Aus gutem Holz geschnitzt

Urban Hauser, 59 Jahre, verheiratet, hat fünf Kinder, wohnt in Brienz
Urban Hauser ist ein Menschen- und Holzfreund. Er gibt sein Können gern weiter. Seit 1997 unterrichtet der Fachlehrer für Ornamentik an der Schnätzi», der Schule für Holzbildhauerei Brienz. Bis 2011 amtete er zudem als Schulleiter und trug viele Hüte – zu viele. Er musste lernen, loszulassen und hat heute seinen Rhythmus gefunden.

Urban Hauser wird 1963 in Bülach als Sohn eines Schreiners geboren. 1980 absolviert er in Winterthur die vierjährige Ausbildung zum Technischen Modellbauer, engagiert sich in seiner Freizeit als Jungscharleiter in einer Freikirche. «Ich bastelte und baute mit den Kindern viele Dinge aus Holz», sagt Hauser. Die Faszination für diesen Werkstoff lässt ihn nicht los. Durch das Buch «Holz schnitzen und Holzbildhauen» von Friedrich Frutschi entdeckt er das Schnitzen und reist im Herbst 1984 vom Zürcher Unterland ins Berner Oberland, um in der Schule für Holzbildhauerei Brienz, «Schnätzi», eine Schnupperlehre zu absolvieren. «Damals hat es mir den Ärmel reingenommen», sagt Urban Hauser und schmunzelt. Als er das weite Feld der ornamentalen Holzbearbeitung entdeckt, ist der Entscheid für die dreijährige Zweitausbildung zum Holzbildhauer schnell gefällt. 1989 heiratet Hauser, gründet mit Ursula eine Familie.

Selbstständig und kreativ

Nach seinem Abschluss richtet er im Haus seiner Grossmutter in Windlach ZH eine Werkstatt ein, arbeitet neun Jahre lang als selbstständiger Holzbildhauer. Zu seinen Kunden zählen eine Stilmöbelfirma, die Denkmalpflege und, nebst Privatpersonen, auch Kleinbetriebe, die ihr Geschäft beschriften lassen möchten. Urban Hauser kreiert Reliefs mit Ornamenten und Grabmäler aus Holz. «Ich konnte die Materialien Stein und Holz verbinden, eigene Ideen verwirklichen und auch Aussagen des christlichen Glaubens symbolisch darstellen», erklärt er. Auch heute noch schöpft er Kraft und Zuversicht aus seiner Beziehung mit Gott.

Ein grosser Schritt

1996 absolviert Urban Hauser in Brienz seine Meisterprüfung – mit Bravour, erhält er doch umgehend das Stellenangebot als Fachlehrer und Schulleiter. Der Zeitpunkt für eine Veränderung passt. «Unsere älteste Tochter kam damals gerade in den Kindergarten», bemerkt Hauser. Und so zieht die Familie nach Brienz. Der Holz- und Menschenfreund schwärmt: «Es bereitet mir grosse Freude, jungen Leuten dieses schöne Handwerk beizubringen und mit ihnen zu erarbeiten, wie man Ideen umsetzt, auf Kunden eingeht und seine Produkte verkauft.»

Blick in die Werkstatt der «Schnätzi», wo sich die Lernenden in ihrem Holzhandwerk üben.

Familiäres Umfeld

Die Lehrwerkstatt bietet 24 Holzbildhauerausbildungsplätze. Pro Jahrgang und Klasse sind es vier bis acht Frauen und Männer, das Arbeitsklima ist daher vertraut und fast familiär. «Die jungen Leute sind heute selbstbewusster als früher», findet Urban Hauser. Aber nicht alle halten den Herausforderungen stand, die der Wohnortwechsel und diese anspruchsvolle, vielseitige Ausbildung mit sich bringen. Da kann Hauser manchmal auf seine väterliche Erfahrung zurückgreifen. Seine fünf Kinder sind zwischen 20 und 31 Jahre alt, zudem ist er stolzer Grossvater von zwei Enkeln. «Es ist mir wichtig, offen und ehrlich zu sein und jeden Menschen so zu nehmen, wie er ist. Dort, wo es nötig ist, helfe ich gern», erklärt er. Wertschätzung, Freundlichkeit und Geduld sind weitere Tugenden, die Urban Hauser gegenüber seinen Mitarbeitenden und Auszubildenden bewusst leben möchte und als Grundlagen seines Glaubens sieht.

