte Rolf Senns Leben als junger Mann in seinen Grundfesten. Heute blickt er für die «Hope Schaffhausen» zurück und erzählt selbst.

«Vogelgezwitscher als ersten Vorboten des Frühlings, frisch geschlagene Baumstämme und Brennholzstapel am Wegrand, ein Stück weiter eine Lichtung mit aufstrebendem Jungwald – von mir vor wenigen Jahren gepflanzt… An sich ein wunderschönes Bild, das ich auf meinem Spaziergang durch den Wald vor Augen habe. Doch ich höre eine andere Botschaft: «Nie mehr!», tönt es in meinem Inneren. Es fühlt sich an, als wäre ich Teilnehmer an meiner eigenen Beerdigung und würde auf mein früheres Leben zurückblicken. Ein Leben, das jetzt – von einem Moment auf den anderen – nicht mehr existiert! Doch der Reihe nach:

Drei Beine

Mit 25 Jahren stehe ich mit meinem Leben gut und stabil auf drei Beinen: Einmal ist da der Spitzensport, der mir viel bedeutet. 20-jährig hatte ich es ins Biathlon-Nationalteam geschafft. Das zweite Bein ist mein Beruf als Forstwart, mein Traumberuf seit den ersten Schuljahren. Schliesslich das dritte Bein, der Glaube. Die Beziehung mit Gott steht für mich im Zentrum. Ihm habe ich mein Leben anvertraut, er ist der Steuermann in meinem Leben. Zwei Beine sollten mir bald jäh entrissen werden… An einem Tag im Januar gönnte ich mir zusammen mit meiner Freundin noch einen Skitag. «Keine zehn Pferde würden mich je in ein Büro bringen!», verkündete ich am Skilift. Ich ahnte ja nicht, dass mein Leben schon am nächsten Tag für immer ein völlig anderes sein würde!

Der Unfall

Beim Fällen eines Baumes wurde ich von herabstürzenden Baumteilen so getroffen, dass sämtliche Nerven, die den linken Arm versorgten, zerrissen oder gar samt den Nervenwurzeln aus dem Rückenmark gerissen wurden. So lautete jedenfalls im Spital bald einmal die Diagnose. Damit begann eine sehr herausfordernde Zeit, die mich an die Grenzen meiner inneren Kraft führten. Eine Zeit aber auch, in der sich mein Glaube an Gott, dieses einzige «Bein», auf dem mein Leben nun noch stand, bewähren musste! War das mit Gott alles nur Einbildung? Trägt Gott auch auf unverständlichen Wegen?

«War das mit Gott alles nur Einbildung? Trägt Gott auch auf unverständlichen Wegen?»

Tatsächlich habe ich Gottes Hilfe erlebt, wie nie zuvor! Da war beispielsweise diese Stimme in mir unmittelbar, als der Unfall geschah. Meinen herabhängenden Arm vor Augen, noch ohne Diagnose, wusste ich trotzdem auf unerklärliche Weise, dass ich nie wieder im Wald würde arbeiten können. In dieser Situation hörte ich in meinem Inneren: «Wer Gott liebt, dem dient alles zum Guten». Wie eine Endlosschlaufe wurden diese Worte aus der Bibel ständig wiederholt. Das sagt man jemandem in einer solchen Situation wohl besser nicht! Bei dieser Stimme wusste ich aber sofort, dass ich mich darauf verlassen konnte.Früher war Rolf Senn erfolgreicher Biathlet

Suche nach neuer Perspektive

So musste ich nicht nach dem «Warum?» fragen. Ich konnte vertrauen und sogar andere Menschen aus meinem Umfeld trösten. Schnell war klar, dass die Verletzung medizinisch irreparabel war. Ich würde meinen Arm nie mehr benützen können. Nebst dem Leben mit dieser Einschränkung musste ich auch lernen, mit den Phantomschmerzen umzugehen. Doch das Schwierigste war die fehlende Perspektive! Ich lebte zwar noch, aber wozu?

In dieser völligen Leere erlebte ich Gottes Nähe ein weiteres Mal auf rettende Weise! Am Ende meiner inneren Kraft angelangt, sass ich zuhause am Tisch. Ich gab den Kampf auf, konnte nicht mehr, es war vorbei. «Erschöpft», schrieb ich auf einen Briefumschlag, der vor mir lag. Kaum hingeschrieben, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: «Er schöpft» hiess das ja! Noch einmal nahm ich den Schreiber zur Hand und schrieb hinter das Wort: «neue Kraft»! Ein zweites Mal hat Gott in dieser Situation zu mir gesprochen, diesmal ganz anders. So ging mein Weg weiter und führte mich zur nächsten Station: in die Reha-Klinik der SUVA in Bellikon.

Etwas Physiotherapie, Tastaturschreiben mit dem Fünffinger-System im Selbststudium und zwischendurch etwas Schwimmen, so sah mein Tagesprogramm aus. Dazwischen fanden sich aber vor allem lange Zeiten der Leere und immer noch: keine Perspektive! Eine Situation, die ich eines Morgens nicht mehr aushielt. Ich kniete vor meinem Bett nieder und betete zu Gott: «Bitte sag mir doch heute, was ich mit meinem Leben anfangen soll! Ich möchte deinen Willen tun und nicht einfach irgend etwas machen. Bitte sage es mir so, dass ich es ver-stehen kann. Was immer es auch sein wird, ich verspreche dir, ich werde es tun!»

Ein unerwarteter «Prophet»

Zugegeben, ein gefährliches Gebet… Wie würde Gott diesmal reden? Der Tag verging, ich hörte nichts. Nach dem Nachtessen erhielt ich überraschenden Besuch. Mein früherer Chef war gekommen und er hatte eine Frage im Gepäck: «Rolf, was willst du nun mit deinem Leben anfangen?» Sofort spürte ich, dass er eine Idee auf dem Herzen hatte, sich aber kaum getraute sie auszusprechen. Weisst du, ich denke halt, du könntest doch Pfarrer werden! Im Gegensatz zu mir glaubst du ja an Gott.» Einmal mehr hat Gott zu mir gesprochen. Einmal mehr auf eine überraschende, aber deutliche Weise.

Gott spricht zu uns. Zuerst durch sein Wort, die Bibel, und auch durch Träume, Eindrücke, Erlebnisse und andere Menschen. Unmittelbar in die Katastrophe hinein hat er mir durch sein Reden Halt gegeben. Durch sein Reden habe ich übernatürliche Kraft erhalten, als die eigene Kraft nicht mehr reichte. Und seine Antwort auf mein Gebet wies mir den Weg von meiner Beerdigung in ein neues Leben.

«Weisst du, ich denke halt, du könntest doch Pfarrer werden! Im Gegensatz zu mir glaubst du ja an Gott.»

Seit 25 Jahren Pastor

Nach einer vorbeitenden Umschulung zum kaufmännischen Angestellten bin ich tatsächlich in meiner neuen Berufung angekommen und darf seit bald 25 Jahren Gott in meinem Beruf als Pastor erleben! Das dritte Bein hat getragen. Der Glaube an Gott ist eine lebendige Hoffnung in jeder Lebenslage!»

Zur Person:

Einer meiner Lieblingsplätze in Schaffhausen:
Das Zelgli auf dem Randen, besonders mit Langlaufspur!

Lieblingsbeschäftigung am verregneten Sonntagnachmittag:
Den Schwedenofen einfeuern und mit der Familie «Siedler» spielen

Meine Lieblingsmusik:
Adele

Auf diese App möchte ich auf keinen Fall verzichten:
Swisstopo

Autor: Florian Wüthrich
Quelle: HOPE-Regiozeitungen