Ruhe im Sturm
Juli 2013: Seit zwei Tagen halten Mona und Stefan Weber ihren kleinen Kellan in den Armen, alles scheint gut zu sein. Nach dem Erstuntersuch hatte ihnen der Kinderarzt zu einem gesunden Kind gratuliert. Doch dann gerät die Welt der jungen Familie durcheinander.
Die Diagnose
«Es war surreal», blickt Stefan auf den Moment zurück, als ihm Mona telefonisch mitteilte, bei Kellan bestehe Verdacht auf Trisomie 21. Alles ändert sich – und doch nichts: In den vergangenen neun Monaten hatte Mona ihren Sohn kennengelernt und wusste, wer er ist. Die Mutter bekräftigt: «Keine Diagnose der Welt hätte das ändern, nichts unsere Liebe für Kellan mindern können.» Und doch steigen plötzlich grosse Sorgen und Ängste in ihr auf. «Damals hatte ich keine Vorstellung von der Tragweite der Diagnose», bekennt sie.
Emotionale Achterbahn
Die Prognosen für Kellans Leben sind negativ, die Eltern erfahren vor allem, wozu Kellan später nicht in der Lage sein werde… In den folgenden Tagen kommen gesundheitliche Probleme dazu. Kellan muss in ein grösseres Krankenhaus verlegt werden. «Unsere Seelen fuhren Achterbahn», erinnert sich Mona. «Es war der bisher grösste Sturm in unserem Leben.» Stefan spricht von einem Überlebensmodus. Tagsüber habe er einfach funktionieren müssen – nicht zuletzt, um auch dem damals zweijährigen Sohn Gion gerecht zu werden. Er blickt zurück: «Abends im Bett kamen die Gefühle hoch… Wir waren sehr froh und dankbar, Menschen im Hintergrund zu wissen, die an uns dachten und für uns beteten.»
Tiefer Friede
«Inmitten dieses Sturms wusste ich, dass Gott da ist», hält Mona fest. «Zwischen all diesen Geräten in der Neonatologie empfand ich einen grossen, inneren Frieden.» Sie erlebt die Realität Gottes, nicht nur auf emotionaler Ebene: «Wir beteten konkret dafür, dass sich medizinische Werte ändern.» Gemeinsam wendet sich das Paar Gott zu, spricht ihm im Gebet sein Vertrauen aus. Unerwartet schnell und markant verbessern sich Kellans Werte. Die nächsten Monate sind geprägt von Spitalaufenthalten und Arztterminen. Inmitten aller Stürme und Herausforderungen wird Monas und Stefans Ja zum Leben gestärkt.
Vorbildliche Inklusion
Die meisten gesundheitlichen «Baustellen» können innerhalb des ersten Lebensjahres von Kellan geschlossen werden. Es kehrt Ruhe ein. Mona und Stefan geniessen das Familienleben und freuen sich an ihren beiden Söhnen. Sie sind sich einig: «Für uns sind beide Kinder ein Geschenk, ein grosser Segen, da spielt die Anzahl Chromosomen keine Rolle.»
Kellan lebt zwar mit einem Herzfehler, dieser beeinträchtigt ihn aber nicht. «Beruflich haben wir uns so organisiert, dass immer einer von uns zu Hause ist», sagt Mona, die wie ihr Mann im kaufmännischen Bereich arbeitet. Es ist ihr und Stefan sehr wichtig, für die Jungs da zu sein und mit ihnen Zeit zu verbringen.
Mit der Einschulung rückt Kellans Down-Syndrom wieder in den Vordergrund. Dankbar erklärt Stefan: «Wir hatten Glück, unsere Schule war bereit, den Weg mit uns zu gehen. Eine Klassenassistentin und die Lehrpersonen unterstützen Kellan hervorragend.» Mona ergänzt: «Es ist uns klar, Integration verlangt von allen Beteiligten die Bereitschaft, eine Extrameile zu gehen.» Kellans Lernziele wurden seinen Möglichkeiten angepasst. Mittlerweile ist er bereits in der dritten Klasse der Regelschule.
Reich beschenkt
«Mit Kellan lerne ich, geduldig zu sein», sagt Stefan. «Das ist bereichernd und herausfordernd zugleich.» In vielen alltäglichen Situationen müsse er sich mehr Zeit nehmen und entdecke dabei viel Schönes, das ihm sonst entgehen würde. Stefan fährt fort: «Kellan lehrt uns, kleine Schritte zu sehen und zu feiern. Er hat uns aus dem Leistungsdenken herausgerissen. Dafür bin ich sehr dankbar.»
Eltern emotional begleiten
Mona und Stefan möchten sich dafür einsetzen, dass Menschen mit Down-Syndrom ihren Platz in der Gesellschaft erhalten und Wertschätzung erleben. Als sie 2020 erfahren, dass ein Netzwerk für betroffene Familien geplant ist, melden sie sich zur Mithilfe. Innert Kürze wird Mona Teil des Kernteams und schliesslich Präsidentin des Vereins hope21. Sie findet: «Heute ist die beste Zeit, um ein Kind mit Trisomie 21 zu haben.» Angebote zur Unterstützung in medizinischen und praktischen Belangen seien ausreichend vorhanden. Mona unterstreicht: «Nach dem Erhalt der Diagnose ist es wichtig, Eltern auch emotional zu begleiten. hope21 schliesst diese Lücke. Der Austausch mit Familien, die diesen Weg bereits gehen, ist sehr wertvoll, besonders wenn Entscheidungen getroffen werden müssen.»
Über Hope21
Der Verein hope21 ist überparteilich und konfessionell neutral. Er vernetzt Eltern, welche die Diagnose Trisomie21 für ihr Kind erhalten haben, mit Familien, die bereits mit einem Kind mit Extrachromosom leben. Sie kommen aus allen Regionen der Schweiz, bieten Einblick in ihren Alltag und stehen bei Fragen, Sorgen und Ängsten unterstützend zur Seite. Über die Website können interessierte Familien Kontakt mit einer HopeFamily aufnehmen. hope21 koordiniert die Vernetzung und begleitet die Familien im Hintergrund.
Des Weiteren steht hope21 medizinischen Fachpersonen rund um das Thema Diagnoseübermittlung zur Seite. Als sehr hilfreich erwiesen hat sich die Broschüre «Diagnose-
übermittlung – die richtigen Worte finden». Sie kann über die Website heruntergeladen oder auch kostenlos bestellt werden.
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