Künstler am Werk

Der Gang durch die Lehrlingswerkstätten zeigt, dass hier Künstler am Werk sind. Nebst der Begabung seien alle Sinne gefragt; genaues Beobachten, «Be-Greifen» und viel, viel Üben. Jede/r Lernende kauft sich zu Beginn ein ca. achtzigteiliges Schnitzmeissel-Set, das eigenständig geschärft und gewartet werden muss. «Zuerst wird viel gezeichnet, zum Beispiel Ornamente. Später folgen Entwürfe mit Ton, es werden etwa Tiere und Menschen modelliert. Auch die Arten und Eigenschaften der Einheimischen Hölzer stehen auf dem Ausbildungsplan», erklärt Hauser. Er schätzt das Arbeiten mit Naturmaterialien, ist begeistert von der Vielfalt der Schöpfung. «Sie spiegelt den Schöpfer», hält Hauser fest. Dies wecke in ihm immer wieder Ehrfurcht und Dankbarkeit. «Gott hat mich reich beschenkt, auch deshalb gebe ich mein Wissen und Können gern weiter».

«Ich bete vor jeder Entscheidung um Weisheit – und um die Kraft, den Entschluss auch umsetzen zu können.»

Zu viel

Urban Hauser engagiert sich in den Berufsverbänden, hilft mit, die Ausbildung der kunsthandwerklichen Holzbearbeitungsberufe unter ein Dach zu bringen und setzt sich als Freiwilliger in der Kirche ein. Das Arbeitsfeld des Schulleiters und Fachlehrers ist gross und droht ihm über den Kopf zu wachsen. Überall versucht der pflicht- bewusste Mann sein Bestes zu geben. «Die ‹Schnätzi› ist zu sehr zu meinem persönlichen Projekt geworden», muss er schliesslich schmerzlich erkennen. Hauser kann nicht mehr abschalten, steuert 2011 auf ein Burnout zu. Er zieht sich ein Vierteljahr von allen Verpflichtungen zurück, übergibt die Schulleitung seinem Stellvertreter. Sein Arzt begleitet ihn, reflektiert ihn durch Gespräche. «Ich ging viel in die Natur, suchte die Gemeinschaft mit Gott, las in der Bibel», erinnert sich Hauser an jene Zeit. Er nimmt sich bewusst Zeit für seine Familie und packt im Haushalt mit an.

Loslassen gelernt

Danach kehrt er anfänglich mit einem 50-Prozent-Pensum als Werkstattleiter und Fachlehrer in den Betrieb zurück. Einige Zeit später übergibt er Markus Flück, seinem ehemaligen Lehrling, die Leitung und wird dessen Stellvertreter. «Es ist gut so», bekräftigt der 59-Jährige. Immer mehr hat er gelernt zu unterscheiden, welches seine Aufgaben sind und was er delegieren oder abgeben kann. «Heute fällt es mir leichter loszulassen, auch die Verbandstätigkeit», sagt Urban Hauser. Die Momente der Stille, die er morgens mit Gott verbringt, und Texte aus der Bibel stärken ihn. «Ich bete vor jeder Entscheidung um Weisheit – und um die Kraft, den Entschluss auch umsetzen zu können.» Er zitiert einen Vers aus den Psalmen, wo sich zahlreiche Gebete von König David finden. Zu Beginn des 121. Psalm schreibt David «Ich schaue hinauf zu den Bergen – woher kommt meine Hilfe? Sie kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.» (mf)

Über die Schule für Holzbildhauerei Brienz

Frauen und Männer werden hier zu Holzbildhauern/Holbildhauerinnen EFZ ausgebildet. Der Lehrgang dauert vier Jahre. Die meisten machen sich anschliessend selbständig. Im Produktionsbetrieb erstellen Lernende Auftragsarbeiten vieler Stilrichtungen für Private und staatliche Institutionen, Kunstschaffende, Firmen und Vereine. Gesamtschweizerisch befinden sich unter dem Dach der «Schnätzi» auch die Berufsschule und Räume für die Überbetrieblichen Kurse für Drechsler, Weissküfer, Küfer, Korb- und Flechtwerkgestalter.

Mehr Infos:
www.holzbildhauerei.ch

Autor: Mirjam Fisch
Quelle: HOPE-Regiozeitungen