Wenn Kinder lächeln, geht die Sonne auf

Azucena Forster blieb Kinderlos und fand trotzdem ihren Frieden
Azucena Forster aus Hochdorf wächst in der Küstenstadt Lima auf. Als junge Frau verlässt sie die Heimat, heiratet einen Schweizer, sehnt sich nach einer eigenen Familie. Doch so einfach ist das nicht.

Ohne Blick zurück verlässt die Peruanerin Azucena ihr Zuhause. Die 20-Jährige hat sich mit ihren Eltern zerstritten. In ihrer Grossfamilie und dem nahen Umfeld hat sie Gewalt und sexuellen Missbrauch erlebt. Sie ist sehr verletzt. In Ecuador verliebt sie sich in einen Schweizer. Die beiden reisen in die Schweiz und heiraten. Aber die Ehe hält nicht, mit 23 Jahren ist Azucena wieder auf sich allein gestellt. Sie absolviert eine Handelsschule, wird Kauffrau und hat beruflich Erfolg. Trotzdem: Wenn sie in den Spiegel schaut, hört sie das alte Lied aus der Kindheit: «Du bist nichts wert! Du wirst dich nie ändern! Du schaffst es nicht!»

Azucena leidet unter starken Gefühlsschwankungen, hat Suizidgedanken. Immer wieder fragt sich die junge Frau: «Wer bin ich?» Wenn sie gebraucht wird, von Männern umgeben und in Gesellschaft ist, gibt sie sich fröhlich. Mit Partys und Alkohol überspielt Azucena ihren Schmerz. Bleibt sie allein, erfüllen sie Angst und Traurigkeit. Eines Tages bemerkt ihr Coiffeur, dass es ihr nicht gutgeht. Freundlich lädt er sie ein: «Komm zu uns nach Hause, meine Frau kocht für uns.» Das Ehepaar erzählt der jungen Frau von Jesus, sagt ihr, dass er sie liebe und ihr helfen wolle. Die Hochdorferin erinnert sich: «Sie sprachen von einem Gott, den ich so nicht kannte. Wenn sie beteten, kam mir dies vor wie ein Gespräch unter Freunden.»

Zusammenbruch

Die junge Frau kämpft sich weiter durch emotionale Hochs und Tiefs, bis sie während eines Einkaufs zusammenbricht. Sie ist völlig verwirrt und weint laut. Azucena nimmt nicht wahr, dass sich Leute um sie scharen. Zuerst kümmert sich ein Notfallpsychiater um sie, dann der Coiffeur und seine Frau. Sie ermutigen ihre Freundin, allen Schmerz vor Gott auszusprechen. «Ich hatte mich vorher nie getraut, Gott meine Wut zu zeigen», gesteht Azucena. «Aber nun schrie ich ihn an und warf ihm alles vor die Füsse, was mich quälte.» Dabei geht ihr durch den Kopf: «Anderen hat Gott geholfen, mir nicht – entweder er lässt mich jetzt sterben oder er tut etwas.»

Gott ist da

Azucena vertraut sich einer Seelsorgerin an und besucht einen Alphalive-Glaubenskurs. Hier lernt sie Jesus besser kennen und lädt ihn in ihr Leben ein. «Mein Psychiater hatte eine bipolare Störung diagnostiziert und mir Medikamente verschrieben», erklärt sie und fügt fröhlich an: «Geheilt hat mich Jesus!» In einem mehrjährigen Prozess lernt Azucena, ihren Peinigern zu vergeben. Auch mit ihren Eltern ist sie heute versöhnt: «Es war wie eine Geburt in ein neues Leben ohne Hass, Albträume, Migräne, Depressionen, Angst im Dunkeln oder vor der Zukunft», erinnert sie sich. «Endlich konnte ich wieder schlafen, lachen und lieben.»

«Endlich konnte ich wieder schlafen, lachen und lieben.»

Hoffnung keimt auf …

An der Arbeit verliebt sie sich in einen geschiedenen Mann. Sie erkennt die Herausforderungen, mit einem Mann das Leben zu teilen, der ihre Freundschaft mit Jesus nicht teilt. Aber sie liebt Rolf und heiratet ihn. Azucena hofft von ganzem Herzen, dass ihr Traum einer eigenen Familie nun wahr werden möge. Das neue Haus, besonders der grosse Baum im Garten bieten die Voraussetzung, dass ihre Kinder die Kindheit erleben werden, von der sie selbst immer nur geträumt hatte.

… und erstickt wieder

Doch Azucena wird nicht schwanger. Jeder Babybauch, jeder Kinderwagen, den sie erblickt, wird für sie zur Qual. So auch Haus und Garten, wo sich doch Kinder tummeln sollten! Ihr zunehmendes Alter trägt dazu bei, dass keine Schwangerschaft zustande kommt. Rolf leidet mit ihr, er fühlt sich machtlos und schlägt schliesslich eine Insemination vor. Doch auch so wird Azucena nicht schwanger.

«Wer bin ich, wenn ich nicht Mutter sein darf ?», fragt sie sich. «Die Rolle als Ehefrau genügt mir nicht», wirft sie ihrem Mann vor. Das Thema belastet die Beziehung sehr. Die nächsten Tage verbringt Azucena im Garten. Sie erzählt: «Ich sass vor dem Baum, er schien mich anzusehen, als würde er mich verspotten.» Die damals 38-Jährige wird von ihrem Schmerz überwältigt, schreit Gott an: «Was soll das – eine Latina ohne Kinder! Wer bin ich dann? Ich habe keine Ahnung, was du mir geben willst, um diese Lücke zu füllen – aber bitte tu etwas! Du hast versprochen, bei mir zu sein!»

«Wer bin ich, wenn ich nicht Mutter sein darf ?»

Warme Strahlen

Azucena erhält die Antwort, als ein kleines Kind auf sie zukommt. «Es blieb stehen und strahlte mich an. Ich weinte und lächelte zugleich. Gott liess die Sonne durch dieses Kind nur für mich strahlen», ist sich Azucena sicher. «Was ich nicht haben durfte, gebrauchte Gott, um mich zu heilen.» Ähnliches wiederholt sich in den nächsten Tagen. Im Gebet legt sie ihre Trauer bei Gott ab. Als der Baum wegen eines Missverständnisses gefällt wird, erlischt in Azucena auch die Sehnsucht nach einem Kind: «Ich konnte den Schmerz ausatmen, der graue Alltag wurde wieder farbig und mein Herz kam zur Ruhe. Gott hat das so geschenkt!», sagt sie dankbar.

«Ich konnte den Schmerz ausatmen, der graue Alltag wurde wieder farbig und mein Herz kam zur Ruhe.»

Neues wächst

Azucena akzeptiert ihre Familie heute so, wie sie ist: kinderlos und dennoch vollständig, mit einem Ehemann, für den Gott ihr eine neue, tiefe Liebe geschenkt hat. Ihre anklagende Haltung Rolf gegenüber wandelte sich in Wertschätzung. Die kontaktfreudige Frau hat eine andere erfüllende Aufgabe gefunden. Azucena investiert viel Zeit, um anderen Menschen von Gottes Liebe zu erzählen und davon, dass er das Leben zum Guten wenden kann. Ihr Haus ist ein Treffpunkt für Menschen, die Gott besser kennenlernen möchten. Erfüllt und dankbar sagt Azucena: «Ich liebe, was Gott aus meinem Schrei hat entstehen lassen!»

Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Hope Regiozeitungen